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Streit um WildtiereinsatzLeben für den Zirkus

Das Gastspiel des Zirkus Krone in Hamburg mit Nashorn und Großkatzen hat eine Debatte ausgelöst: Dürfen, sollen Tiere im Zirkus auftreten?

Schon vor der Ankunft bereit: Löwengehege des Zirkus Krone auf St. Pauli Foto: Miguel Ferraz

Wildtiere gehören nicht in den Zirkus. Für diese Feststellung braucht es keine heimlichen Aufnahmen von Tierschützern, die monoton hin und her schwingende Elefanten an Ketten zeigen: ein Schritt vor, einer zurück. Es reicht ein Blick in die Manege: Scheinwerferlicht. Laute Musik. Donnernder Applaus. Ein Elefant sitzt mit dem Hinterteil auf einem Podest und macht Männchen. Zwei Artistinnen stehen auf seinen Vorderbeinen, ein Artist auf seinem Kopf. Pferde laufen meterweit auf den Hinterbeinen. Sechs Kinder aus dem Publikum reiten auf einem Elefantenrücken. Das sind Elemente aus den Shows deutscher Zirkusse.

In Zoos – zuletzt im Zoo Hannover – wird es zurecht kritisiert, wenn Elefanten Kunststückchen lernen sollen, weil es nicht ihrem natürlichen Verhalten entspricht. Viele Gehege werden nun auf die Hands-off-Methode umgestellt. Dann trennt Pfleger und Tiere immer ein Gitter. Zirkusse aber sind darauf angewiesen, dass ihre Tiere neue Tricks zeigen.

In Hamburg protestieren Tierschützer derzeit gegen den Circus Krone. Er gastiert noch bis zum 22. Oktober mit seinen Löwen, Tigern, einem Nashorn, Papageien, Pferden und Seelöwen in der Stadt. Besucher können die Tiere auch tagsüber im Krone-Zoo sehen. Sie sind nicht in vergitterten Zirkuswagen unter gebracht, sondern in kargen, aber dafür größeren Freigehegen. Die meisten Tiere liegen auf Stroh und dösen. Ein Seelöwe dreht in einem Wasserbecken seine Runde.

Aus der Branche ist über den Zirkus zu hören, dass es den Tieren hier gut gehe. Schlechter seien die Bedingungen in den kleineren Zirkussen ohne Winterlager. Martin Lacey jr., der Löwentrainer des Zirkus Krone, bezeichnet sich selbst als Tierschützer. Ein Beispiel: Die Zeiten in den Transportern würden für die Tiere so kurz wie möglich gehalten. „Die Stallungen stehen schon in der neuen Stadt, wenn die Tiere ankommen, damit sie nicht warten müssen“, sagt Lacey.

Stress durch stundenlange Transportwege

Standard ist das in der Zirkusbranche nicht. Denn die Unternehmen müssen sich dafür zwei Sätze Käfige leisten können. So oder so bleiben aber stundenlange Transportwege, die für viele sensible Tierarten wie etwa Pferde Stress bedeuten. Und für Zirkusse wird es immer schwieriger, überhaupt geeignete Plätze zu finden, auf denen sie ihre Zelte aufschlagen können. Am Ende leiden darunter die Tiere, denn ein bisschen Streu auf Beton macht daraus noch keinen tiergerechten Auslauf.

Drei Anläufe hat der Bundesrat schon gemacht, um Wildtiere im Zirkus zu verbieten und scheiterte an den Zirkusfans in der Bundesregierung. Das Landwirtschaftsministerium setzt auf eine freiwillige Selbsteinschränkung der Zirkusse. Der Vorschlag des Bundesrates von 2016 sah hingegen vor, bestimmte Tierarten wie Affen, Elefanten, Bären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde im Zirkus zu verbieten.

Was spricht eigentlich dagegen, auf Löwen und Elefanten zu verzichten? Der Circus Roncalli macht es vor

Den Betreibern gegenüber ist das fair. Denn es sollte eine Übergangsfrist für die Tiere geben, die bereits im Zirkus leben – sofern sie keine offensichtlichen Verhaltensstörungen zeigen. Die Zirkusse bekämen so Zeit, ihre Nummern umzustellen. Ihnen entgegen kam auch, dass nicht alle Wildtierarten verboten werden sollten. Raubkatzen etwa sind nicht dabei. Aus Tierschutzsicht wäre das ein bitterer Kompromiss – aber immer noch ein Fortschritt. Auch Schleswig-Holstein hat den Bund kürzlich zu einem Wildtierverbot aufgefordert.

Den Menschen, die im Zirkus arbeiten, sind ihre Tiere wichtig. Daran besteht kein Zweifel. „Sie sind unsere Partner, unsere Freunde und gehören mit zur großen Circus Krone-Familie“, heißt es in einer Tierschutzbroschüre, die der Zirkus auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Das schließt jedoch nicht aus, dass die Tiere trotzdem unter den Darbietungen und den Haltungsbedingungen in einem reisenden Zirkus leiden.

Ein Elefant, der einen Kopfstand oder Männchen macht? „All unsere Dressuren basieren auf natürlichen Verhaltensweisen und Bewegungsabläufen der Tiere“, schreibt Krone in der Broschüre und stellt daneben Bilder von Elefanten, die ähnliche Bewegungen in freier Wildbahn zeigen. So regelmäßig wie in den täglichen Trainings und Shows führt ein Elefant diese Bewegungen aber nicht aus und Menschen sitzen ihm in der Natur auch nicht auf den Gliedern. Die Dressur belastet die Gelenke der schweren Tiere.

Verhaltensstörungen als Anzeichen der Vorfreude?

Selbst im Zirkus Krone gibt es Anzeichen dafür, dass es den Tieren aufgrund der äußeren Umstände nicht gut geht. Gefragt, warum die Krone-Elefanten weben, also immer wieder mit dem Kopf von links nach rechts wippen, antwortete Marketingleiter Andreas Kielbassa der taz, dass sie das nur machten, weil sie sich so auf ihren Auftritt freuten. Wenn ein Krone-Vertreter eine Verhaltensstörung, die Elefanten in Gefangenschaft zeigen, relativiert, fördert das nicht das Vertrauen in den Tierschutz.

Tiertrainer Lacey, der mit der Direktorin des Zirkus verheiratet ist, hat eine andere Erklärung für das Verhalten der Elefanten: Es seien ältere Tiere, die früher keine großen Außengehege und weniger Beschäftigung gehabt hätten. Dies habe sich in den vergangenen 15 Jahren deutlich verbessert. „Seitdem ist das viel weniger geworden.“

Martin Lacey ist offenkundig um das Wohl seiner Tiere bemüht. Aber was spricht eigentlich dagegen, auf Elefanten und Löwen zu verzichten? Der Circus Roncalli macht es vor und hat ganz ohne Tiere mehr Zuschauer denn je – und die sind in dem großen Zirkuszelt zudem sicher. Denn ein Verbot ist auch deshalb richtig, weil Elefanten und Nashörner ein Risiko darstellen.

Immer wieder kommt es zu Unfällen, weil Tiere aus der Manege oder ihren Gehegen ausbrechen. Erst im Juli fiel in Osnabrück eine Elefantenkuh des Zirkus Krone ins Publikum, nachdem zwei Artgenossinnen sie geschubst hatten. Vor einigen Jahren rannte auch Nashornbulle Tsavo plötzlich los, verletzte aber niemanden. Für einen schweren Unfall reicht es, wenn sich ein so sensibler Koloss erschreckt.

Sicher müssen aber auch die Tiere sein, sollte es tatsächlich zu einem Wildtierverbot im Zirkus kommen. Der Gesetzgeber muss gewährleisten, dass sie nicht eingeschläfert werden. Nach so harter, jahrelanger Arbeit für unser Amüsement haben sie sich einen Platz auf einem Gnadenhof verdient.

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11 Kommentare

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  • Ich habe diese Diskussionen schon 100mal hinter mir. Man kann fast alle "Argumente" der Tierrechtler sachlich widerlegen - aber wenn das mühsam genug getan hat, hört man sprüche wie "Aber mein Gefühl sagt ..." oder "Aber die armen Tiere leben in Gefangenschaft!"



    Die kommen nicht auf die Idee, mal darüber nachzudenken, wie abstrakt unser "Freiheitsbegriff" ist und dass Tiere in der Natur nie frei sind. Sie werden von Reviergrenzen eingeschränkt - und das zu Land, im Meer und am Himmel. Nicht einmal der Löwe als "König der Tiere" kann dahin gehen, wo er will. Wenn er ins Revier der Nachbarn kommt, kann es lebensgefährlich werden.



    In dieser Diskussion zeigt sich für mich, wie weit wir heute von der Natur entfernt sind und wie wenig die meisten Leute von Tieren verstehen. Die meinen alle, Natur sei sowas wie ein Disney Film und darum sei es fies, den Tieren diese Paradiese vorzuenthalten. Die Realität ist ganz anders - und ich vermute, dass die meisten Tiere sehr viel lieber im Circus und im Zoo als in der oh-so-hochgelobten "Freiheit" leben.

  • p2: Wenn sie in der Natur innerhalb ihres engsten Umfeldes genug zu fressen kriegen, bewegen sie sich kaum.



    Und nun schauen wir Circuslöwen an: Perfekt gefüttert, Bewegung kriegen sie bei Training und Vorstellung (und Martin Lacey jr. sagt, man müsste da ein bisserl aufpassen, dass es nicht zu viel für sie wird, weswegen er ältere Tiere schon mal für eine Vorstellung aus lässt), ihre Sozialstruktur haben sie in ihren Gruppen - ja, was will man mehr? Dazu haben sie im Vergleich zu Zootieren sogar jede Menge Abwechslung - ihnen wird jede Woche eine neue Umgebung mit anderen Bildern geboten - und Katzen sind bekanntlich "Gucktiere", die gerne beobachten.



    All diese Dinge stehen übrigens in dem Gutachten, dass den Bundestag bewogen hat, ein Wildtierverbot abzulehnen - und das war der Grund meiner Empörung über den Artikel. Darin wird es dargestellt, als ob einige Politiker aus dem Bauch entschieden hätten. Dem war aber nicht so. Die Entscheidung beruhte auf einem Gutachten mehrer angesehener Verhaltensforscher, die aktuell Untersuchungen im Zirkus gemacht haben. Die haben kein Problem mit dem Circus - und nun können Sie überlegen, wessen Urteil Sie mehr vertrauen: Dem von Verhaltensforschern oder dem von Tierrechtlern, die - hab' ich mehrfach erlebt - einen Löwen nicht von einem Tiger und ein Nilpferd nicht von einem Nashorn unterscheiden können?

  • Dem Schäfer sind "seine" Schafe auch wichtig, er verteidigt sie zB gegen böse Wölfe. Dennoch benutzt er sie für seine eigenen Zwecke.

  • P2: Ich bin eigentlich frustriert. ich dachte immer, bei der TAZ werde sauber recherchiert und dokumentiert.



    In diesem Fall: Nein, definitiv kein guter Journalismus. Muss ich Euch erzählen, dass ein Bericht "neutral" sein sollte? Sonst gehört er als Kommentar deklariert!

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @sycorax:

      ...es handelt sich um einen 'Kommentar'. Einen Kommentar von Frau Maestro.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Ich muss Ihnen doch nicht erzählen, dass auch in einem Kommentar die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung besteht, oder?



        Eine Aussage wie "Drei Anläufe hat der Bundesrat schon gemacht, um Wildtiere im Zirkus zu verbieten und scheiterte an den Zirkusfans in der Bundesregierung" entspricht nicht der Wahrheit. Der Bundesrat deswegen pro Zirkus entschieden, weil Gutachten von Fachleuten sagten, es gäbe tierschutzrelevanten Bedenken! In dem Fall haben wir also Politiker gehabt, die sich dem Urteil von Fachleuten gebeugt haben statt der Polemik fragwürdiger Tierrechtsorganisationen (machen Sie sich doch bitte mal über PeTA schlau!) zu folgen.

  • Sorry, aber der Artikel ist ziemlich tendenziös. Es entspricht nicht der Tatsache, dass das Wildtierverbot wegen "Zirkusfreunden" in der Regierung abgelehnt wurde. Der Grund waren Gutachten von Wildbiologen und Tierärzten, die sagten, dass es keine tierschutzrechtlichen Gründe für ein solches Verbot gäbe.



    Es stimmt auch nicht, dass Circustiere Transportstress haben. Eine Untersuchung der Uni Freiburg hat ganz eindeutig ergeben, dass die Krone Löwen auch bei einem langen Transport total entspannt sind.



    Es stimmt schon gar nicht, dass Pferde transportgestresst sind - schauen Sie doch mal zu, wie Turnierpferde verladen werden! Bei 75 % heißt das "Klappe runter, Pferd reinlaufen lassen, Klappe zu" - null Stress, weil sie das kennen und wenn sie auf dem Lkw transportiert werden, ist es kein Stress. Hänger ist was anderes - das macht einigen was aus. Aber Zirkuspferde fahren nicht auf Hänger. Die Krone-Pferde z.B. sind mit klimatisierten Aufliegern unterwegs!



    Und wenn ich lese " So oder so bleiben aber stundenlange Transportwege" muss ich mich fragen, ob das schlecht recherchiert oder böswillig ist. Nehmen wir doch mal die nächsten fünf Stationen, die Circus Krone bereist hat: Krone steht gerade in Hamburg - dahin kamen sie aus Stendal, also rund 220 km. Selbst im Hinblick darauf, dass man mit einem Tiertransporter nicht rast - in vier Stunden mit Ver- und Entladen (merke: Stallzelte bzw. Gehege stehen ja am Ankunftsort schon, es kann also direkt ausgeladen werden).



    Vor Stendal war der Braunschweig - 140 km Strecke.



    Nach Braunschweig kam der Circus aus Hannover: rund 70 km



    Davor war Oldenburg - 179 km Und von Hamburg aus geht Krone nach Goslar - 238 km, eine der längsten Strecken auf der ganzen Tour.



    Beim Circus Charles Knie sieht es ähnlich aus. Die meisten Circusse reisen heute nicht mehr so weit!

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @sycorax:

      ...Sie haben wohl nicht viel mit Pferden zu tun?



      Sehr viele Pferde haben Stress beim Verladen und beim Transport.



      Und ich gehe davon aus, dass es bei sog. Wildtieren ähnlich ist.



      Ausserdem werden die Tier im Zirkus generell nicht artgerecht gehalten. Was hat ein Tiger, oder ein Löwe, in einem Käfig verloren? Nichts. Löwen, Tiger etc. wurden nicht geboren, um von einem Ort zum anderen transportiert zu werden. Oder leben diese Tier in Afrika, oder Indien in Transportkisten? Ich denke nicht.

      • @81331 (Profil gelöscht):

        Och, was meine Erfahrung mit Pferden angeht: Ich hab' ungefähr 40 Jahre mit Pferden verbracht, bin Vielseitigkeit bis Klasse M geritten, war stellv. Chefredakteurin zweier Fachzeitschriften und hab' über ein Dutzend Bücher über Pferde geschrieben.



        Un ich denke, ich habe mehr Pferde verladen als die meisten Leute je gesehen habe. Dabei habe ich natürlich erlebt, dass einige Stress hatten. Ich hatt' sogar selbst einen, der auf jeden Fahrt schlimm Durchfall bekam.



        Ich kenne aber auch jede Menge Pferde, die beim Verladen vollkommen cool sind - vor allem, wenn sie auf den Lastwagen gehen und wenn sie's gewohnt sind. Und ich hab' schon geholfen, Krone Pferde zu verladen - die sind's gewohnt, die haben die Ruhe weg.



        Was die "Wildtiere" (ist ein Tier, dessen vorfahren schon seit 21 Generationen in die Familie gehören, noch ein "Wildtier"? Martin Laceys Löwen und Tiger stammen alle aus der Lacey-Familienzucht) angeht, scheinen Sie meinen Kommentar nicht wirklich gelesen zu haben.



        Aber ich wiederhole mich gerne: Die Universität Freiburg - und der kann man ja wohl nicht per se vorwerfen, irgendwie mit dem Circus verbandelt zu sein - hat Stresstests bei den Krone Löwen gemacht. Gemessen wurde das Cortison (Streßhormon) Level beim Anfang einer Reise in Monte Carlo und bei der Ankunft in München - also über eine Strecke, die eher atypisch für den Zirkus, weil sehr lang ist. Das Ergebnis bei zwei Dutzend Tieren war sehr eindeutig: Kein einziges tier zeigte ein höheres Cortisol Level, im Gegenteil - bei einigen war es während der Fahrt sogar gesunken.



        Dazu leben die Tiere nicht "in einem Käfig", sondern in sehr großzügigen Gehegen (die sind sogar größer als vorgeschrieben) - und jeder Verhaltensforscher kann Ihnen versichern: Katzen haben fast keinen Bewegungsdrang. Im Gegenteil. sie sparen Energie, in dem sie 16 Stunden am Tag schlafen - wenn man sie lässt.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @sycorax:

      Danke für die vielen Informationen. Bei diesem Thema kochen die Emotionen, vor allem die der Tierschützer, schon mal hoch.

      Da ist es gut mal ein paar andere Argumente zu lesen.

  • Danke für den differenziert gearbeiteten Artikel!