Streit um die VG Wort: Koalition will Verlage retten
Wird der Streit um die VG Wort- und Gema-Erlöse beendet? Am Donnerstagabend soll ein Gesetz durchs Parlament gepeitscht werden.
Eine Verwertungsgesellschaft nimmt die Rechte der Urheber überall dort wahr, wo die Kreativen mit dem Einzug ihrer Ansprüche überfordert wären. Die VG Wort sammelt zum Beispiel Einnahmen bei Bibliotheken, den Erstellern von Pressespiegeln sowie den Produzenten von Kopiergeräten. Die GEMA meldet sich überall, wo öffentlich Musik gespielt wird, beim Supermarkt, beim Stadtfest oder bei DJs. Verteilt werden die Gelder nach komplizierten Verteilungsplänen, die von der jeweiligen Branche selbst beschlossen werden. Bisher erhielten neben den Urhebern auch ihre Verlage jeweils einen Anteil an den Erlösen der Verwertungsgesellschaften.
Das hat jedoch der Bundesgerichtshof (BGH) im April für illegal erklärt. An den Einnahmen der VG Wort könnten nur die Autoren beteiligt werden. Kläger war der Münchener Urheberrechtsexperte Martin Vogel. Die VG Wort fordert von den Verlagen jetzt die in den Jahren 2012 bis 2015 zu Unrecht erhaltenen Gelder zurück. Viele kleine Verlage sehen sich deshalb in ihrer Existenz bedroht. Als Hilfe ermöglicht es die VG Wort, dass Autoren die ihnen zustehenden Gelder anonym bis Ende Februar an die Verlage abtreten (also ohne dass der Verlag erfährt, welcher Autor auf seine Rechte verzichtet hat).
Eine ähnlich dramatische Entwicklung deutete sich in der Musikwirtschaft an. Im November hatte das Berliner Kammergericht auf Klage von zwei Musikautoren entschieden, dass auch bei den GEMA-Einkünften die Verlage in der Regel nicht zu beteiligen sind. Dies war zwar noch kein letztinstanzliches Urteil, aber die Berliner Richter beriefen sich ausdrücklich auf den BGH und sein Urteil zur VG Wort. Auch die Musikverleger waren geschockt. Die GEMA legt das Urteil nun aber so aus, dass nur eine automatische Aufteilung der Erlöse verboten sei. Wenn Urheber und Verleger ausdrücklich bestätigen, dass sie die Aufteilung wollen, könne sie weiter praktiziert werden, so die GEMA.
Das Problem: die Rechtssprechung
Tatsächlich handelt es sich nicht um einen klassischen Verteilungskonflikt. Denn die meisten Urheber finden die ausgewogene Verteilung der Erlöse richtig. Sie gönnen den Verlagen, mit denen sie ja meist eng zusammenarbeiten, ihren Anteil vom VG-Wort und Gema-Kuchen. Auch die deutsche Politik hätte das alte Modell gerne weitergeführt. Das Problem war nur, dass die Aufteilung nicht der geltenden Rechtslage entsprach, weshalb Jurist Martin Vogel mit seiner Klage ja auch Erfolg hatte.
Das Justizministerium hielt zunächst eine nationale Lösung des Problems für problematisch, weil das Urheberrecht schon weitgehend EU-weit harmonisiert ist. Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) ging in mehreren Urteil davon aus, dass die fraglichen Einnahmen der Verwertungsgesellschaften grundsätzlich den Urhebern zustehen.
Inzwischen erklärte das Justizministerium, eine deutsche Übergangslösung sei doch möglich, was die Koalitionsfraktionen aufgriffen. Danach dürfen die Urheber ihre Ansprüche künftig (teilweise) nachträglich an die Verleger abtreten. Zumindest sollen die Urheber der nachträglichen Beteiligung der Verleger an den Einnahmen zustimmen können. Die Gerichte hätten nur die Abtretung im Voraus verboten, so die Interpretation.
Ein entsprechender Antrag, mit dem die Koalition das Gesetz über die Verwertungsgesellschaften ändern will, wurde am Dienstag veröffentlicht und liegt der taz vor. Noch am gleichen Tag haben die Koalitionsfraktionen diesen Antrag im Rechtsausschuss beschlossen. Und am Donnerstag wird die Regelung dann bereits im Bundestag abschließend beraten und verabschiedet. Dieser Schnellgang war möglich, weil derzeit ohnehin eine Änderung des Urheberrechts geplant ist und die Koalition nur einen Änderungsantrag zum Regierungsentwurf einbringen musste. Grüne und Linke kritisierten zwar das Verfahren. Union und SPD wiesen aber darauf hin, dass der Bundestag schon seit Monaten über eine derartige nationale Lösung diskutiere.
Parallel dazu soll aber auch das EU-Recht bald geändert werden. Im September hat die EU-Kommission einen Vorschlag für das „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ vorgelegt. Neben vielen anderen Punkten ist dort auch vorgesehen, dass Autoren die fraglichen Rechte künftig an Verlage übertragen dürfen. Ob das Gesamtpaket der Kommission am Ende eine Mehrheit im EU-Ministerrat und im Europäischen Parlament findet, ist derzeit allerdings noch unklar, so dass für die Verlage zunächst die deutsche Lösung am wichtigsten ist.
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