Studie belegt Trendwende: Stadtteilschulen holen auf
Studie von sechs Schulen weist auf eine Trendwende: Elftklässler sind besser in Mathe, Lesen, Orthografie, Naturwissenschaften und Englisch als fünf Jahre zuvor.
Über Hamburgs Stadtteilschulen wird viel Schlechtes gesagt. Sicher, es ist gerade Wahlkampf, dachte sich einer der Schulleiter. Aber Anfang Februar steht eben auch wieder die Anmelderunde für die 5. Klassen an. „Und da ist es doch wichtig, zu sagen, was die Stadtteilschulen leisten.“ Deshalb stellten sich er und fünf seiner Kollegen neben Schulsenator Ties Rabe (SPD) vor die Presse und erzählten von den Erfolgen.
„Dies ist keine repräsentative Studie“, räumte Studienleiter Ulrich Vieluf zu Beginn der Präsentation ein. Aber es handle sich um eine „Trendstudie“, die eine Wende erkennen lasse. Nicht so gut sah es 2009 aus. Damals nahmen alle 11. Klassen der heutigen Stadtteilschulen an der von Vieluf geleiteten „Kess“-Studie teil, mit zum Teil ernüchternden Ergebnissen. Das Kürzel Kess steht für „Kompetenzen und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern“. Etwa 30 Prozent lagen damals unter dem Leistungsstand der schwächsten Gymnasialschüler.
Doch sechs Schulen wollten es wissen. Die Stadtteilschulen Helmuth Hübner in Barmbek, Heinrich Hertz in Winterhude, Julius Leber in Schnelsen, Max Brauer in Bahrenfeld, die Lessing-Schule in Harburg und die Stadtteilschule Blankenese ließen ihre Elftklässler zu Beginn dieses Schuljahrs von Vielufs Team erneut testen. Fazit dieser Mini-Studie: Nur noch zehn Prozent liegen unter dem Leistungsstand der schwächsten Gymnasialschüler. Etwa zwei Drittel unterscheiden sich in ihren allgemein Fachleistungen nicht von den Elftklässlern der Gymnasiasten. Und das, obwohl nur wenige eine Gymnasialempfehlung hatten. Der Leistungssprung dieser sechs Schulen sei so ungewöhnlich, dass man die Ergebnisse veröffentlichen müsse, fand Vieluf.
Dargestellt werden diese Erfolge in Lernjahren. Im Lesen zum Beispiel sind die jetzigen Elftklässler anderthalb Jahre weiter als jene aus 2009. In Rechtschreibung, Englisch und Mathematik ist es jeweils etwa ein halbes Schuljahr. In den Naturwissenschaften sind sie dem 2009-Jahrgang ein Jahr voraus.
In der Woche vom 2. bis 6. Februar melden Eltern ihre Kinder für die 5. Klassen an. Zur Auswahl stehen 59 Stadtteilschulen und 62 Gymnasien. Erstere bieten das Abitur nach 13 Jahren, letztere nach zwölf.
Die Trendstudie vom Kess-Team Hamburg gibt nur einen Ausschnitt von sechs Stadtteilschulen wieder. Doch auch an den übrigen Schulen gibt es eine gestiegene Bildungsbeteiligung. So schaffen immer mehr Zehntklässler den Sprung in die Oberstufe.
Noch im Schuljahr 2009/10 besuchten 2.180 Schüler dort die 11. Klassen und 1.970 machten im gleichen Jahr das Abitur.
Im laufenden Schuljahr stieg die zahl der Elftklässler auf 3.743 an. 3.115 bereiten sich derzeit auf die Reifeprüfung vor.
Die sechs Schulen haben unterschiedliche soziale Lagen. Zwei von ihnen seien eher als Brennpunktschulen zu bezeichnen, sagte Vieluf. Doch auch sie erreichen im Lesen beachtliche Erfolge. Bei Mathematik und Naturwissenschaften erreichten sie etwa das Mittel der fünf Jahre alten Kess-Werte, was für diese Schulen eine Steigerung ist.
SPD-Schulsenator Ties Rabe sagte, die sechs Schulen hätten auf ganz unterschiedliche Weise diese Erfolge erreicht. Tatsächlich wurde Vieles davon von Rabes Vorgängerin Christa Goetsch (Grüne) in die Wege geleitet.
„Wir arbeiten in den Naturwissenschaften in fächerübergreifenden Projekten“, sagte Gerd Augustin von der Heinrich-Hertz-Schule. „Wir arbeiten ganz verstärkt in Teams. Das heißt, dass eine Gruppe sich um einen Jahrgang kümmert“, sagte Barbara Kreuzer von der Helmuth-Hübner-Schule. Sehr wichtig sei Kooperation, ergänzte Mathias Morgenroth aus Blankenese. Und dass man nicht gezwungen sei, die Schüler nach Leistung in Kurse zu differenzieren.
Die Opposition reagierte heftig. Die CDU sprach von einer „fingierten Studie“. Die FDP machte bei den Schulen „deutliche Defizite“ aus und forderte „abschlussbezogene Kurse ab Klasse 7“. Die Linke mutmaßte, die Schulen hätten sich nur freiwillig gemeldet, „weil sie von guten Ergebnissen ausgingen“. Die Grünen fanden, Rabe schmücke sich mit fremden Federn. Sein Anteil am Erfolg sei „minimal“.
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