Striktes Antiabtreibungsgesetz in Texas: Supreme Court gegen Frauenrechte
Mit 5:4 Richterstimmen hat der Oberste Gerichtshof einen Eilantrag gegen das umstrittene Anti-Abtreibungsgesetz in Texas abgelehnt. Präsident Biden übt scharfe Kritik.
Durch das am Mittwoch in Kraft getretene Gesetz sind im zweitbevölkerungsreichsten Staat der USA Abtreibungen künftig verboten, sobald der Herzschlag des Fötus zu hören ist. Das ist normalerweise in etwa der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall, ein Zeitpunkt, zu dem einige Frauen oft noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Seit der Legalisierung der Abtreibung in den USA im Jahr 1973 hat es nirgendwo im Land ein so strenges Anti-Abtreibungsgesetz gegeben.
Seit den Richterernennungen aus der Präsidentschaft Donald Trumps hat der Oberste Gerichtshof eine konservative Mehrheit von 6:3 Richterstimmen. In diesem Fall stimmte der Vorsitzende John Roberts zusammen mit der liberalen Minderheit.
In der Mehrheitsbegründung für die Ablehnung des Eilantrags wurde auf Verfahrensgründe hingewiesen – die Entscheidung bedeute nicht, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes keine weiteren Einsprüche möglich wären.
Biden: Eklatanter Verstoß gegen Grundrechte von Frauen
Dass das Gesetz am Mittwoch überhaupt in Kraft treten konnte, lag daran, dass der Oberste Gerichtshof sich mit einem zuvor eingereichten Eilantrag bis Dienstagabend überhaupt nicht befasst hatte.
Das Inkrafttreten des Gesetzes hatte zuvor scharfe Kritik provoziert. US-Präsident Joe Biden erklärte am Mittwoch, das „extreme“ Gesetz stelle einen „eklatanten“ Verstoß gegen das Grundrecht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche dar. Seine Regierung werde das Recht auf Abtreibungen „schützen und verteidigen“. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Bidens Parteifreundin Nancy Pelosi, sprach von einem „unmoralischen und gefährlichen Angriff“ auf die Rechte von Frauen.
Das als Senate Bill 8 – kurz SB8 – bekannte Gesetz war im Mai vom konservativen Gouverneur von Texas, Greg Abbott, unterzeichnet worden und gilt als das strengste Abtreibungsgesetz in den USA. Nach Angaben der Bürgerrechtsgruppe ACLU wurden in dem Bundesstaat bislang zwischen 85 und 90 Prozent aller Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorgenommen.
Für Empörung sorgt auch, dass nicht die Behörden die neuen Regelungen durchsetzen sollen, sollen Privatleute. Bürger werden ermutigt, jene zu verklagen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben. Das könnte beispielsweise Abtreibungskliniken oder deren Mitarbeiter treffen. Die Kläger erhalten im Falle einer Verurteilung mindestens 10.000 Dollar, die vom Verurteilten zu zahlen sind.
ACLU verurteilt das als „Kopfgeld“-Schema. Biden erklärte am Mittwoch, es sei „empörend“, Bürger dazu anzuhalten, die Regelungen mit Zivilklagen durchzusetzen. Pelosi erklärte, jede Frau im ganzen Land müsse Zugang zu Abtreibungen haben. Dass der Oberste Gerichtshof der USA das „radikale Gesetz“ nicht gestoppt habe, sei eine „Katastrophe“ für Frauen in Texas.
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