Studie zu #Metoo am Arbeitsplatz: Schmierige Blicke
Jede elfte ArbeitnehmerIn berichtet über sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Häufig kommt es dazu in der Gesundheits- und Sozialbranche.
In den meisten Fällen haben die Betroffenen von unangemessenen Kommentaren und belästigenden Blicken und Gesten berichtet. Fast jede dritte betroffene Person fühlte sich von unangemessen intimen oder sexualisierten Fragen bedrängt, fast jede Vierte klagte über unerwünschte Berührungen oder Annäherungen. Elf Prozent berichteten von Begegnungen, bei denen sie zu sexuellen Handlungen aufgefordert worden seien, in Einzelfällen war es auch zu Erpressung oder körperlicher Nötigung gekommen.
82 Prozent der Befragten gaben an, von Männern belästigt zu werden, bei den befragten Frauen waren es 98 Prozent. Betroffene erleben oft mehrere Fälle von Belästigung im Betrieb, nicht einmaliges Fehlverhalten.
Es muss nicht unbedingt ein Machtverhältnis zwischen oben und unten sein, das zu sexueller Belästigung führt – eine Erkenntnis, die die ForscherInnen überrascht hat. „Die belästigenden Personen sind weitgehend KundInnen und PatientInnen“, sagte Monika Schröttle, die Leiterin der Studie. Bei 53 Prozent war das der Fall, besonders betroffen seien dabei Personen aus der Gesundheits- und Sozialbranche und Dienstleistungsberufe. „Dabei sind durchaus auch Männer betroffen“, so Schröttle.
Nur ein Prozent reagiert mit rechtlichen Schritten
Oft sind es auch gleichgestellte KollegInnen, die zu weit gehen. In 19 Prozent der Fälle war es der oder die Vorgesetzte, der oder die übergriffig wurde. Besonders betroffen seien auch junge Menschen mit wenig Berufserfahrung oder PraktikantInnen und Azubis, die nicht langfristig in den Betrieb eingebunden sind. „Sie sind strukturell schwächer und haben weniger Erfahrung, wie sie sich zur Wehr setzen können“, sagte Schröttle.
Häufig wehren sich Betroffene verbal gegen Belästigungen. Lediglich 23 Prozent der Befragten haben eine Beschwerde eingereicht, nur ein Prozent reagierte mit rechtlichen Schritten. Für Betroffene sei es schwierig, weitgehender zu reagieren, wenn sie zum Beispiel in kleineren Betrieben arbeiten oder in Abhängigkeitsverhältnissen stehen, so Schröttle. „Das meiste wird im Betrieb nicht angesprochen.“ Gründe dafür seien: „Die Angst unzureichender Anonymität und negativer Folgen, wenn sie sich an Dritte wenden, und der Versuch: Irgendwie werde ich es selber lösen.“
Die AutorInnen der Studie fordern aus diesem Grund mehr externe Beratungsstellen. Sie schlagen weiterhin vor, die Fristen zu verlängern, um gesetzliche Ansprüche geltend zu machen oder zu klagen. Derzeit haben Betroffene jeweils zwei und drei Monate Zeit, um zu handeln. Das sei zu wenig, wenn man berücksichtige, dass die Betroffenen die Erfahrungen überhaupt auch verarbeiten müssten und Zeit brauchten, um sich Unterstützung und Rechtsbeistand zu holen. Die AutorInnen schlagen daher eine Frist von sechs Monaten vor.
Die ChefInnen müssen handeln
Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, anhand der Studienergebnisse zu überlegen, „was an diesen Stellen veränderbar“ sei. Sie appellierte an die Frauen sich frühzeitig zu wehren: „Ihr seid nicht das Problem, ihr müsst das nicht hinnehmen.“
Letztendlich spielen jedoch Führungskräfte der Studie zufolge eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern und zu beenden. Sie hätten es in der Hand, bei Vorfällen zu reagieren oder eine anonyme Beschwerdestelle im Betrieb einzurichten. Es liege an ihnen, sich klar gegen Belästigung und Gewalt zu positionieren und Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So könnten ChefInnen regelmäßig ermitteln lassen, ob sexuelle Belästigung im eigenen Betrieb vorkommt.
Laut Studie wissen viele ArbeitnehmerInnen gar nicht, dass es Anlaufstellen für Diskriminierung und Belästigung im Betrieb geben sollte. „Obwohl es die gesetzliche Verpflichtung gibt, dass alle Betriebe Beschwerdestellen haben, haben nur 56 Prozent angegeben: Bei uns gibt es so etwas“, sagte Schröttle.
Die WissenschaftlerInnen aus Nürnberg und Bielefeld hatten von Juni 2018, also nach Beginn von #metoo, bis Mai 2019 über 1500 Personen befragt und zahlreiche Gerichtsurteile ausgewertet.
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