Studentenwerke im Verdacht: Unverdienter Bonus
Bei den niedersächsischen Studentenwerken sollen Mitarbeitern Zulagen gezahlt worden sein, die nicht rechtens waren.
Durchgesickert war dies, nachdem Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) den zuständigen Landtagsausschuss am Montag in vertraulicher Sitzung darüber unterrichtet hatte, dass sein Ministerium diese Fälle nun überprüft. Losgetreten hat das wohl der neue Geschäftsführer des Hannoverschen Studentenwerkes Michael Knüppel, der nach seinem Amtsantritt Zweifel an einigen Zulagen hatte und daher erst anwaltlichen Rat und dann eine ministerielle Stellungnahme einholte.
Das Ministerium dehnte die Prüfung dann auf die weiteren niedersächsischen Studentenwerke aus, forderte Unterlagen aus Göttingen, Oldenburg, Osnabrück und Ostniedersachsen an. Das Studentenwerk Hannover hat die Auszahlung aller Zulagen mit Wirkung zum 1. April sicherheitshalber gestoppt.
Haben hier also ausgerechnet die, die sich um die Beratung, Unterbringung und Verpflegung von chronisch klammen Studierenden kümmern, sich selbst fröhlich großzügige Gehaltsaufbesserungen gewährt?
„Auf keinen Fall!“, sagt der Geschäftsführer, der das Ganze ausgelöst hat. Die Darstellung, in seinem Hause hätten sich schon 33 Verdachtsfälle bestätigt, bei denen die Zulagen nicht tarifkonform seien, sei schlicht falsch, sagt Knüppel. Er habe zwar noch gar keinen definitiven Bescheid vom Ministerium bekommen, aber man gehe bisher davon aus, dass alle Zulagen „dem Grunde und der Höhe nach“ den tariflichen Bestimmungen entsprechen.
Bloß nicht dokumentiert
Begründet wurden die nämlich mit einer Öffnungsklausel, die der Tarifvertrag vorsieht: Um Fachkräfte an sich zu binden, kann von der sonst gültigen Eingruppierung abgewichen werden. Das ist vor allem dort wichtig, wo der öffentliche Dienst zurzeit gerne mal das Nachsehen hat: in der Informationstechnologie oder im Bausektor zum Beispiel, wo sich höherqualifizierte Fachkräfte vor Angeboten kaum retten können.
Strittig sei jetzt lediglich, ob die Begründung dieser Abweichung hinreichend dokumentiert wurde, sagt Knüppel. Es gäbe dazu nämlich einen Durchführungshinweis, der besagt, dass für diese Art von Zulage ein Drittangebot vorliegen muss. Im Klartext: dass es also einen echten Abwerbeversuch gibt und nicht bloß eine*n Mitarbeiter*in, der/die sagt, er oder sie schaue sich jetzt mal woanders um. Dieser Vorschrift des Finanzministeriums hat man aber wohl nicht in jedem Fall Genüge getan.
Dass die Zahl der Betroffenen so hoch ist, erklärt Knüppel damit, dass jetzt erst einmal alle Zulagen auf dem Prüfstand stünden – ganz sicher werde sich aber ein großer Teil als völlig unproblematisch herausstellen. Immerhin gibt es ja auch Zulagen, die der Tarifvertrag ausdrücklich vorschreibt – etwa bei bestimmten Schicht- und Bereitschaftsdiensten. Auch die Öffnungsklausel umfasst noch weitere Umstände: Den Ausgleich von höheren Lebenshaltungskosten in Großstädten zum Beispiel.
Knüppels Amtskollegen sind alles andere als begeistert von der öffentlichen Welle, die diese Angelegenheit nun macht und fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. „Mit großem Staunen und Verwunderung habe ich diese Berichterstattung zur Kenntnis genommen“, sagt der Geschäftsführer des Göttinger Studentenwerks Prof. Dr. Jörg Magull, der auch als Sprecher für die Arbeitsgemeinschaft der niedersächsischen Studentenwerke fungiert.
Er habe bisher weder über die Rechtsgrundlagen noch die Ziele und Tiefe der Prüfung detaillierte Auskünfte erhalten und werde sich hüten, zu einem schwebendem Verfahren irgendetwas zu sagen. Heinke Traeger, Sprecherin des Ministeriums, erklärt, dass das Verfahren bei weitem noch nicht abgeschlossen sei.
Alarm bei Ver.di
Der Bund der Steuerzahler hat aber schon einmal die Ohren gespitzt: „Ich habe heute Morgen detaillierte Anfragen an die Geschäftsführer der betroffenen Studentenwerke gestellt und wir werden das im Auge behalten“, sagt der niedersächsische Vorsitzende Bernhard Zentgraf.
Auch die Gewerkschaft Ver.di ist alarmiert. „In der Regel haben die Personalräte solchen Zulagen ja zugestimmt, dann können die auch nicht mal eben einseitig vom Arbeitgeber wieder kassiert werden“, mahnt der zuständige Gewerkschaftssekretär Frank Ahrens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!