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Streitende GewerkschaftenDas große Lokangebot

Die GDL ist so mächtig, weil ihre einstige Konkurrenz Transnet so zahm war. Deren Chef bekam dann einen Bahn-Posten.

Die GDL tritt am Donnerstag in den längsten Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Empörung ist groß. Streik bis Montagfrüh – das geht an die Schmerzgrenze vieler Bahnkunden. Von einem „Missbrauch des Streikrechts“ spricht Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft zur Mäßigung auf. Bahnvorstand Ulrich Weber zeigt sich „fassungslos“ über die angebliche „Rücksichtslosigkeit“ der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). „Macht endlich damit Schluss“, fordert Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD).

Danach sieht es jedoch nicht aus. Mittwochnachmittag lehnte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky ein von der Bahn vorgeschlagenes Schlichtungsverfahren als „Scheinangebot“ ab. Es gehe schließlich um „grundgesetzlich verbriefte Rechte“.

So verständlich der Unmut über die vier Tage lang nicht fahrenden Züge ist: Es wäre zu kurz gegriffen, der Lokführergewerkschaft schlicht Organisationsegoismus vorzuwerfen. Ihr zerrüttetes Verhältnis zur konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), ein zentraler Grund für den aktuellen Streik, ist nicht bloß einer Laune des GDL-Chefs Weselsky geschuldet.

Die Gründe reichen zurück in die Zeit der EVG-Vorgängerin Transnet und ihres zwielichtigen Vorsitzenden Norbert Hansen. Als der 1999 an die Spitze der traditionsreichen DGB-Gewerkschaft gewählt wurde, war die GDL mit ihr noch in einer Tarifgemeinschaft. Aber unter seiner Ägide entwickelte sich Transnet nicht nur aus der Sicht der Lokführer zu einem verlängerten Arm des Bahnvorstands. Wo andernorts Arbeitgeber gelbe Gewerkschaften gründen lassen mussten, da gab es bei der Bahn Transnet.

Wie Mehdorns bester Kumpel

Hansen agierte wie der beste Kumpel von Bahnchef Hartmut Mehdorn. Für einen Arbeitnehmervertreter nicht gerade üblich, gehörte das SPD-Mitglied zu den lautstärksten Propagandisten von Mehdorns wüstem Privatisierungskurs – trotz großer und berechtigter Skepsis fast aller Bahnbeschäftigten. Gleichzeitig war Transnet mitverantwortlich dafür, dass der staatseigene Konzern beispielsweise systematisch billigere Leiharbeiter als Lokführer einstellen konnte.

Richtig gute Abschlüsse handelte Hansen nur für sich selbst aus. 2008 wechselte er die Seiten und wurde bestens dotierter Personalvorstand der Bahn. Nachdem er noch als Gewerkschaftsführer eine Beschäftigungssicherung ausgehandelt hatte, die das Papier nicht wert war, kündigte Hansen kurz vor Antritt seines neuen Dienstes in der Bild-Zeitung einen Stellenabbau an und forderte die Lokführer zum Saubermachen von Abteilen auf. Rund ein Jahr dauerte seine Vorstandsepisode. Mit dem Abgang Mehdorns war auch die Zeit seines Buddys abgelaufen – was Hansen eine Abfindung von mehr als 2 Millionen Euro einbrachte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte die GDL längst die Tarifgemeinschaft mit Transnet verlassen – unter dem berechtigten Hinweis auf unvereinbare tarifpolitische Ziele. Seit 2002 kämpft die Lokführergewerkschaft nun inzwischen allein für verbesserte Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Mit der Aufkündigung der Zusammenarbeit war auch eine Neuorientierung verbunden: Sie öffnete sich für andere Berufsgruppen wie die Zugbegleiter – was der Ausgangspunkt für den heutigen Konflikt ist.

Knackpunkt Zugbegleiter

In einem langwierigen Arbeitskampf konnte die Spartengewerkschaft der Bahn 2008 erstmalig einen eigenständigen Tarifvertrag für die von ihr vertretenen Bahnlenker abringen. Das bedeutete ihre Anerkennung als vollwertige Arbeitnehmervertretung. Ihre Forderung, als Verhandlungspartner auch für die Zugbegleiter akzeptiert zu werden, konnte die GDL hingegen nicht durchsetzen. 2010 schloss sich die moralisch diskreditierte und von Mitgliederschwund geplagte Transnet mit der ebenfalls nicht gerade kämpferischen Verkehrsgewerkschaft GDBA – die wie die GDL im Deutschen Beamtenbund organisiert war – zur EVG zusammen. Zu einer Entspannung führte das nicht, das tiefe Misstrauen ist geblieben.

„Dass die DB lieber nur mit ihrer angepassten Hausgewerkschaft Tarifverträge abschließt, kann ich gut verstehen“, sagt GDL-Chef Weselsky. Doch den Gefallen will ihr die GDL nicht tun. Eine Lösung des Konflikts wird es wohl nur geben, wenn sich alle drei bewegen: GDL, EVG und Bahnvorstand. Bisher richten sich die Forderungen, sich kompromissbereit zu geben, nur an die GDL. Das ist zu wenig.

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7 Kommentare

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  • Über den Tellerrand hinaus denken und handeln!

     

    Nur Arbeiterkampf sichert auch die Altersrenten!

     

    Verzicht auf Lohnkampf und Arbeitskampf führt in die Armutsrente!

     

    Verzicht auf Lohn- und Gehaltskampf führt in die Altersarmut: in die staatliche Sozialhilfe und in die öffentlichen Suppenküchen -- auch im Alter!

     

    Nur der Kampf der Lohn- und Gehaltsabhängigen in Deutschland kann für die Zukunft eine auskömmliche und menschenwürdige Altersrente in der realen Reichtumsgesellschaft sichern! Sorgt für die Umverteilung, von oben nach unten. Die reale Wert- und Mehrwertschöpfung ist vor allem ein Ergebnis der großen Mehrheit der eigentumslosen werktätigen Bevölkerung in Deutschland!

     

    Merke: Im Jahr 2003 hatten bereits 40 Prozent der Neurentner eine gesetzliche Rente, die deutlich unterhalb der damaligen Grundsicherungsschwelle lag. --

     

    Bis 2012 ist dieser Anteil auf 53 Prozent angestiegen ( = unterhalb der Sozialhilfe bzw. ungenügenden Grundsicherung)!

     

    Der Anteil der westdeutschen Neurentnerinnen unterhalb der Grundsicherungsschwelle liegt bereits bei einem Wert um die 70 Prozent.

     

    Nur der Arbeitskampf der Frauen und Männer kann eine weitere soziale Deklassierung und Altersarmut verhintern! Deshalb Solidarität mit den deutschen Eisenbahnern. Sie kämpfen auch für unsere sozialen Gegenwarts- und Zukunftsinteressen!

    • @Reinhold Schramm:

      hier wird der falsche Baum engepellt, nach Berechnungen der bay Renetnversicherung wäre die gesetzlich REnte c 30% höher, wäre nicht unter dem damaligen BK Schmidt eine "Rentenreform" durchgeführt worden, zum anderen wurde bis jetzt 1 Billion €uro an Rentner ausbezahlt, die nie einen Pfennig/ Cent einbezahlt haben, zudem immer auf die Rentner, von den immensen Lasten der Pensionen schweigt des Sängers Höflichkeit, so bekommen unsere ex BP einen grosszügigen Ehrensolg von 220.000 € plus 10% Steigerung unsere Volksvertreter gönne sich eine komfortable Altersversorgung, einfach aml den BT Präsidenten anschreiben, ich habs getan, eine Antwort hat in sich, aber auf die Rentner druf -nochmal 46 Arbeitsjahre/71 Rentenpunkte 1400 € Brutto !

      • @Georg Schmidt:

        Herr Georg Schmidt, sie müssen auch die (verständliche) Kommentarbegrenzung bei der Taz berücksichtigen. Ansonsten erfolgt von meiner Seite keinerlei Verschweigen der sozialen Verbrechen im bestehenden Renten-, Pensions-, Beamten- und Gesellschaftssystem! Insbesondere auch nicht über die Tatsache, dass persönlich leistungslose Erbschafts-Millionäre und Milliardäre, über zusätzliche Jahresdividenden in Höhe von z. B. 648 Millionen Euro (Quandts-BMW-Dividende) verfügen. Selbst 'deren' Steuer ist ein Ergebnis aus der Wert- und Mehrwertschöpfung der abhängig und (meist) eigentumslosen Beschäftigten (der werktätigen Frauen und Männer im Unternehmen bzw. Konzern), einschließlich der Billigarbeitskräfte, Leih- und Zeitarbeiter etc. // Bemühen Sie sich weiterhin um eine konzentrierte Aufklärung mit und über Fakten -- für die Information der Bevölkerung. Verzichten wir auf unnötigen Kleinkrieg unter den wenigen emanzipierten Aufklärern in Deutschland.

         

        Die Minderheit der sozialen Aufklärer und Aufklärerinnen hat ohnehin schon durch politisches Berufsverbot (so auch ich seit 19 Jahren), soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung, einen fortwährenden Kampf gegen die staatstragenden Spezialdemokraten und Kapitalfaschisten zu führen!

         

        Trotz alledem, nur "Gemeinsam sind wir [- die Minderheit der Antifaschisten -] stark!"

  • (Quelle: junge Welt ) »Wer kann diesen Mann noch aufhalten?«, fragte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Bild nannte Weselsky schlicht »den Bahnsinnigen« und rief kaum verklausuliert zum Mobbing auf: »Wer dem Bahnsinnigen noch direkt die Meinung geigen will, das ist seine Telefonnummer … .« Focus ging noch einen Schritt weiter. Das Magazin zeigte den Wohnsitz des »wohl meistgehassten Deutschen« – Foto vom Klingelschild »Fam. Weselsky« inklusive. Nur der Nachbar spielte nicht mit. Der hält den GDL-Chef nämlich für einen »netten Kerl« und sagte: »Was da zur Zeit in der Presse passiert, ist die schlimmste Hetzjagd, die ich je erlebt habe.« Wie um das zu unterstreichen, baute die Focus-Redaktion das Bild eines Jungen mit ausgestrecktem Mittelfinger in die Fotostrecke ein.

     

    Zeitungen, die solche Dinge veröffentlichen, wie die Bildzeitung, der Focus ... gehören in den Müll! Hier wird der Mob aufgehetzt. Die Verantwortlichen im Focus und Bild pöbeln in der Manier eines Joseph Goebbels, der 1933 die Zerschlagung der Gewerkschaften feierte.

    • @Julianne:

      Schöne Zusammenfassung, aber für den Godwin am Ende ist der threat eigentlich noch nicht lang genug?

  • Guter Kommentar, der auch mal die Hintergründe dieses Streiks beleuchtet. Die Stimmen aus der Politik spiegeln nur die Welten wieder, die sich zwischen den Beschäftigten in diesem Land und der vollversorgten politischen Klasse aufgetan haben.

    Da machen endlich einmal Arbeitnehmer von ihrem Streikrecht Gebrauch und ausgerechnet der Vorsitzende einer Partei, die sich gerne selbst als Arbeiterpartei betitelt, spricht von "Mißbrauch des Streikrechts". Wer sowas wählt, muss doch komplett aufgegeben haben und nur noch darauf warten, dass ihn die Würmer bald wegtragen.

  • Bundeskanzlerin Angela Merkel ruft zur Mäßigung auf? Wenn, den Bahnvorstand?

     

    Die GDL ist für mich eine Gewerkschafft, die Lokführer, die nach 20 Berufsjahren 1.750 Euro (netto) verdienen, und Zugbegleiter (1.300 netto bekommen) vertritt.

    Die Deutsche Bahn ist für mich ein Unternehmen, das auf der einen Seite Lohndumping betreibt und auf der anderen Seite Milliarden für ein Prestige Projekt wie Stuttgart 21 aus dem Fenster wirft.

     

    Lohndumping? Wie soll man sonst 1.300 Euro oder 1.750 Euro nach 20 Berufsjahren erklären? Zum Thema Transnet wurde hier eh alles gesagt!

     

    Jährlich macht die Deutsche Bahn Milliardengewinne. Zwar "brach" der Gewinn 2013 auf "nur" 649 Millionen Euro ein, ansonsten lagen die Gewinne von 2006 bis 2012 zwischen 1 Mrd. und 1,7 Mrd. (Ausnahme 2009, 800 Mio.).

     

    GDL-Chef Weselsky macht jedenfalls nicht den Eindruck eines korrupten Gewerkschaftsfunktionärs.