Streit um stillen Tunnel: Querschüsse gegen Querung

Neuer Trassenplan der Bahn soll Ostseebäder vor Lärm schützen. Aber SPD-Abgeordneten wird das Tunnelprojekt nach Dänemark zu teuer, sie fordern den Ausstieg.

Bagger kann nach Hause fahren: Geht es nach drei SPD-Abgeordneten, braucht es gar keine neue Trasse. Bild: dpa

KIEL taz | Den Ausstieg aus dem Abenteuer Fehmarnbelt-Querung fordern drei schleswig-holsteinische SPD-PolitikerInnen. „Angesichts der Kostenexplosion und zurückgehender Verkehrsprognosen sind Gespräche mit Dänemark dringend geboten“, sagt die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Bettina Hagedorn. Auch die beiden SPD-Landtagsabgeordneten Sandra Redmann und Lars Winter fordern „auf der Grundlage von § 22 Staatsvertrag über die Sinnhaftigkeit des Projekts zu verhandeln“.

Der 2008 geschlossene deutsch-dänische Staatsvertrag über die Fehmarnbelt-Querung enthält eine Rücktrittsklausel – insbesondere bei starken Kostensteigerungen. Und die seien nicht mehr zu leugnen, sagt Hagedorn, die im Haushaltsausschuss des Bundestages für Verkehrspolitik zuständig ist.

Vor fünf Jahren seien die Kosten für den Ausbau von Straßen und Schienen zwischen Lübeck und Fehmarn auf rund 840 Millionen Euro geschätzt worden. Der Bundesrechnungshof kalkuliert jetzt aber bereits mit dem doppelten Betrag. Hinzu kämen ein noch zu finanzierender Ersatz für die marode Fehmarnsund-Brücke und die Mehrkosten für die neue Trassenplanung, die das Land Dienstag vorgestellt hat. „Dafür werden nicht einmal 2,5 Milliarden Euro reichen“, sagt Hagedorn. Das Geld sollte besser, so Hagedorn, Redmann und Winter, „für sinnvolle Maßnahmen verwendet werden“.

Auch in Dänemark wird die Kritik an den Tunnelplänen lauter. Die Verkehrswissenschaftler Knud Erik Andersen und Per Homann Jespersen von der Universität Roskilde gehen davon aus, dass die von Dänemark zu tragenden Baukosten seit dem Jahr 2007 um mehr als eine Milliarde Euro auf über sechs Milliarden gestiegen seien. Das verlängere den Amortisierungszeitraum, den die Realisierungsgesellschaft Femern A/S ohnehin schon mit 39 Jahren angibt, noch weiter.

Grundlage für die Fehmarnbelt-Querung ist der deutsch-dänische Staatsvertrag von 2008. Er enthält folgende Rücktrittsklausel:

Artikel 22(2): "Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projekts sich deutlich anders entwickeln als angenommen und anders, als es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags bekannt ist, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen im Zusammenhang mit dem Projekt."

Schleswig-Holstein hatte am Dienstag eine neue Trasse für die Schienenverbindung zwischen Lübeck und Fehmarn vorgestellt. Die sogenannte 2+0-Lösung sei die „raumverträglichste Trasse“. Danach solle eine Strecke mit Lärmschutz zum größten Teil entlang der Autobahn A 1 gebaut werden, um die Ostseebäder vor dem Lärm der erwarteten Güterzüge zu schützen. Das hatten die um ihre einzige Erwerbsquelle – Tourismus – fürchtenden Strandgemeinden gefordert.

Die bisher eingleisige Strecke durch die Badeorte soll nicht, wie in der ebenfalls diskutierten 2+1-Variante erwogen, weiterbetrieben, sondern stillgelegt werden. Das bedeutet, dass die Bahnhöfe in den Ferienorten um 300 bis 1.700 Meter weiter ins Binnenland verlegt werden müssten.

Das Land habe „keine rechtliche und finanzielle Möglichkeit, die Nutzung der Bäderstrecke durch Güterzüge zu verhindern“, sagt Regierungssprecher Lars Erik Bethge. Deshalb sei die Stilllegung die einzige Garantie für beschauliche Ferien am Strand.

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