Strittige Zahlen: Von wegen wenig Kaiserschnitte
In Hamburg soll die Kaiserschnittrate stärker als in anderen Ländern gesunken sein. Doch die Zahlen der Asklepios-Kliniken zeigen, dass ein Fehler vorliegen muss.
BREMEN taz | Die bundesweit drittniedrigste Kaiserschnittrate soll Hamburg im vergangenen Jahr gehabt haben, meldete vergangene Woche die Techniker Krankenkasse unter Berufung auf die jüngste Mitteilung des statistischen Bundesamts. Und: Gegenüber 2011 soll die Rate sogar um „neun Prozent“ abgenommen haben.
Richtig daran ist: Im Oktober hatte das statistische Bundesamt veröffentlicht, dass im vergangenen Jahr bundesweit erstmals seit 1991 weniger Geburten auf dem Operationstisch stattfanden als im Vorjahr: Mit 31,7 Prozent lag die Rate um 0,4 Prozentpunkte niedriger. Sie ist damit aber immer noch doppelt so hoch wie vor 20 Jahren.
In Hamburg ist sie nach dieser Statistik so stark wie in keinem anderen Bundesland gesunken: Aber nicht um neun, sondern um 2,6 Prozentpunkte auf 26,6 Prozent. Damit wäre Hamburg auf dem dritten Rang nach Thüringen und Sachsen.
Allerdings gibt es in Hamburg nur drei Kliniken, die im vergangenen Jahr eine derart niedrige Rate hatten: das Universitätsklinikum Eppendorf (26,4 Prozent), das Amalie-Sieveking-Krankenhaus in Volksdorf (25,8 Prozent) und das Albertinen (27,2 Prozent) in Schnelsen. In den drei Kliniken wurden in dem Jahr zusammen 5.750 Frauen entbunden.
Auf 8.297 Geburten kamen im selben Zeitraum die fünf Kliniken des Asklepios-Konzerns. Und hier landeten durchschnittlich 38,4 Prozent aller Frauen im OP. Besonders hoch waren dabei die Raten in den geburtenstärksten Häusern in Altona (40,6 Prozent) und Barmbek (42 Prozent). Diese betreuen als Perinatalzentrum des Levels 1 die kompliziertesten Geburten. Das UKE allerdings auch. Und: Wegen seines guten Rufs, auch ohne Skalpell schwierige Geburten wie Mehrlingsschwangerschaften und Steißlagen zu Ende zu bringen, zieht das UKE Schwangere aus allen Stadtteilen und dem Umland an. Es betreut also mindestens genau so viele Risikogeburten. Auch die weiteren Geburtskliniken liegen über dem für Hamburg ermittelten Durchschnitt, bei um die 30 Prozent.
Auch in Schleswig-Holstein soll die Kaiserschnittrate stärker abgenommen haben als im Bundesdurchschnitt. Sie fiel von 33,7 Prozent im Jahr 2011 auf 31,8 Prozent im Jahr 2012.
In Niedersachsen waren es mit 32 Prozent 0,9 Prozentpunkte weniger.
In Bremen hingegen wurde häufiger operiert als im Vorjahr: Statt 31,9 Prozent waren es im vergangenen Jahr 33,2 Prozent.
Auf Initiative des Bremer Senats soll jetzt ein Bündnis aus VertreterInnen aller Geburtskliniken, Krankenkassen, Hebammen sowie niedergelassenen Frauen- und Kinderärztinnen an einer Senkung der Rate arbeiten.
Keine Vergleichszahl wollte das katholische Marienkrankenhaus liefern. Die Rate schwanke „je nach Monat sehr stark“, zwischen 29 und 42 Prozent, schrieb der Chefarzt Holger Maul in einer Mail. Und: „Die Variationsbreite ist unseres Erachtens in erster Linie auf schwankende Zahlen im Zulauf von Risikopatientinnen und ’Wunsch‘-Kaiserschnitten zurückzuführen.“
Eine umfassende Studie der Bielefelder Gesundheitswissenschaftlerin Petra Kolip im Auftrag der Bertelsmann Stiftung war hingegen Anfang des Jahres zu dem Schluss gekommen, dass es nicht an den Frauen liegt, ob es wenig oder viele Kaiserschnitte gibt. Vielmehr sei die geburtshilfliche Praxis in einer Klinik dafür verantwortlich, wie schnell eine vaginale Geburt abgebrochen oder ob sie gar nicht erst versucht wird.
Vor allem Kinderärzte warnen in jüngster Zeit zunehmend davor, die vielen Schnittentbindungen einfach hinzunehmen, weil es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Allergien und Autoimmunerkrankungen gibt.
Ein Sprecher des statistischen Landesamts in Hamburg bestätigte, dass die Daten der einzelnen Kliniken nicht zu der veröffentlichten Statistik passen. Der Fehler müsse in der Übermittlung passiert sein. „Wir haben die Zahlen so von den Krankenhäusern bekommen“, beteuert er.
Ausgewertet wurden 20.677 Geburten in Hamburger Kliniken. Nur 314 Frauen gebaren im Jahr 2012 ihre Kinder zu Hause oder in einem Geburtshaus.
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