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Studie zum ÖkobewusstseinÖkologie ist für viele Menschen Luxus

90 Prozent der Deutschen finden Umweltschutz wichtig. Und das Gros will auch etwas dafür tun. Geringverdiener können sich den Ökokühlschrank aber oft nicht leisten.

Biogemüse: Privileg für Besserverdiener? Bild: dpa

Öko zu sein - das ist etwas für Reiche und für Gebildete. Im Auftrag der Bundesregierung haben Forscher erstmals untersucht, welche Auswirkungen soziale Milieus, Einkommen, Bildung oder Lebensstil auf das Umweltbewusstsein der Bevölkerung haben. Danach achten Gutverdiener beim Kauf von Kühlschränken zum Beispiel darauf, dass das Gerät wenig Energie verbraucht. Für alle, die wenig Geld zur Verfügung haben, spielen die Kilowattstunden vor dem Ladenregal keine große Rolle. Das Ökogerät ist in der Anschaffung zumeist teurer.

Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes in Dessau, ist besorgt über die "zunehmende "sozialen Polarisierung". Sie könne dazu führen, warnt er, dass die "sozial schwächere Milieus" ökologische Maßnahmen "in immer geringerem Umfang" akzeptierten.Für die Studie haben Forscher am Heidelberger Sinus-Institut zusammen mit Kollegen vom Hannoveraner Ecolog-Institut zwischen April und Mai dieses Jahres insgesamt 2.000 Deutsche befragt.

Nach ihren Erkenntnissen ist die Stimmung nicht antiöko. 90 Prozent der Bevölkerung finden Umweltschutz durchaus wichtig. Gut jeder Zweite meint, die Regierung müsse mehr dafür tun. Und mehr als 80 Prozent der Deutschen sind sich sicher, sie könnten mit dem Einkauf von Ökoprodukten das Klima schonen oder für sauberere Luft sorgen. Nur: "Die realen Konsumtrends stimmen noch längst nicht mit den geäußerten guten Absichten überein", sagt Umweltexperte Troge. Vielen fällt es schlichtweg schwer, zu beurteilen, was ökologisch richtig ist. Die Hälfte der Bevölkerung erklärt, dass man "schon Experte sein muss", um zu wissen, was gut ist. Und 80 Prozent der Deutschen stellen ohnehin eine Bedingung für ihren Ökoeinkauf. Sie heißt: "Alle müssen mitmachen", bevor sie selbst was tun.

Bislang erklären nur 10 Prozent der Bevölkerung, dass Biolebensmittel bei ihrer Ernährung schon "eine sehr große Rolle" spielen. Darunter sind vor allem Akademiker und Menschen mit einem Haushaltseinkommen von mehr als 3.000 Euro netto. Die Zeiten, in denen Ökokäufer belächelt wurden, sind vorbei. Als gut etabliert gilt, wer Fleisch mit Biosiegel kauft oder sich mit Ökokosmetik pflegt. Auch einen West-Ost-Unterschied machen die Forscher aus: 70 Prozent der Ostdeutschen distanzieren sich vom Ökogemüse.

Spaltet die Ökologie die Gesellschaft? Menschen mit hohem Bildungsabschluss meinen, dass das Artensterben in Deutschland ein großes Problem ist - für andere ist das weniger dramatisch.

Vor allem gut gebildete und besser verdienende Menschen finden, dass die Regierung von Bundeskanzlerin Merkel in der Klimapolitik vorangehen soll. Knapp 60 Prozent befürworten weiterhin den Atomausstieg. Die meisten befürchten jedoch, dass Geringverdiener unter umweltpolitischen Maßnahmen zu leiden hätten. "Das müssen wir ernst nehmen", sagt Harry Lehmann, der im Umweltbundesamt zuständig für Nachhaltigkeitsstrategien ist.

Lehmann klopft seit Jahren ökologische Errungenschaften auf ihre Wirtschaftlichkeit hin ab. Er erklärt: "Ärmere Menschen leiden häufig besonders unter Umweltbelastungen, unter Lärm und Staub." Sie lebten etwa an stark befahrenen Straßen, an denen die Wohnungen billig zu mieten seien. Lehmann meint darum: "Der rationelle Energieverbrauch, eine gesunde Ernährung und nachhaltige Formen der Mobilität gehen sehr oft mit finanziellen Einsparungen und praktischer Gesundheitsförderung einher." Umweltschutz verbessere daher das Leben - besonders für arme Menschen.

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7 Kommentare

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  • Z
    Zitterpappel

    "90% ist der Umweltschutz wichtig."

     

    Mich würde einmal die Meinung der anderen 10% interessieren. Denen ist die Umwelt, in der sie leben dann folglich egal, oder wie jetzt? Also lieber in einem PS-starken Auto über einen verwüsteten Planeten düsen, als mit einem kleinen Fahrzeug durch eine intakte Umwelt zu tuckeln.

     

    @Yadgar: Danke für den guten Kommentar. Wer Öko ißt, ist nicht gleich Öko. Was bringen mir z.B. Öko-Äpfel aus Neuseeland!!!!

  • S
    snowie

    @ Yadgar: Vergessen hatte ich noch: Das von Dir erwähnte Kettenrauchen schadet meistens ebenfalls sowohl Umwelt, als auch Menschen in anderen Erdteilen, davon mal abgesehen, dass eine "Ökobilanz" eigentlich viel mehr sein sollte, als bloß eine "Klimabilanz"!

     

    und dazu würde vielleicht auch gehören, wenn jemand seinen/ihren Kindern durch erzwungenes Passivrauchen Krebsrisiken und zudem noch Nikotinabhängigkeit aufdrückt, auch der von Dir erwähnte könnte dazu gehören (ich habe schon mehrere solche Frauen und Männer und deren Kinder gesehen oder sogar 'kennengelernt' z.B. wenn ich im selben Haus gewohnt habe).

  • S
    snowie

    @ Yadgar: Deine Vorurteile (undifferenzierte falsche Vereinfachungen) über "Ökos" sind wirklich bemerkenswert.

     

    Meinst Du nicht, dass es auch welche gibt, die weniger reich sind? Ich kenne welche (mich inklusive).

     

    Und die reichen NICHT-Ökos sind übrigens immer noch in der absoluten Mehrheit!

     

    Davon abgesehen: Das anti-ökologische politische Wahlverhalten schadet über deren Wirkungen der Umwelt wahrscheinlich noch viel mehr, als nur "nicht Bio Lebensmittel" zu kaufen. Davon abgesehen bitte ich mal zu differenzieren zwischen den "ökos" denen es primär um ihre eigene Gesundheit geht (vielleicht auch die ihrer Kinder und zukünftige Generationen), was ja auch nicht verwerflich ist, oder(?), und solchen, denen es um viel mehr geht, z.B. dass auf Baumwoll- oder anderen Plantagen die Menschen nicht Gesundheitsschäden wegen der Pestizide dort bekommen, auch im Umkreis wg. Grundwasservergiftung u.s.w. Und ich kenne Hartz-4 Empfänger, die ihr Geld für Sachen zum Fenster hinauswerfen, dass sie sich davon mit Leichtigkeit vernünftig Bio-Lebensmittel oder Bioklamotten leisten könnten. Auch ein(e) Hartz-4 Empfänger(in) braucht z.B. kein Dutzend Hemden, 2 Dutzend T-Shirts und 9 Jeans. Ich komme - von spezieller Arbeitskleidung mal abgesehen - z.B. locker mit einem Drittel davon aus, aber dafür dann sowohl "fair", als auch "ökologisch" (beides! was nicht dasselbe ist).

  • M
    Marc

    Danke Martin, danke Yadgar.

    Schade, dass auch unter taz-LeserInnen nur 21% (ok, der Umfrageteilnehmer)der Meinung sind, dass am Anfang das Wollen steht...

  • Y
    Yadgar

    @Martin:

     

    Gesund ist nicht zwangsläufig öko (und umgekehrt)... und ich wage zu behaupten, dass der kettenrauchende Hartz-Proll im siffigen Jogginganzug auf seinem gebraucht gekauften Billig-Baumarktfahrrad (um mal die Klischees so richtig zu strapazieren) eine deutlich bessere Ökobilanz hat als (pro Kopf) die ach so umweltbewusste Uppermiddleclass-Familie mit Dritt-Smart und zweimal im Jahr Ökotouristik-Fernreise nach Costa Rica oder an den Baikalsee...

  • M
    Martin

    Ein Sack Bio-Kartoffeln ist billiger als eine Fertigpizza. Will sagen, mit Bio kochen kann billiger sein als konventioneller Fertigfraß. Aber oft scheitert es am Kochenkönnen oder -wollen.

     

    Selbst mancher Hartz-4-Empfänger muß sich fragen lassen, ob er das wenige Geld für seine Gesundheit oder für Zigaretten ausgeben will.

  • Y
    Yadgar

    Natürlich sind Öko-Lebensmittel teurer als Discounterware - aber wenn man sich die sonstigen Lebens- und Konsumgewohnheiten der ökologisch bewussten oberen Mittelschicht betrachtet, relativiert sich das Bild.

     

    In keinem sozialen Milieu werden z. B. mehr und weitere Reisen (in der Regel per Flugzeug!) unternommen als im gebildet-postmaterialistischen; der gerne zitierte grünwählende Oberstudienrat mit luxussanierter Stuckdecken-Altbauwohnung in Frankfurt-Bockenheim und Landhaus in der Toskana dürfte schwerlich eine bessere Energiebilanz haben als die Hartz-IV-Familie im Plattenbau-Wohnklo. Vor Jahren stellte sich anhand von Wahlstudien sogar heraus, dass es anteilsmäßig in keinem Wählermilieu mehr Porschefahrer gibt als unter den Anhängern der Grünen...

     

    Und da ökologisch sinnvolles Konsumverhalten öfter, als man es uns gemeinhin erzählt, schlicht in Nicht-Konsum, sprich Verzicht besteht, stehen die Armen letztlich gar nicht so schlecht da - als Hartzer oder Billiglöhner kann man sich weder spritfressende SUVs noch All-inclusive in die "DomRep" leisten, auch der Fleischverbrauch dürfte in der Einkommens-Unterschicht notgedrungen geringer sein.

     

    Führt man sich dann noch vor Augen, dass vieles, was landläufig als umweltbewusster Konsum gilt, bei näherer Betrachtung hauptsächlich dem Gesundheitskult dient (was nützt das naturbelassenste Obst, wenn es über Tausende Kilometer eingeflogen werden muss?) wird das Bild von Ökologie als reinem Luxus-Lebensstil vollends fragwürdig.