Strenge Regeln für Pharmawerbung: Versteckte Werbung
Viele Arzneimittel dürfen nicht beworben werden. Auf Schleichwegen geschieht dies trotzdem. Bei Verstößen gegen den Pressekodex hilft der Presserat.
HAMBURG taz | Die Überschrift auf der Medizinseite machte neugierig: "Wenn der Bauch weh tut", stand über dem Artikel, veröffentlicht 2009 in einer Regionalzeitung. Mindestens einem Leser bereitete die Geschichte einiges Unbehagen. Der Bericht beschrieb nämlich nicht nur mögliche Krankheitsursachen und Behandlungen.
Ausdrücklich nannte er auch ein Medikament - und dazu die Internetseite des Herstellers. Die Vermutung des skeptischen Lesers: Die Berichterstatter hatten wohl einfach nur abgeschrieben, und zwar aus der Werbebroschüre der Arzneimittelfirma.
Der Mann informierte den Deutschen Presserat. In diesem Gremium der "Freiwilligen Selbstkontrolle der Presse" wachen Vertreter aus Verlagen und Journalistenverbänden über die Einhaltung der Berufsethik. Tätig werden sie in der Regel nach Beschwerden, und die kann jeder einreichen, der meint, dass ein Artikel oder ein Foto gegen den Pressekodex verstoßen habe.
Im konkreten Fall ging es um Ziffer 7 des Kodex. Sie verlangt, Werbung und redaktionelle Texte eindeutig zu trennen. Der Presserat prüfte die Beschwerde, hörte die betroffene Redaktion an und stellte schließlich fest: "Die Erwähnung eines bestimmten Präparates und die Übernahme von unbearbeitetem PR-Material sind Schleichwerbung."
Da die Redaktionsleitung einräumte, dass der Artikel zu Recht beanstandet worden sei und gar nicht hätte erscheinen dürfen, kam sie glimpflich davon; eine Sanktion blieb ihr erspart.
Es gibt aber auch Fälle, die der Presserat so schwerwiegend findet, dass er ein Medium ausdrücklich rügt und obendrein verlangt, diese Rüge abzudrucken. Eine öffentliche Rüge wegen Schleichwerbung kassierte zum Beispiel jene Programmzeitschrift, die in ihrer Rubrik "Rat und Tat" acht fragwürdige Beiträge zu medizinischen Themen publiziert hatte. In den Texten hatte ein vermeintlich unabhängiger Experte mit Professorentitel bestimmte Präparate beim Namen genannt.
Aus einer Palette ähnlicher Produkte sei "willkürlich ein einzelnes Erzeugnis hervorgehoben" worden, rügte der Presserat. Auch der gedruckte Hinweis, dass die Präparate in Studien getestet worden seien, rechtfertige es nicht, die Namen der Präparate zu nennen. Während Leser von derartigen Infos nichts hätten, könne den Herstellern damit "ein eindeutiger Wettbewerbsvorteil" verschafft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee