Studie über Werbung für Kinder: Hinter dem Held lauert der Zucker

Comicfiguren und Spielzeuge sollen Kinder zum Kauf ungesunder Lebensmittel verlocken. Eine freiwillige Selbstkontrolle der Industrie läuft ins Leere.

Ein schokoladenbeschmierter Kindermund

Schmeckt super, die Schoki. Foto: dpa

BERLIN taz | Fröhliche Tiger und ein gratis Spielzeug in jedem Menü: Unternehmen bewerben fast ausschließlich ungesunde Lebensmittel gezielt für Kinder. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch. Eine 2007 geschlossene freiwillige Selbstbeschränkung der Industrie sei damit fast wirkungslos.

Deshalb forderte die Organisation am Montag ein Ende der Dickmacher in der Kinderwerbung. Geht es nach Foodwatch, soll es künftig verboten sein, gesundheitlich bedenkliche Produkte wie Kartoffelchips oder zuckerhaltige Softgetränke kindgerecht anzupreisen.

Die aktuelle Studie hat Foodwatch mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG), der Deutschen Diabetesgesellschaft und der Deutschen Diabetes-Hilfe herausgegeben. Grundlage hierfür sind die für Kinder angepriesenen Produkte von Unternehmen, die die Selbstverpflichtung EU-Pledge eingegangen sind. Diese freiwillige Beschränkung untersagt das an Kinder gerichtete Werben von Lebensmitteln, die einen gewissen Gesundheitsstandard nicht erfüllen.

Foodwatch hat nun 281 Produkte, die dieser freiwilligen Beschränkung unterliegen, nach den Vorgaben für gesundheitlich unbedenkliche Nahrungsmittel der Weltgesundheitsorganisation WHO getestet. Das Ergebnis: 252, also 90 Prozent der getesteten Speisen und Getränke, erfüllen die Kriterien nicht. Dennoch zielt das Marketing auf Kinder, zum Beispiel mit Comicfiguren auf der Packung oder beiliegendem Spielzeug.

Dabei ist vor allem Übergewicht in Deutschland ein großes Problem, sagen die Organisationen. „Übergewicht und die Folgeerkrankungen sind inzwischen für 86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle in Deutschland verantwortlich“, sagt Stefanie Gerlach von der DAG. „Und der Grundstein für Übergewicht wird im Kindesalter gelegt.“

„Ob die getesteten Produkte sich wenigstens an ihre eigenen Versprechen, also die Vorgaben des EU-Pledge, halten, haben wir nicht getestet“, sagt Oliver Huizinga von Foodwatch. Grund hierfür: Diese Kriterien seien „unangemessen und/oder veraltet“, betonen die Herausgeber der Studie. Sie pochen auf eine gesetzliche Verpflichtung.

Industrie gibt sich unschuldig

Die Lebensmittelindustrie weist die Schuld von sich: Die zu Rate gezogenen Werte der WHO seien „eine Empfehlung und keine verpflichtende Vorgabe“ und seien überdies in einem „intransparenten Verfahren bestimmt“ worden, kritisiert Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Für Übergewicht sei eine Mischung verschiedener Ursachen verantwortlich, von genetischer Veranlagung bis zu mangelnder Bewegung in einer „sitzenden Gesellschaft“. Wichtig sei es auch, Kinder und Eltern über die Folgen ungesunder Ernährung aufzuklären.

„Das Präventionskonzept ist gescheitert“, sagt allerdings DAG-Sprecherin Stefanie Gerlach. Zwar sei schlechte Ernährung nicht der einzige Grund für Übergewicht bei Kindern, aber ein entscheidender. Es gehe darum, in allen Bereichen eine gesunde Umwelt zu schaffen.

Die Organisationen wollen für ihren Vorschlag kämpfen. Gerlach drückt ihre Sorge bildlich aus: Das Problem der dicken Kinder sei „ein übergewichtiger Elefant, der mitten im europäischen Wohnzimmer sitzt und von jedem übersehen wird“. Langfristig sei die Belastung durch die Folgen von Übergewicht nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für das Gemeinwesen nicht tragbar.

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