piwik no script img

Stromschwemme für Ost-Berlin

■ DDR-Regierung will Ost-Berlin Stromlieferungsvertrag aufzwingen / Umweltsenatorin Michaele Schreyer will Veto bei der Bewag einlegen

Berlin. Auch ohne einen direkten Einstieg der westdeutschen Energieriesen Preussen Elektra, RWE und Bayernwerk in Ost-Berlin wird der deutsch-deutsche Stromvertrag die Stadthälfte den drei Konzernen ausliefern. Der vereinbarte Einstieg der Westberliner Bewag beim ehemaligen Ostberliner Energiekombinat - der heutigen Ebag wird der Stadt einen Stromlieferungsvertrag aufzwingen, gegen den die mit der Stromtrasse durch Spandau verknüpften Lieferungen ein Klacks sind. Wie die taz aus zuverlässiger Quelle erfuhr, enthält der zwischen DDR-Regierung und Bewag am Mittwoch abgeschlossene Vertrag einen entsprechenden Passus. Dort heißt es, die DDR werde „dafür sorgen“, daß die Ebag mit der Verbundnetz AG einen „Stromlieferungsvertrag“ mit einer Laufzeit von 20 Jahren abschließt. Über diesen Zeitraum soll die Ebag, so steht es im Vertrag, 70 Prozent ihres Strombedarfs bei der Verbundnetz AG decken. Sie ist zu 75 Prozent in der Hand von RWE, Preussen Elektra und Bayernwerk.

Absehbare Folge dieses Vertrages: Eine aktive Stromsparpolitik würde durch die Schwemme billigen Stroms über Jahre hinaus blockiert. Heute decken die Ostberliner Kraftwerke zwar nur etwa ein Drittel des Strombedarfs der Noch-Hauptstadt. Energieexperten hatten jedoch vorgerechnet, daß man die Lücke im Laufe einiger Jahre auf ökologische Weise schließen könnte. Allein der Bau kleiner Blockheizkraftwerke und der Umbau von Heizwerken zu Heizkraftwerken, die sowohl Wärme als auch Strom produzieren, könnte langfristig einige hundert Megawatt garantieren.

In der Senatsumweltverwaltung plant man deshalb, die Bewag zu einer Aufkündigung des Vertrages zu zwingen. Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL-nah) will in der nächsten Aufsichtsratssitzung der Bewag ihr Veto einlegen. Offen ist, ob Finanzsenator Norbert Meisner (SPD), der ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, mitspielt. In diesem Gremium hat der Senat zwar keine Mehrheit; in der Umweltbehörde weist man aber darauf hin, daß der Senat die Aktienmehrheit bei der Bewag hält.

Rückendeckung hat Schreyer in Ost-Berlin. Dort hatte die Stadtverordnetenversammlung am letzten Mittwoch gefordert, die Ebag zu 100 Prozent in städtisches Eigentum zu überführen. Wirtschaftsstadtrat Elmar Pieroth (CDU) folgte diesem Auftrag. Über eine entsprechende Vorlage des Stadtrats soll heute in der gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Senat beraten werden. Aussichtsreich wäre Pieroths Plan aber erst mit dem Druck des Westberliner Senats auf die Bewag. Der Magistrat wäre sonst auf den guten Willen der DDR-Treuhandanstalt angewiesen, um die Herrschaft über die Ebag zu erlangen. Verhandlungen mit der Anstalt wären kaum aussichtsreich: die Treuhand hat den Vertrag mit der Bewag mitunterzeichnet.

hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen