Stuttgart gegen Hertha: Es wird richtig eng
Berlin schießt mal wieder ein Tor. Stuttgart schießt mal wieder ein Tor. Das 1:1 hilft jedoch keinem von beiden so richtig weiter. Nun stehen beide Teams auf Abstiegsplätzen.
Ja, ja die Macht der Gefühle. Als die Berliner Hertha am Samstag in der Stuttgarter Stadionbaustelle einlief, fühlten sich die Spieler wohl eher wie in einem südlichen Trainingslager, als im novembergrauen Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga. 17 Grad, ein laues Lüftchen, Sonne - höchst ungewöhnlich für einen 21. November, selbst im Süden. Und als Schiedsrichter Gagelmann die Partie gegen den VfB Stuttgart abpfiff, fühlten sich viele Herthaner ein wenig als Verlierer, obwohl ein 1:1 auf dem Platz eines Champions League Teilnehmers so schlecht nun auch wieder nicht ist - auch wenn der VfB mittlerweile ebenfalls in der Abstiegszone steht. Aber wer die große Chance zum 2:0 vergeigt und kurz danach den Ausgleich fängt, der freut sich eben nicht über einen Punkt, auch wenn es der erste seit dem 25. Oktober - und dem damaligen 0:0 gegen Wolfsburg - war.
Dass sich die Schwaben nach dem für ihren Anspruch desaströsen Bundesliga-Ergebnissen jetzt nicht von Trainer Markus Babbel trennen, liegt wohl nur daran, dass es schon am Dienstag gegen Glasgow in der europäischen Champagnerliga weitergeht. Und dass man noch mit dem Finger auf eine andere Mannschaft zeigen kann, die auch bis Sommer gut und danach schwach war. Die Hertha eben.
Es gibt freilich einen markanten Unterschied: Während Berlin im Sommer mit Simunic (Hoffenheim), Pantelic (Amsterdam) und Woronin (Liverpool) drei Spitzenspieler verlor, ersetzten die Schwaben den Bayernflüchtigen Gomez durch Pogrebnyak, Kuzmanovic und Hleb - allerdings ohne Erfolg.
Trotzdem war der VfB am Sonnabend zunächst hoch überlegen, die Hertha "viel zu passiv" wie Trainer Friedhelm Funkel monierte. Er wusste allerdings auch, warum das so war. "Stuttgart war am Anfang einfach zu gut." Aber nicht erfolgreich. Ein Abseitstor von Marica in der fünften Minute, ein Schuss von Kapitän Hitzlsperger übers Tor - der VfB gefällig bis zum Strafraum, von da an aber mit der Gefährlichkeit einer Daunendecke.
Hertha? Verströmte 45 Minuten das gewisse Nichts, von der spielerischen Dominanz des Spiels gegen Köln zwei Wochen zuvor war nichts zu sehen, wobei Funkel auf den gesperrten Raffael und den grippekranken Ebert verzichten musste und Kacar überraschend auf der Bank saß - angeblich, weil der Serbe nach seinem Länderspiel müde war. Sagte Funkel; Kacar fühlte sich aber gar nicht so.
Berlin war also nicht so gut drauf wie gegen Köln, dafür erfolgreicher. Der eingewechselte Kolumbianer Ramos tanzte kurz nach der Pause nach einem Zuckerpass von Nicu Stuttgarts Keeper Lehmann aus und schob zur Führung ein. Ramos hätte in der 82. Minute das Spiel entscheiden können, verdaddelte aber am Ende einiger starker Hertha-Minuten im Strafraum unentschlossen den Ball, anstatt abzuspielen. "Das war fahrlässig", grantelte Kapitän Friedrich. Aber da dem VfB nicht mehr als der Ausgleich durch Kuzmanovic (82.) gelang, war es am Ende immer noch ein echter Punkt - gefühlt aber zwei verlorene. Dass ein Sieg wegen der schwachen ersten Halbzeit gar nicht verdient gewesen wäre - "das hätte doch keinen interessiert", sagte Nicu.
Funkel lobte denn auch seine Mannschaft, dass sie sich trotz der anfänglichen Drangperiode der Schwaben nicht hängen ließ. Das Spiel sei "ein Schritt zur Stabilisierung", sagte der Trainer, der aber auch weiß, dass sein Team am kommenden Wochenende gegen Frankfurt nachlegen muss. Denn an der fatalen Lage hat sich kaum was geändert: Fünf Punkte nach 13 Spielen, und nach der Partie gegen die Hessen heißt das Restprogramm vor Weihnachten: Auf Schalke, gegen Leverkusen und in München. Da weiß auch Kapitän Friedrich: "Wenn wir mit fünf Punkten in die Winterpause gehen, wird es richtig eng."
Das wird es auch so schon, weshalb der Verein weiter nach Verstärkung Ausschau hält. Manager Preetz ist auf der Suche nach einer eierlegenden Wollmilchsau, also einem Spieler, der Tore schießt und so gut wie nichts kostet, weil Hertha angesichts von Schulden von über 30 Millionen Euro kein Geld hat. Die Rückkehr von Woronin oder Pantelic scheint nicht finanzierbar zu sein, angeblich ist die Hertha aber am griechischen Stürmer Gekas dran, der in Leverkusen meist nur auf der Bank sitzt. Berlin würde den Torschützenkönig der Bundesliga 2007 gerne ausleihen. Leverkusen schwebt dagegen, wenn überhaupt, nur ein Verkauf um die drei Millionen Euro vor. Das ist ungefähr soviel, wie die Hertha im Sommer für sieben Spieler ausgegeben hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!