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Studie zu elektromagnetischer StrahlungHandy-Strahlung bleibt umstritten

Wissenschaftler sehen keinen Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Strahlung und Krebs. Entwarnung wollen sie aber trotzdem nicht geben.

Zum vorsichtigen Umgang mit dem Handy raten die Wissenschaftler trotzdem. Bild: dpa

Sechs Jahre lang wurde geforscht, am Dienstag gab es Entwarnung: Wer mit dem Handy telefoniert, ist keinem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt. Das ist das Ergebnis des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms (DMF), das Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in Berlin vorstellte. "Die geltenden Grenzwerte für Mobilfunk reichen aus, um die Bevölkerung vor den bekannten Gefahren der Mobilfunkstrahlung zu schützen", sagte Gabriel. Umweltexperten zeigten sich allerdings skeptisch.

Forschungsbedarf gebe es aber noch bei der Wirkung der elektromagnetischen Strahlung auf Kinder, sagte Gabriel. "Und Langzeitrisiken können wir nicht ausschließen. Wir haben aber auch keine Hinweise darauf gefunden", sagte Fachbereichsleiter Wolfgang Weiss vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Ebenfalls habe man im DMF keinen Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und Beschwerden wie Kopfschmerzen und Schlafstörungen ermitteln können.

In 54 Einzeluntersuchungen hatten die Experten die biologischen Wirkungen des Mobilfunks untersucht. Finanziert hatten das Projekt die Mobilfunkfirmen und das Bundesumweltministerium mit je 8,5 Millionen Euro. "Die Unternehmen hatten keinerlei Einfluss auf die Untersuchungen und ihre Bewertungen", sagte Weiss.

Ob und wie elektromagnetische Strahlung von Mobiltelefonen und Sendemasten zu gesundheitlichen Belastungen und Krankheiten führt, ist seit Jahren unter Wissenschaftlern ebenso wie unter Laien umstritten. Als vollständigen Freispruch will das BfS seine Studie deshalb auch nicht verstanden wissen. "Es ist unbestritten, dass es Menschen gibt, die durch Elektrosmog erkranken", sagte BfS-Sprecher Werner Nording. "Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiß aber niemand, wieso sie erkranken."

Wie stark sich elektromagnetische Wellen auf menschliches Gewebe auswirken, gibt der so genannte SAR-Wert an. Die "spezifische Absorptionsrate" zeigt, wie stark sich das Gewebe erwärmt. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt einen Grenzwert bei zwei Watt pro Kilogramm Körpergewicht.

Den erfüllen die meisten Mobiltelefone: Alle mehr als 700 Geräte, die das BfS überprüfte, lagen unter dem Grenzwert. Allerdings gibt es zwischen den Geräten große Unterschiede. Minister Gabriel kritisierte, dass die Hersteller das Umweltsiegel "Blauer Engel" kaum nutzten, das an strahlungsarme Handys vergeben wird. "Handyproduzenten haben Probleme mit nationalen Siegeln, denn die Mobiltelefone werden für den globalen Markt produziert", erklärt T-Mobile-Sprecher Günther Ottendorfer.

Mobilfunk-Kritiker zeigten sich von der Studie nicht überzeugt. Bernd Rainer Müller vom Umweltverband BUND forderte, grundlegend zu untersuchen, wie elektrosensible Menschen auf Mobilfunkstrahlen reagieren. "Ich könnte diese Ergebnisse nicht vertreten", sagte auch der Allgemeinmediziner Hans-Christoph Schreiner von der Ärzte- und Wissenschaftlerorganisation Kompetenzinitiative. "Es gibt eine Fülle von Hinweisen, dass die Technik gefährlich ist." So habe eine Untersuchung im oberfränkischen Naila ein dreifach erhöhtes Krebsrisiko im Nahbereich von Sendemasten festgestellt. Er verwies auch auf eine Auswertung von 2.000 internationalen Studien durch die Europäische Umweltagentur (EEA). Diese war zu dem Ergebnis gekommen, dass das Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken nach zehn Jahren Handynutzung um 20 bis 200 Prozent zunimmt. EEA-Direktorin Jacqueline McGlade forderte, die Grenzwerte neu zu definieren. "Es existiert die Gefahr, dass die Risiken durch elektromagnetische Felder so vernachlässigt werden, wie es lange Zeit bei Asbest, Nikotin oder PCB geschehen ist", sagte McGlade damals.

Beide Studien genügten aber nicht den erforderlichen wissenschaftlichen Ansprüchen, erklärte das BfS und betont gleichzeitig. "Wir empfehlen weiterhin einen vorsichtigen Umgang mit dem Mobilfunk."

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6 Kommentare

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  • BW
    Bark Wind

    Hallo Julian, ich kenne mehrere Menschen, bei denen Akupunktur höchstens so viel oder weniger bewirkt, als freundliche, beruhigende, aktiv zuhörende Gespräche, verbunden mit ein wenig Entspannungsmassage! Und dass Medizin-Profs. einen wissenschaftlichen Anspruch haben, bezweifle ich weniger. Ob sie alle diesen Anspruch auch im selben Maße einlösen, ist eine a n d e r e Frage (das gilt übrigens auch für andere Fächer).

  • BF
    Barbara Fuß

    Mal ehrlich, würden Sie ihr "Goldenes Kalb" schlachten? 25 Jahre Mobilfunk weltweit, immerhin 6 Jahre industriefinanzierte Forschung mit dem Ergebnis: Fast alles unschädlich! Nebenbei milliardenschwere Umsätze. Der Massai in Afrika kann locker mit dem Bergsteiger im Himalaja mobil kommunizieren. Technische Unterhaltung allgegenwertig - trotzdem funktioniert immer weniger. Babylon läßt grüßen. Demgegenüber Gewaltzunahme, Krebsrate steigend, hyperaktive Kinder, überquellende Psychiatrien, Alkoholexzesse, Ritalin, Aggression, unsoziales und unmenschliches Verhalten, sinkende Intelligenz - sie müssen nur aufmerksam ihre Zeitung lesen ! Wir Menschen und auch die Natur und Tierwelt funktionieren mit elektrischen Impulsen, Hirnströme werden mittels EEG und Herzströme mittels EKG gemessen. Die Wellen und Frequenzen die dem Leben schaden, wurden von der Natur "nicht betnutz". Wir benutzen sie heute, um unser Schnitzel in der Mikrowelle zu erhitzen, mobil zu telefonieren, schnurlos Fernseh zu schauen und im Internet zu surfen. Das Fleisch im Ofen wird dabei nur heiß, denn es ist ja schon tot, unsere Gehirne und Körper(funktionen) nehmen großen Schaden, lange bevor sie gar gekocht sind. Weltweit erkranken immer mehr Menschen am "Elektrosmog" , Wissenschaftler gehen auf die Barrikaden - leiden die alle unter einer kollektiven Psychose ? Und Wissenschaft und militärische Forschung belegen die schädliche bis tödliche Wirkung seit über 70 Jahren. Im übrigen ist seit 30 Jahren auch die schädliche Wirkung auf Bienen bekannt.

    Völlig ignoriert wird von den "Verantwortlichen" bis heute auch die potenzierende Wirkung des "Strahlenchaos", ist doch Handy und DECT-Telefon nur ein Stein im Puzzle von W-Lan, WIMAX, DVB-T, DAB, Handy-TV und und und...

    Das Wissen und die Technik könnte heute der Erde und den Menschen helfen zu gesunden - die unermeßliche Gier einiger bewirkt das Gegenteil.

    Weltweit stehen immer mehr ehrliche Ärzte, Wissenschaftler und betroffene Menschen auf - wann tun Sie es ? Sie haben nur ein Leben.

  • J
    Julian

    Erstens: Häufig wird da etwas durcheinander gebracht: Manche Dinge wirken und man kann es auch gut erklären (man weiß sehr genau, wie Aspirin funktioniert und es wirkt) und manche Dinge lassen sich durch Beobachtung als wirksam beweisen, man kann sich allerdings nicht erklären, weshalb. Zum Beispiel ist bis heute nicht klar, wie Narkosemittel wirken. Aber man setzt sie ein. So, ich bin kein Freund von esoterischem Getue, aber letzteres gilt eben z. B. für die Akupunktur ( http://www.innovations-report.de/html/berichte/studien/bericht-25038.html ) -- sie wirkt, auch wenn man sich nicht erklären kann, wie. So weit zu den bewiesenen Fakten (eine große Studie zu dem Thema war an der Charité -- da studiere ich selbst und ich kenne die sehr um wissenschaftliche Objektivität bemühten Wissenschaftler).

    Also: Ganz egal, was durch Mobilfunk ausgelöst werden könnte, eine passende Erklärung dafür zu finden ist nicht nötig und: Akupunktur wirkt :-P .

     

    Zweitens: Ich finde, dass es ein wenig kurz greift, das Risiko von Handys auf das mögliche Krebsrisiko zu beschränken. Ich kann mir auch nicht recht vorstellen, dass das Krebsrisiko abnorm ansteigt (man wird sehen; wer weiß, ob das z. B. auch für Kinder so harmlos ist).

    Aber zurück zum Thema: Was könnte durch elektromagnetische Wellen anderes ausgelöst werden? Wie steht es z. B. mit Lern- und Konzentrationsstörungen, depressiven Verstimmungen etc.?

     

    Eines gilt übrigens als recht sicher: HandyMASTEN sind weit weniger gefährlich als das eigene Handy. Das ist zum Beispiel darauf

     

    Weiterhin ist der SAR übrigens eine ziemlich lächerliche Messmethode: Erwärmung des Gewebes! Das ist allein ein Maß für die Quantität der angekommenen Energie, nicht für die Qualität. Und die ist durchaus entscheidend: Die (Wärme-)Energie in zwei Kaffeetassen entspricht -- in Form einer anderen Energiequalität -- als radioaktive Strahlung einer letalen Dosis.

    Dieselbe Energiemenge: Einmal wach und einmal tot.

    Selbst eine geringe Strahlungsenergie kann also schädlich sein. Wer weiß, was sich da noch ergeben wird...

     

    (siehe S. 9: http://www.physik.rwth-aachen.de/fileadmin/user_upload/www_physik/Institute/Inst_3B/Lehre/Praktikum/Vorkurs/pooth_strahlenschutz.pdf )

     

    Solange gilt für mich: Vorsichtig sein und eher wenig mit dem Handy telefonieren (beim Wahlvorgang Handy vom Ohr etc.) und den zukünftigen wissenschaftlichen Erkenntnissen neutral entgegensehen, anstatt sich in vorgefertigte Meinungen zu flüchtigen.

  • BW
    Bark Wind

    Hallo Monika und Johannes Hass: Ihr scheint mindestens folgenden Absatz schlicht überlesen zu haben:

    "Auswertung von 2.000 internationalen Studien durch die Europäische Umweltagentur (EEA). Diese war zu dem Ergebnis gekommen, dass das Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken nach zehn Jahren Handynutzung um 20 bis 200 Prozent zunimmt."

     

    Für einige Phänomene scheint zumindest die Korrelation mit Mobilfunk auch kausale Erklärungen bzgl. Mobilfunk nahe zu legen - jenseits eines 'Placebo'Effekts (Monika), den es sicher ebenfalls gibt -, darunter auch Krankheitshäufigkeiten von Tieren in Nähe von Sendemasten, sofern die Daten diesbezüglich nicht von paranoiden Mobilfunkgegnern/-innen gefälscht sind (was natürlich auch möglich ist - aber mindestens ebenso unbewiesen wie die Hypothese, dass es die Phänomene gibt/gegeben hat). Natürlich können die Ursachen auch anderswo liegen, z.B. könnte es sein, dass Leute, die sehr lange u. viel per Handy telefonieren sich auch signifikant häufiger in Räumen aufhalten, die aus anderen Gründen krebserregend sind, als wg. der Mobilfunkstrahlen.

    Und die Befunde aus Naila wären - hypothetisch - auch erklärbar dadurch, dass vielleicht beim Errichten von Sendemasten krebserregende Stoffe an umliegende BewohnerInnen abgegeben werden (z.B. asbest-ähnlicher Staub), aber auch dann wären ja z.B. die Masten gefährlich, wenn auch nicht wg. der Strahlung.

     

    Ich gehöre aber übrigens nicht zu Leuten, die an ominöse "Energiefelder" von Wasseradern oder an Homöopathie oder an Akupunktur glauben! Bei diesen Dingen ist es tatsächlich eher wie mit den unsichtbaren rosanen Fabelwesen - nach heutigem einigermaßen rational zu vertretenden Wissensstand - übrigens auch wenn sogar manche Medizin-Professoren nicht auf diesem Stand sind ...

  • JH
    Johannes Hass

    Natürlich ist es schwer, eine endgültige Entwarnung zu geben.

     

    Oder wie genau stellt man sich den Beweis der Nicht-Existenz vor?

     

    "Unsichtbare, rosafarbene Einhörner sind Wesen mit großer spiritueller Macht. Wir wissen dies, da sie fähig sind, gleichzeitig rosafarben und unsichtbar zu sein. Wie alle Religionen basiert der Glaube an das Unsichtbare rosafarbene Einhorn auf Glauben und Logik: Wir glauben, dass es rosafarben ist, aber logisch betrachtet wissen wir, dass es unsichtbar ist, da wir es nicht sehen können."

  • M
    Monika

    Die einzige nachgewiesene Korrelation in der Art ist: Wenn Leute *glauben* sie wären elektromagnetischen Feldern (durch Handymasten oder sonstwas) ausgesetzt, dann leiden einige von ihnen verstärkt unter Kopfschmerzen oder Schlafproblemen. Eine Korrelation zwischen tatsächlich vorhandenen Feldern und Kopfschmerzen / Schlafstörungen gibt es nicht.