: Streß mit Proberäumen
■ Hohe Mieten und bürokratische Hindernisse plagen Rockmusiker
Der „Hauptstadt-Rock“ spielt sich zumeist in überteuerten und schlecht ausgestatteten Kellerräumen ab. Kaum eine Band traut sich, Wuchermieten von 500 bis 1.000 DM für nur 30 Quadratmeter Kellerraum in der Öffentlichkeit anzuprangern. Viele Proberäume sind niemals baupolizeilich begutachtet worden und weisen große Mängel im Bereich Sicherheitsvorkehrungen, Belüftung und sanitärer Anlagen auf. Gelangt ein Fall an die Öffentlichkeit, findet sich leicht eine Begründung, rebellische Bands wegen baupolizeilicher Unzulänglichkeiten die Probemöglichkeiten in den überteuerten, aber verwahrlosten Räumen zu entziehen. Auch mit Behörden haben Mieter von Proberäumen Probleme. In der Togostraße im Wedding sind 19 Proberäume über Nacht geschlossen worden, weil baupolizeiliche Sicherheitsvorschriften nicht erfüllt wurden.
„Zu niedrige Decken, ein fehlender zweiter Ausgang und zu schwache Belüftungsanlagen“ stehen laut dem Amtsleiter der Bauaufsicht Wedding, Hans-Jürgen Ude, einer Genehmigung der Räume entgegen. Musiker der Gruppe „Boys of Summer“ hatten im August 1991 die Kellerräume in dem Gewerbehof angemietet und in über einjähriger Eigenarbeit die verwahrlosten Räumlichkeiten zu schallisolierten Proberäumen ausgebaut. Die Investitionskosten beliefen sich auf knapp 200.000 DM, für die die Musiker einen privaten Kredit aufgenommen haben.
Die Proberäume in der Togostraße übertreffen an Sicherheitsmaßnahmen und sanitären Anlagen inzwischen bei weitem den üblichen Standard. Aber selbst die Gründung eines Musiker-Kultur- Vereins e.V. half den Bands nicht über die Schwierigkeiten mit dem Weddinger Bauamt hinweg. Für die Musiker sind die Auflagen bürokratische Spitzfindigkeiten. „Überall in Berlin werden stillschweigend Proberäume vermietet, die jeder baupolizeilichen Sicherheitsvorkehrung spotten. Feuchte, kaum isolierte Kellerräume sind gang und gäbe, aber wir werden durch immer neue Auflagen schikaniert“, sagt Jens Fridrich von den „Boys of Summer“.
Seit der Maueröffnung häufen sich auch Fälle, wo Vermieter plötzlich lukrativere Nutzungskonzepte für Proberäume haben und die Bands möglichst kurzfristig auf die Straße setzen wollen. Ein besonders drastischer Fall liegt in der Tempelhofer Ringbahnstraße vor. Dort wurden erst vor zwei Jahren von der Star World Line GmbH 21 Proberäume im Dachgeschoß des Gebäudes mit Senatszuschüssen ausgebaut. Die als Vermieter auftretende Immobilienfirma Kuthe hat inzwischen für die Räume neue Pläne – die Proberäume sollen Büros weichen. Berthold Kuhn
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