piwik no script img

Studie zu Einkommen in DeutschlandArm bleibt arm, reich bleibt reich

Die soziale Mobilität schwindet. Mehr Menschen verbleiben in Armut und Reichtum, sagt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

So wie hier lässt es sich gut leben: In Bayern beträgt die Armutsquote nur 12,1 Prozent Foto: imago/Westend61

Berlin taz | Die Einkommen in Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren polarisiert. Zum einen ist die Gruppe der mittleren Einkommen geschrumpft, weil der Anteil der Haushalte unter der Armutsgrenze deutlich und der über der statistischen Reichtumsgrenze etwas zugenommen hat.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Zum Zweiten haben sich Armut und Reichtum verfestigt: Mehr Haushalte blieben fünf Jahre oder länger entweder in der Gruppe der Einkommensarmen oder der Einkommensreichen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Dies geht aus dem neuen Verteilungsbericht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor, der am Montag in Berlin vorgelegt wurde. Die Lebenswelten von Armen, Mittelschicht und Reichen fielen immer weiter auseinander, sagte Studienautorin Dorothee Spannagel. Danach lebten 16,8 Prozent der Bevölkerung in Armut. Die Armutsgrenze – in anderen Erhebungen Armutsrisikoquote genannt – liegt dabei bei 60 Prozent des mittleren Einkommens.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Grenze beträgt bei einem Single rund 1.010 Euro netto im Monat. Als reich gilt, wer mehr als das doppelte des mittleren Einkommens erzielt, das wäre etwa 3.390 Euro netto bei einem Single. Ein Mensch mit diesem Einkommen würde sich selbst wohl eher als Mittelschicht bezeichnen und käme nicht auf die Idee, dass nur 8 Prozent der Bevölkerung über dieser Grenze liegen.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Im Langzeitvergleich seit den 1990er Jahren zeigt sich ein Anstieg der Armut: 1991 waren erst 11,2 Prozent einkommensarm. In den letzten Jahren trugen vor allem die Geflüchteten dazu bei, dass die Armutsquote zulegte.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die soziale Mobilität schwindet, wie die Forscherin im Vergleich von drei Fünfjahreszeiträumen ermittelte. Im Zeitraum zwischen 1991 und 1995 blieben 3,1 Prozent der Bevölkerung in jedem Jahr unter der Armutsgrenze. In den Jahren zwischen 2011 bis 2015 waren es schon 5,4 Prozent, die dauerhaft, also in jedem Jahr, die Armutsgrenze nicht überwinden konnten.

taz macht Klassenkampf

Deutschland gehört zu den reichsten Staaten der Welt – aber Wohlstand, Bildung, Gesundheit und Glück sind höchst ungleich verteilt. Wie wird die kommende Bundestagswahl die Weichen stellen für die Verteilungsprobleme? Wen wird es treffen, dass die öffentlichen Kassen nach der Pandemie leergefegt sind? Schaffen wir es, das Klima zu schützen und dabei keine Abstriche bei der sozialen Gerechtigkeit zu machen? Unter dem Motto „Klassenkampf“ widmet sich die taz eine Woche lang Fragen rund um soziale Gerechtigkeit.

Alle Texte hier.

95 Prozent der sogenannten Einkommensreichen lebten in Westdeutschland. Obwohl die Studie keine SOEP-Daten (Sozio-oekonomisches Panel) für die einzelnen Bundesländer enthält, ist davon auszugehen, dass Bayern sehr gut dasteht. Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts beträgt die Armutsquote in Bayern nur 12,1 Prozent. Nur in Baden-Württemberg ist die Quote noch niedriger. Die Bruttostundenverdienste in Bayern liegen bei durchschnittlich 22,34 Euro, in Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg sind sie etwas höher. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen liegt der Bruttoverdienst im Schnitt bei nur 16,61 Euro.

Die Armuts- oder Armutsrisikoquote orientiert sich am mittleren Einkommen in Deutschland. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) verwies allerdings darauf, dass man berücksichtigen muss, dass die Mieten ja regional sehr unterschiedlich sind und von daher die Kaufkraft nach Abzug der Mieten gering sein kann, auch wenn das Gesamteinkommen nicht niedrig ist. Dies gilt beispielsweise für den Raum München, der im bundesweiten Vergleich nur eine Armutsquote von 8,7 Prozent hat, aber für Mittelschichtsangehörige durch die hohen Mieten mit starken Kostenbelastungen verbunden ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ach ja, eins noch: Gerade mal rund 500.000 Menschen hierzulande verdienen das Dreifache des Durchschnitts oder mehr. Sagt jedenfalls die Studie. Je weiter oben die Bundesregierung die Grenze des Reichtums ansetzt, um so weniger Menschen können als reich gelten - und um so größer muss die Angst der Reichen vor der Wut der Armen oder vom Abstieg Bedrohten sein.

    Wenn 82 Millionen Nicht-Reichen erst einmal merken, dass sie von grade mal einen Hand voll Superreicher um ihren Anteil am gesellschaftlichen (Mehr-)Wert betrogen werden, setzen sie sich vielleicht irgendwann doch noch in Bewegung. Aber nur, wenn sie zuvor aufgehört haben darauf zu hoffen, dass sie selber eines schönen Tages auch dazu gehören könnten zu denen, die endgültig "ausgesorgt" haben. Und wie heißt es doch immer so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.

    Ich fürchte fast, die Armen oder von Armut Bedrohten werden auch künftig ihre Wut eher an den noch Ärmeren und vor allem an den Zugereisten auslassen, die sich nicht gut wehren können. Denn da, nicht wahr, wo die ganz Armen sind, wollen sie ja selbst nicht hin. Und sich selber abzuschrecken, indem quasi "verbrannte Erde" kreiert wird am unteren ende der Nahrungskette, könnte da hilfreich sein für Leute, deren wichtigster Antrieb immer schon die Angst gewesen ist.

  • Da schau her! Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass der Anteil der „durchgängig“ Armen zwischen 2011 und 2015 nur 5,4% betragen hat. Das bedeutet ja im Umkehrschluss, dass 94,6% aller Befragten es innerhalb von 5 Jahren aus der Armut heraus geschafft haben. Diese Statistik passt irgendwie nicht zu meinen praktischen Erfahrungen. Ich würde also gern mal einen echten Aufsteiger kennenlernen. Aber im Osten sollen die ja noch seltener sein als im Westen.

    Wie es bei den Reichen zugeht, kann ich nicht einschätzen. Dazu ist die Stichprobe zu klein, die ich erlebe. Außerdem frage ich mich, ob das Doppelte des mittleren Einkommens wirklich schon Reichtum ist in einem Land, in dem der Spitzenverdiener - ausgerechnet VW-Chef Piech - mehr als das 500-fache des Durchschnitts bekommen hat. Netto, wohlgemerkt. (Dass die weltweit am besten verdienende Frau auch Deutsche, aber „nur“ das 341-fache bekommt, regt mich in dem Zusammenhang eher sekundär auf, fürchte ich.)

    Was mir komplett fehlt in diesem Text ist übrigens der Hinweis darauf, dass „extrem hohe Einkommen im SOEP untererfasst sind“, wie der Pressemitteilung der Böckler-Stiftung noch zu entnehmen war. Auch jeden Hinweis darauf, dass „seit der Aussetzung der Vermögensteuer verlässliche Daten zu den Vermögen [fehlen], die in Deutschland noch deutlich ungleicher verteilt sind als die Einkommen und gerade für [...] sehr reiche[] Haushalte eine große Rolle spielen“, vermisse ich. Außerdem hätte Barbara Dribbusch meinethalben gern kritisieren können, dass „die gängige Reichtumsgrenze vergleichsweise niedrig“ angesetzt wurde von der Bundesregierung. Warum nur?

    Aber wer will das schon wissen? Den meisten Menschen hierzulande dürfte es mittlerweile genügen, dass der Osten mal wieder besonders schlecht wegkommt und die Zuwanderer die Statistik abschließend versauen.

  • "Ein Mensch mit diesem Einkommen würde sich selbst wohl eher als Mittelschicht bezeichnen und käme nicht auf die Idee, dass nur 8 Prozent der Bevölkerung über dieser Grenze liegen."

    Stimmt... außerdem nur mit einem solchen Einkommen kann man in einem Maß Vorsorge fürs Alter leisten, wie es die Politik schon seit Jahren predigt...

  • ist es denn ein Wunder mit der Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich?

    Unsere neoliberalen Gläubigen des MONETARISMUS glauben immer noch, dass einzig die GELDMENGE für die Lenkung der MÄRKTE unter dem Zuschauen des NACHTWÄCHTER-STAATES alles regeln wird.



    Knappe Staatskassen sind angesagt, um unsere Staatsschulden durch übernommene Schulden privater Banken zu mindern.



    Mit dem QE-Programm der ECB soll Inflation erzeugt werden.



    Nur wo gehen die 60 Mrd. € / mon der ECB hin ? Na klar, investiert wird (von Vermögenden zu Nullzins) in Sachvermögen wie Betongold und Aktien.



    Die erhoffte INFLATION zur Minderung der (Banken-) Staatschulden kommt aber nicht an der Ladentheke an, sondern nur an Börse u. Immobilienmarkt.



    Warum?



    und da hat Prof. Heiner Flassbeck Recht.



    Nur wenn nominale Löhne mit der Produktivität steigen, stellt sich Inflation ein, was die Schulden mindert.



    Das ist aber in unserem Spät-Neoliberalismus nicht vorgesehen. Hier gilt, niedrigste Löhne, Privatisieren, Deregulieren, Nachtwächterstaat.



    Oder - Spaltung der Gesellschaft als Wirtschaftskonzept.

  • Das mit den pauschal 60 % des mittleren Einkommens ist zu hinterfragen.



    Kann man das nicht an einem Mindestlebenstandard viel besser festmachen? So ist ja z.B. (so gut wie jeder) Student, Teilzeitkraft... automatisch arm....



    Oder wenn 60 % 4000 € netto haben gilt der mit 3999 € als arm?

    • @Tom Farmer:

      "Oder wenn 60 % 4000 € netto haben gilt der mit 3999 € als arm?"

      Bei solchen Einkommen haben Sie mit Sicherheit schweizerische Preise und man kann auch mit 4000 arm sein.

  • Eine Information fehlt in diesem Artikel:

    "In den letzten Jahren sei der Anstieg auch auf den Zuzug durch Flüchtlinge zurückzuführen. Dagegen sei die Armutsquote unter in Deutschland Geborenen stabil geblieben."

    Sicherlich ist die Situation nicht befriedigend, aber man könnte durchaus mal erwähnen, dass die "soziale Spaltung" zuletzt zu einem erheblichen Maße aufgrund der hohen Zahl an Zuwanderern zugenommen hat.