Streit zwischen Schweden und Israel: Jüdische Gemeinde contra Netanjahu
Im Streit zwischen Israel und Schweden um einen vermeintlich antisemitischen Artikel stellt sich der Rat der Jüdischen Gemeinden in Schweden gegen Israels Regierung.
STOCKHOLM taz| Im Streit zwischen Israel und Schweden um einen Artikel der Tageszeitung Aftonbladet hat sich jetzt die Präsident des Rates der Jüdischen Gemeinde in Schweden, Lena Posner-Körösi, auf die Seite ihrer Regierung gestellt. Israels Forderung, dass die schwedische Regierung den Artikel offiziell verurteile, habe "die Angelegenheit völlig aus dem Ruder laufen lassen".
Posner-Körösi warf der Regierung von Benjamin Netanjahu vor, den Artikel, den ansonsten kaum jemand ernst genommen hätte, "über alle Maßen aufgebauscht" zu haben. Durch die Forderung Netanjahus habe sich die Debatte in Schweden zu einer Grundsatzfrage über Pressefreiheit entwickelt. "Die Regierung wird den Artikel nicht verurteilen - die Meinungsfreiheit gilt hier als sakrosankt", fügte Posner-Körösi laut der israelischen Tageszeitung Haaretz hinzu.Der Artikel hatte eine mögliche Verwicklung des israelischen Militärs in illegalen Handel mit Organen erschossener Palästinenser aufgeworfen. "Es gibt keine Verurteilung", erklärte denn auch Irena Busic, Sprecherin von Außenminister Carl Bildt: "Selbst wenn jetzt das ganze israelische Kabinett trommelt."
Während Aftonbladet den Artikel damit verteidigte, dass er lediglich als Anstoß gemeint gewesen sei, den Vorwürfen über illegalen Organhandel nachzugehen, sieht ein Kommentar in der Tageszeitung Sydsvenska Dagbladet die Sache völlig anders. "Er kocht aus Gerüchten und Spekulationen eine Suppe zusammen, die nach Antisemitismus stinkt", heißt es dort. Gleichwohl droht die israelische Regierung allen schwedischen JournalistInnen mit kollektiver Bestrafung. Daniel Seaman, Chef für Pressekontakte der israelischen Regierung, sagte im schwedischen Rundfunk, man werde künftig bei allen Akkreditierungen sorgfältig prüfen "was sie oder er bisher über Israel geschrieben hat".
Ebenfalls im schwedischen Rundfunk erklärte Roei Lachmanovich, Berater des israelischen Innenministeriums, man werde die Sanktionen gegenüber schwedischen JournalistInnen noch verschärfen, falls keine Verurteilung seitens der Regierung in Stockholm erfolgen werde. Am Montag hat der schwedische Journalistenverband bei der israelischen Botschaft in Stockholm offiziell gegen die angekündigten Repressalien protestiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken