piwik no script img

Stühlerücken beim DeutschlandfunkDegradierung ohne Opfer

Der Deutschlandfunk reformiert die "Politische Literatur" und macht zwei langjährige Redakteure zu Autoren.

"Politische Literatur" heißt jetzt "Andruck". Bild: dpa

Selten bekommt ein neues Rundfunk-Magazin schon vor seiner ersten Ausstrahlung negative Presse. Mit "Andruck - das Magazin für politische Literatur" ist dem Deutschlandfunk dieses Kunststück gelungen. Das Format ist der überarbeitete und umbenannte Nachfolger der Sendung "Politische Literatur", der wöchentliche Sendeplatz am frühen Montagabend bleibt. Der Kölner Sender habe durch die Umstrukturierung den Stellenwert der politischen Literatur erhöhen wollen, hieß es in einer Mitteilung. Daran nicht mehr mitwirken werden zwei langjährige Redakteure der Sendung, Karin Beindorff und Hermann Theißen.

Die Wochenzeitung Freitag hatte berichtet, die Demission der beiden als links geltenden Redakteure sei eine politische Entscheidung des CDU-nahen Programmdirektors vom Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur, Günter Müchler, gewesen. Tatsächlich waren deren Beiträge für "Politische Literatur" häufig von Kapitalismuskritik geprägt, war die Rede vom "pathologischen 68er-Bashing, das (…) die Protestbewegung mal wieder für alle Übel dieser Welt verantwortlich" mache. Kritische Töne an neoliberalen und -konservativen Entwicklungen waren jedoch immer wieder auch in Sendungen zu hören, die nicht von Theißen oder Beindorff verantwortet wurden.

"Die Verantwortung der Sendung lag schon immer bei der Redaktion Hintergrund", sagt Dietmar Boettcher, Sprecher des Deutschlandradios. Kollegen anderer Fachbereiche hätten in der Vergangenheit an "Politische Literatur" mitgewirkt. Darunter waren auch Theißen und Beindorff, die dem Programmbereich Kultur angehören. "Der Hintergrund ist nun neu formiert und die Themen sind neu verteilt worden", erklärt Boettcher. Die Chefredaktion habe entschieden, die redaktionelle Verantwortung, zu der auch die Moderation zählt, fortan ausschließlich beim Hintergrund anzusiedeln.

Inzwischen haben mehrere Autoren und Verleger einen Protestbrief verfasst, in dem sie die Rücknahme der Maßnahme fordern, um "Service- und Weichspüler-Journalismus" zu verhindern. Dabei standen die Premierenthemen von "Andruck" am vergangenen Montag durchaus in der Tradition des Vorgängerformats: Die Besprechungen der Bücher "Der gekaufte Staat - Wie Konzernvertreter in deutschen Ministerien sich ihre Gesetze selbst schreiben" oder "Die unterste Milliarde - Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann" deuteten nicht darauf hin, dass das Format künftig ein Hort neoliberaler Berichterstattung zu werden droht.

Aus Redaktionskreisen werden andere Gründe für die Entscheidung kolportiert. Danach sollen Theißen und Beindorff bei den Mitarbeitern der Sendung unbeliebt gewesen sein. Die beiden hätten sich ihren Kollegen gegenüber oft rechthaberisch und ruppig verhalten und Diskussionen regelmäßig abgewürgt. Theißen, der seit mehr als 20 Jahren für "Politische Literatur" arbeitet, und Beindorff, seit 11 Jahren für das Magazin tätig, werden künftig als Autoren bei "Andruck" mitwirken. Beide betreuen weiterhin andere Sendungen im Deutschlandfunk.

TORSTEN LANDSBERG

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • R
    Radiohörer

    Und bevor Karin Beindorff in die Feature-Redaktion abgeschoben wurde, hat sie beim DLF die aktuellen Zeitfunk-Magazine moderiert. Noch nach über zehn Jahren denke ich fröhlich an das Gestotter und Gestammel zurück, das ihre scharfsinnigen Fragen bei den politischen Spitzenkräften jener Zeit hervorriefen. Konnte natürlich nicht lange gutgehen.

  • AO
    Axel-R. Oestmann

    Axel-R. Oestmann, St. Tönnisstr. 15a, 50769 Köln.

    Mit der Bitte um Veröffentlichung als Leserbrief zu dem Artikel: "Degradierung ohne Opfer", von Torsten Landsberg.

     

    Die Darstellung des DLF ist falsch. Ich war seit 1990 Autor der Sendung "Politische Literatur" des DLF. Sie gehörte zur Abteilung "Politisches Feature". Die Sendung Politische Literatur wurde 1998, im Zusammenhang eines Publikationsverbotes gegen mich während der politisch begründeten Zerschlagung der Abteilung Feature in die Abteilung "Hintergrund Politik" verlegt. Nicht aus reformerischen Gründen, sondern ganz unzweideutig um sie zu disziplinieren, wurden damals Theissen und Beindorff in die Abteilung '"Hintergrund Politik" zwangseingeordnet. Ihr neuer Vorgesetzter wurde Rolf Clement, der Militärfachmann des Senders.- Sie können sich über die damaligen Vorgänge leicht z.B. in der Frankfurter Rundschau vom 14. Februar 1998 informieren: "Rote Zelle aufgelöst." Der Artikel zitierte damals den Programmdirektor Müchler mit seiner Äußerung über Beindorff und Theissen, in der er ihre Redaktion gegenüber dem Redakteursausschuß als "Rote Zelle" bezeichnet hatte. Der Redakteursausschuß veröffentlichte eine Stellungnahme, die das Vorgehen Müchlers rügte. An der Situation der Redaktion änderte das freilich nichts. Die seither entstandenen Konflikte wurden ohne Unterbrechung bis heute gegen die Redakteure gewendet. Angenehm für den Sender ist, daß die betroffenen Redakteure sich aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht gegenüber der Öffentlichkeit zu internen Vorgängen äußern dürfen. Die innere Rundfunkfreiheit ist eine Chimäre. Daß die taz diesen Umstand dazu nutzt, nur die Position des Senders gegenüber Beindorff und Theissen zu publizieren und für bare Münze zu nehmen, ist wenigstens perfide.