Streit ums Mobilitätsgesetz: Kampf um den Parkplatz vor der Tür
Dass die SPD das Mobilitätsgesetz nun um ein Auto-Kapitel ergänzen will, bietet durchaus Chancen. Einerseits.
Er ist wieder da. Heinrich Strößenreuther, die Allzweckwaffe der Berliner Radfahrlobby, hat sich aus der selbst verordneten Aktivismuspause zurückgemeldet. Er konnte den jüngsten Move der SPD einfach nicht ertragen: Kurz bevor das Mobilitätsgesetz am Donnerstag in die finale Beratungsrunde des Verkehrsausschusses gehen sollte, hatte die Fraktion das Paket wieder aufgeschnürt und sich unter anderem mit der Oppositionsforderung gemein gemacht, auch dem Autoverkehr ein Kapitel zu reservieren.
Das Pkw-Bekenntnis aus den Tiefen der sozialdemokratischen Fraktion sei „ein Tritt ins Gesicht“ ihrer Nachwuchspolitiker, sagt der Rad-Mann und meint damit unter anderem den SPD-Abgeordneten Tino Schopf, der den aktuellen Gesetzentwurf – ohne Auto – mitverhandelt hat. Er setze jetzt auf die Grünen, so Strößenreuther: „Die sollen die Koalitionsfrage stellen oder aber das Ding vor der Sommerpause hinkriegen.“
Dass all jene, die den Gesetzgebungsvorgang mit dem Rad-Volksentscheid überhaupt erst angeschoben haben, die Krise kriegen, wenn wieder eine Terminverschiebung droht, ist verständlich. Immerhin wird auf den Straßen auch zwei Jahre nach dem Antritt von R2G keinerlei Veränderung zu sehen sein. Auf der anderen Seite kann man auch mal den Koalitionspartnern Glauben schenken, die unisono betonen, das Projekt werde definitiv bis zum Sommer eingeparkt.
„Stadtverträglicher Autoverkehr“
Aber was ist denn nun zu halten von dem Auto-Vorstoß der SPD, jenseits davon, dass darin ein Wink an die eigene, durchaus autoaffine WählerInnenschaft steckt? Fragt man Tino Schopf, hört man, dass ein solcher Abschnitt des Regelwerks doch nur für „stadtverträglichen Autoverkehr“ sorgen soll. Er könne Regeln zur Parkraumbewirtschaftung, zu Geschwindigkeitsbeschränkungen, vielleicht sogar zu Fahrverboten oder einer City-Maut beinhalten. Das klingt gut und ist eigentlich im Sinne derer, denen es um eine Verkehrswende geht (wie Strößenreuther).
Wenn aber künftig neben den noch unfertigen Abschnitten zum Fuß- und Wirtschaftsverkehr auch über private Pkws und Motorräder verhandelt wird, steckt darin trotzdem ein beträchtliches Konfliktpotenzial: Denn den Autofans in der SPD geht es auch darum, den „ruhenden Verkehr“ zu sichern, vulgo: um den Parkplatz vor der Tür. Das beißt sich mit dem Flächentausch, den das jetzt zu beschließende Rad-Kapitel anstrebt.
Wenn dieser Konflikt auch auf gesetzgeberischer Ebene aufbricht, könnte die ohnehin schon schwierige Umsetzung noch komplizierter werden. Und Heinrich Strößenreuther wird sich so schnell nicht wieder um seine eigenen Projekte kümmern können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen