Streit um christliche Kirchen in Israel: Die Regierung lenkt ein
Israels Regierung wollte kirchliche Einrichtungen besteuern und Gebäudeverkäufe erschweren. Nach Protest ist der Plan vorerst gestoppt.
Die griechisch-orthodoxe Kirche, die Armenier und die Katholiken in Jerusalem, die gemeinsam für die Grabeskirche zuständig sind, willigten am Mittwoch infolge von Netanjahus Einschreiten in eine erneute Öffnung des Gotteshauses ein. Eine Regierungskommission ist nun beauftragt, beide Angelegenheiten zu prüfen und in Absprache mit allen Beteiligten Lösungsvorschläge vorzulegen.
Nach Ansicht der Stadtverwaltung von Jerusalem, die schon im vergangenen Jahr Zahlungsaufforderungen verschickte, sind allein die drei großen Kirchen bereits umgerechnet einige zig Millionen Euro an Abgaben schuldig. Es ginge explizit nicht um die Besteuerung der Kirchen, betonte der Bürgermeister, sondern lediglich um kirchliche Einrichtungen wie Pilgerhospize und Gaststätten. Die Regelung, die Kirchen samt angeschlossenen Einrichtungen nicht zu besteuern, stammt aus der Zeit des Osmanischen Reiches und wurde von den Briten in der darauf folgenden Mandatszeit fortgesetzt, wie auch von Jordanien und Israel.
Der Protest der Kirchen richtete sich außerdem gegen eine Gesetzesinitiative der Abgeordneten Rachel Asaria von der Mittepartei Kulanu (Wir alle). Die Reform würde eine rückwirkende Enteignung veräußerter Kirchenimmobilien ermöglichen. Hintergrund ist der Verkauf mehrerer größerer Immobilien, allen voran der Grundstücksverkauf im Jerusalemer Nobelviertel Rechavia, der Anwohner verunsicherte. Rund 1.300 Wohnungen stehen auf dem Land, das der Jüdische Nationalfonds von den Kirchen für 99 Jahre gepachtet hatte. Das erklärte Ziel Asarias war es, die Bewohner der fraglichen Häuser langfristig „vor der Obdachlosigkeit“ zu bewahren.
Netanjahus „konstruktive Intervention“
Die neuen Grundstückseigentümer könnten den betroffenen Familien andernfalls Beträge von umgerechnet 40- bis 120.000 Euro abfordern. Nach Auskunft des Jerusalemer Stadtratsmitglieds Itai Gutler, der für Asaria den Gesetzentwurf ausarbeitete, ist die Sorge indes „derzeit rein spekulativ“. Es gebe noch „keinerlei Forderungen der neuen Grundstückseigentümer“. Die von Netanjahu beauftragte Kommission wird mit den neuen Eigentümern eine Regelung finden müssen, wie nach Ablauf der Erbpacht zu verfahren ist. Gutler räumte ein, man habe mit dem Gesetzesentwurf „hoch gezielt“, um am Ende „leichter eine Einigung mit den neuen Eigentümern zu erreichen“.
In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten die Kirchen die „konstruktive Intervention des Ministerpräsidenten“ und erklärten sich bereit zur Zusammenarbeit mit der Regierungskommission, um „sicherzustellen, dass unsere Heilige Stadt, in der unsere christliche Präsenz mit dauerhaften Herausforderungen konfrontiert ist, ein Ort bleibt, an dem alle drei monotheistischen Konfessionen zusammenleben“ können. Nichtsdestotrotz bleibt ein bitterer Nachgeschmack nach dem israelischen Doppelangriff auf die Kirchen.
Dass Bürgermeister Barkat auf den Einnahmen beharrt, führten Kirchenanhänger auf die Flaute in der städtischen Haushaltskasse zurück. „Die Stadt braucht Geld, also besteuert sie kurzerhand die Kirchen“, kommentierte Franziskanerpater Andreas Fritsch vom Christlichen Informationszentrum der Franziskaner, der sich selbst „überrascht“ zeigte von der konzertierten Aktion der drei großen Kirchen, die „sonst nicht so leicht unter einen Hut zu bringen sind“.
Auch die lutherische Erlöserkirche hielt ihre Tore am Wochenende aus Solidarität zu der nur wenige Schritte entfernten Grabeskirche geschlossen. „Wir gehören nicht zu den vom Osmanischen Reich anerkannten Kirchen und zahlen bereits städtische Gebühren für das Gästehaus“, erklärte Propst Wolfgang Schmidt, Pfarrer der Erlöserkirche, Damit seien die Lutheraner „zunächst nicht unmittelbar betroffen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz