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Student über Bildungsproteste"Notfalls streiken wir wieder"

Selbst die Kultusminister haben Verständnis für die Studierenden und treffen sich mit ihnen. "Scheinheilig" findet das Student Jared Herbig, der dabei war.

Herbig erwartet, dass besetzte Uniräume dies auch bis zu den Semesterferien bleiben. Bild: dpa
Felix Lee
Interview von Felix Lee

Jared Herbig

Der 22-jährige Schüler ist Abiturient am Berlin-Kolleg und einer der Hauptinitiatoren des bundesweiten Aktionsbündnisses "Bildungsstreiks".

taz: Herr Herbing, die Kultusminister haben Sie am Rande ihrer Konferenz für eine halbe Stunde empfangen. Was ist dabei herausgekommen?

Jared Herbing: Nicht viel. Sie haben uns zugesichert, dass sie unsere Forderungen weiterleiten werden. Als Kultusministerkonferenz an sich seien sie nicht unmittelbar zuständig. Das ist natürlich Quatsch. Als wir unsere Kritik am Bologna-Prozess erneuerten, fühlten sie sich schon irgendwie schuldig und gaben zu, dass die Umstellung auf Bachelor/Master-Studiengänge nicht optimal verläuft.

Wollen die Minister daraus Konsequenzen ziehen?

Das haben sie natürlich offengelassen. Wie scheinheilig sie sich aufführen, zeigt sich auch an anderer Stelle: Wir haben sie darum gebeten, sich noch möglichst vor der Bundestagswahl mit uns zu treffen - und zwar öffentlich. Das haben sie abgelehnt. Der Vertreter aus Bayern meinte, dies sei ja bloß ein PR-Gag.

Dieser Streik zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Sie von allen Seiten umarmt werden. Die Uni-Präsidenten unterstützen Ihren Protest, auch von den Kultusministern werden Sie gelobt. Fühlen Sie sich eigentlich ernst genommen?

Durchaus. Uns ging es zunächst vor allem darum, überhaupt auf unsere Probleme an den Schulen und den Unis aufmerksam zu machen. Ich denke, das ist uns gelungen. Dass die Minister nun alles toll an uns finden, ist ihnen nicht wirklich abzunehmen. Ich denke aber, dass auch das die meisten Leute durchschaut haben.

Der Bologna-Prozess findet europaweit statt. Ist ein deutscher Alleingang überhaupt möglich und haben die Kultusminister in der Tat nur wenig Gestaltungsspielraum?

Der Bologna-Prozess wurde europaweit eingeführt, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung der deutschen Bildungspolitiker. Ich glaube schon, dass wir die richtigen Adressaten vor uns hatten.

Wie wird es nach dieser Streikwoche weitergehen?

Ich gehe davon aus, dass die besetzten Uniräume dies bis zu den Semesterferien auch bleiben werden. Schließlich muss die Debatte auch vor Ort an den Unis fortgeführt werden. Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass es einen heißen Herbst geben wird. Die nächste Kultusministerkonferenz ist bereits anberaumt. Spätestens dann müssen die Verantwortlichen konkrete Ergebnisse liefern. Wenn nicht, werden wir den Streik wohl wieder aufnehmen.

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2 Kommentare

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  • P
    Philipp

    Neben den öffentlichen friedlichen Aktionen ist auch die konstante und zunehmende Vernetzung aller bildungsinteressierten Studenten, Schüler und Wissenschaftler sehr wichtig, langfristig regelmäßige email-newsletter zum Bildungsstreik, Bildungssystem und dessen bestehenden Defiziten inkl. Medien-PR-Meldungen sind notwendig.

  • E
    Elisabeth

    Der Bologna-Pozess ist völkerrechtlich überhaupt nicht verbindlich, es ist eine bloße Absichtserklärung der beteiligten Un-Bildungslobbyisten und Marionetten, d.h. Bachelor und Master können sofort wieder abgeschafft werden. Da sich die bisherigen Abschlüsse Diplom, Magister und Staatsexamen schon sehr lange international bewährt haben und höchst angesehen sind, ist deren Einführung auch aufgrund der noch vorhandenen Strukturen und Erfahrung sofort wieder in Deutschland durch inländische Politik umsetzbar.

     

    Die Bezeichnung des Bildungsstreiks als PR-Gag ist ein Armutszeugnis für einen Bildungspolitiker, aber belegt nur ein weiteres Mal die Inkompetenz und Ungeeignetheit. Der einzige und unverschämte PR-Gag ist es, sich des Themas Bildungspolitik nicht umfassend vor der nächsten Bundestagswahl annehmen zu wollen, da die meisten Parteien um ihre Wähler und offene Diskussionen fürchten, das jedoch ist Demokratie und hier gibt es keine kommunikativen Schonzeiten für unfähige Politiker.