Striet um Stadtautobahn A100: Experten: Klagen verzögern Bau um bis zu drei Jahre
Der Bund könnte auch nach dem rot-roten Kompromiss die Autobahn bauen, allerdings nur theoretisch, sagen Verkerhplaner. Praktisch werde es nicht dazu kommen.
Der Kompromiss der rot-roten Koalition zur A 100 - ja zum Planen, nein zum Bauen - stößt bei Autobahngegnern wie -befürwortern auf Kritik. Nicht nur die Opposition im Parlament, sondern auch Wirtschafts- und Umweltverbände lehnen ihn ab. Der Bund für Umwelt und Naturschutz kritisiert Geldverschwendung, IHK und Handwerkskammer sehen eine Blockadehaltung. Schon angekündigte Klagen würden das Projekt "um ein bis zwei Jahre" verzögern, sagte der Marburger Experte Wulf Hahn der taz. Der Berliner Verkehrsplaner Siegmar Gumz geht noch weiter: Bei solchen Gerichtsverfahren seien "zwei bis drei Jahre immer üblich".
SPD und Linkspartei hatten sich am Dienstag in ihrem Spitzengremium, dem Koalitionsausschuss, auf einen Kompromiss geeinigt. Der sieht vor, dass die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung das nötige Geld bekommt, um die A-100-Planungen weiterzuführen und mit dem sogenannten Planfeststellungsbeschluss abzuschließen. Mittel für Bauleitung und -überwachung bleiben hingegen gesperrt. Das soll auf Drängen der Linkspartei sicherstellen, dass es bis zur Wahl im September 2011 keine abschließende Entscheidung über die Verlängerung der A 100 von Neukölln nach Treptow gibt.
Strittig ist zwischen den Parteien, welche Konsequenzen ein Planfeststellungsbeschluss hat. SPD und Linkspartei vertreten die Auffassung, Baurecht heiße nicht Baubeginn. Die Grünen sehen das ganz anders: Die Planfeststellung schaffe Baurecht für den Bund, der die Baukosten von über 400 Millionen Euro trägt.
Uneins sind sich dabei aber auch die Fachleute. Die Grünen-Position teilt Planer Hahn, dessen Unternehmen RegioConsult an mehreren Autobahnprojekten beteiligt ist: "Planfeststellung bedeutet, dass Baurecht besteht und jederzeit losgebaut werden kann, sobald der Bund die nötigen Mittel bereitstellt."
Hahn, der als Gutachter für die Grünen-Fraktion tätig war, mag aber nicht deren Horrorvision teilen, dass nach einer Planfeststellung das Bundesverkehrsministerium auch gegen den Willen Berlins die Bagger anrollen lasse. "Es ist sehr selten, dass der Bund etwas gegen den Willen eines Landes durchdrückt", sagte Hahn.
Verkehrsplaner Gumz wiederum hält aus diesem Grund die Auffassung von Rot-Rot für richtig, ein Baubeginn stehe nicht an. Theoretisch habe zwar der Bund als Geldgeber das Sagen und könne die Autobahn durchsetzen - "aber der wird das niemals machen, dafür gibt es gar nicht genug Geld".
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