Studie zu Hartz-IV: 45 Euro mehr sollten es sein
Laut einer Studie könnten Hartz-IV-Empfänger bis zu 45 Euro mehr Grundsicherung bekommen. Verdeckte Armut sei bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden.
DÜSSELDORF afp | Hartz-IV-Empfänger könnten einer neuen Studie zufolge einen bis zu 45 Euro höheren Regelsatz der Grundsicherung bekommen. Grund dafür sind die fehlende Berücksichtigung von verdeckter Armut bei der Regelsatz-Berechnung sowie Veränderungen in den Berechnungsverfahren, wie eine von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf veröffentlichte Untersuchung ergab. Die Grundsicherung liegt derzeit bei 399 Euro pro Monat.
Die Studie der Forscherin Irene Becker untersucht unter anderem den Einfluss der verdeckten Armut auf den Hartz-IV-Satz. Als verdeckt arm gelten laut Böckler-Stiftung Menschen, die ihren Anspruch auf Grundsicherungs- oder Sozialhilfeleistungen aus Scham, Unkenntnis oder anderen Gründen nicht geltend machen. Dies seien nach Expertenschätzungen rund 40 Prozent der Bedürftigen. Verteilungsforscherin Becker kommt nun zu dem Schluss, dass der Hartz-IV-Satz zwölf Euro höher wäre, wenn die verdeckt Armen vor den Bedarfsberechnungen ausgeklammert würden.
Hintergrund ist das statistische Verfahren, mit dem die Grundsicherung ermittelt wird. Dabei werden den Angaben zufolge diejenigen nicht herausgerechnet, die kein Hartz IV bekommen, obwohl sie ein Anrecht darauf hätten. Daher enthalte die Referenzgruppe zur Bestimmung des Regelsatzes Menschen, die unter dem amtlichen Existenzminimum lebten, was im Ergebnis zu einem unzureichenden Regelsatz beitrage, erklärte die Forscherin.
Becker kritisierte zudem, es gebe weitere Unzulänglichkeiten bei der Hartz-IV-Berechnung. Würden Veränderungen der vergangenen Jahre rückgängig gemacht und alle vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im Jahr 2010 formulierten Anforderungen an die Grundsicherung berücksichtigt und die verdeckt Armen herausgerechnet, hätte der Regelsatz für einen Erwachsenen 2014 insgesamt um rund 44 Euro höher liegen können. In diesem Jahr wären es sogar gut 45 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Journalist über Kriegsgefangenschaft
„Gewalt habe ich falsch verstanden“