piwik no script img

Studie zu HomeofficeMama macht mehr

Bei Eltern führen flexible Arbeitszeiten zu mehr Überstunden. Außerdem verschärfen sie die stereotype Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern.

Väter im Homeoffice machen mehr Überstunden – mehr Zeit für ihre Kinder nehmen sie sich nicht Foto: dpa

Berlin epd/rtr | Flexible Arbeitszeiten wie Homeoffice oder Gleitzeit bescheren Müttern und Vätern nicht mehr Freizeit – sondern mehr Überstunden als Eltern mit fester Anwesenheit im Unternehmen. Bei Vätern ist dieser Effekt deutlicher ausgeprägt als bei Müttern, wie eine am Dienstag veröffentlichte Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Außerdem kann flexibles Arbeiten die stereotype Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern festigen oder sogar verstärken.

Von Zuhause aus arbeitende Mütter brächten pro Woche drei Stunden mehr für die Kinderbetreuung auf als Mütter im Betrieb. Zudem machten sie eine Überstunde mehr im Job. Väter hätten im Homeoffice pro Woche zwar zwei zusätzliche Überstunden gemacht – mehr Zeit für die Kinder hätten sie sich aber nicht genommen. Der Studie liegt den Angaben zufolge eine Befragung von mehreren tausend Haushalten zugrunde.

„Damit hilft flexibles Arbeiten zwar bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, es kann zugleich aber auch die klassische Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern festigen oder sogar verstärken“, erklärte Yvonne Lott, Gender- und Arbeitszeitforscherin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung.

„Grundsätzlich führen flexible Modelle also bei beiden Geschlechtern im Schnitt zu längeren Arbeitszeiten im Job“, sagte Lott. Sie empfiehlt klarere Regeln wie eine Zeiterfassung im Homeoffice und stärkere Anreize für Männer, sich um ihre Kinder zu kümmern. Um die Gleichstellung zu fördern und die zeitliche Belastung von Eltern zu reduzieren, solle die Zahl der Partner-Monate beim Elterngeld von zwei auf sechs Monate erhöht werden. Das könnte Väter motivieren, sich stärker in der Kinderbetreuung zu engagieren. „Da das Ehegattensplitting offensichtlich eine ungleiche Verteilung zwischen den Partnern fördert, sollte es abgeschafft werden“, forderte Lott. Außerdem hält die Forscherin ein Recht auf Homeoffice für sinnvoll.

Ein Recht auf Homeoffice könnte kommen

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lässt derzeit einen Gesetzentwurf ausarbeiten, der ein solches Recht auf Homeoffice vorsieht. Sein Staatssekretär Björn Böhning verwies jüngst darauf, dass laut einer Studie 40 Prozent aller Beschäftigten von Zuhause aus arbeiten könnten. Derzeit seien es zwölf Prozent. „Ein Krankenhauspfleger kann seine Patienten nicht von Zuhause aus pflegen“, sagte Böhning dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Daran wollen und werden wir natürlich nichts ändern.“ Künftig sollten aber Arbeitgeber darlegen, warum Homeoffice nicht möglich sei.

Der sogenannte „Gender Care Gap“ (Geschlechter-Pflege-Lücke) besteht jedoch auch am Wochenende. Frauen leisten dann ebenfalls mehr Sorgearbeit im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Das berichtete Spiegel Online vorab und zitiert eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, die am Mittwoch veröffentlicht wird.

Auch sonntags übernehmen Frauen demnach im Schnitt 1,5 Stunden mehr unbezahlte Arbeit als Männer – besonders stark klafft die Arbeitsverteilung auseinander, wenn Kinder im Haushalt leben. Bei kleinen Kindern bis sechs Jahren arbeiten Frauen knapp vier Stunden mehr, bei Kindern zwischen sieben und 18 Jahren sind es noch zwei Stunden und 48 Minuten. Aber auch bei heterosexuellen Paaren ohne Kinder leisten Frauen 36 Minuten mehr Hausarbeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Keine Regel ohne Ausnahme: ich mache regelmäßig Homeoffice, damit meine Frau - die vom Job her kein Homeoffice machen kann - die Möglichkeit hat, mehr zu arbeiten und kümmere mich dadurch an diesen Tagen selbstverständlich auch un unsere drei Kids und deren Verpflegung.

    Da ich mehrere Kollegen habe, bei denen der Effekt ähnlich ist, sind wir also entweder eine Minderheit oder die Datenbasis der Studie könnte mal hinterfragt werden...

  • Die Datenbasis dieser Studie möchte ich gerne mal sehen ... wahrscheinlich auf Grundlage retrospektiver Selbstbeurteilungsbögen mit Antwortverzerrungen durch sozial erwünschtes Antwortverhalten.

    Fehlen nur noch epidemiologische Hochrechnungen der Lebenszeitverkürzungen und Todesfälle durch Home-Office. Da geht noch was ...

  • Mehr Care"Arbeit" mehr, Haus"arbeit". Zeit für dringend benötigte Aktivitätstracker und bodycams und Zeitkonten. Das kann man nu wirklich nicht jeder selbst überlassen.

    Klar gibt es Pflege. Das ist Arbeit. Aber muss man jede Bewegung als Arbeit klassifizieren und im kapitalistischen Idealfall mit Geld bewerten? Ein Kuss oder Kind-auf-dem-Arm nehmen ist keine Care Arbeit.