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Stühle raus!

■ WestPort mit Massive und Red Snapper

Ebenso verwirrt wie die Zuschauer waren die Bands über die zwar knieschonende aber steife Sitzordnung in der am Dienstag ausverkauften Musikhalle. Ungläubig starrten Red Snapper aus London, die zuletzt im Logo vor einer handvoll Aficionados aufspielten, in die blattgoldverzierte Halle, in der das WestPort-Festival stattfindet. Angesichts dessen nahmen sie aber geschickt etwas von ihrer Vertracktheit aus der Musik. Doch so recht mag man nicht einsehen, warum das eigentümlichste Signing des Warp-Labels digitales Tonwerk von Labels wie Mo' Wax oder Ninja Tune in Handarbeit überführt? Unter den Augen von Dr. Hannibal Lecter brachte das Quintett um den Percussionisten Richard Thair aber sogar dieses polymorph-perverse Wesen zum Laufen.

Zu den Sphärenklängen von Massive erhob man sich dann wie zum Staatsbesuch, denn die TripHop-Erfinder aus dem westenglischen Bristol kamen das erste Mal in Bandbesetzung nach Hamburg. Doch was heißt das schon bei einer Band, die eigentlich aus dem Studiotüftler Mushroom besteht? Dem zurückhaltenden Magier, live eher Dirigent im Hintergrund, sind 3-D und Daddy G fest und einige Gastvokalisten eher lose assoziiert. Die Rolle der Gast-Vokalistinnen Shara Nelson, Nicolette oder Tracey Thorn auszufüllen war natürlich für die aufgebrezelte Deborah Miller zu viel des Guten. So wurde der froschgesichtige Horace Andy mit seiner an das Studio One erinnernden Soulstimme zum eigentlichen Frontmann, dem man sogar den „Light My Fire“-Ausrutscher nachsah.

Um Horace Andy herum inszenierten Massive dann einen Querschnitt ihres Schaffens, das die charakteristischen Midtempo-Beats gegen Bass und andere Restgeräusche antreten ließ. So wurde live endgültig klar, daß Blue Lines, das Debut von Massive, unbedingt auf die Insel gehört. Und dennoch, gebt uns im nächsten Jahr wieder ein Festzelt ohne Bestuhlung aber mit Raucherlaubnis!

Volker Marquardt

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