Streit um Wahlergebnis in Kenia: Konfusion und eine Siegeserklärung

Kenias Wahlkommission erklärt Vizepräsident William Ruto zum Wahlsieger. Die Opposition um Raila Odinga lehnt das schon im Voraus ab.

Drei Männer in Nairobi stehen auf der Straße und schauen interessiert auf ihre Smartphones

Ganz Kenia wartete den ganzen Montag auf das Wahlergebnis Foto: Ben Curtis/ap

BERLIN/NAIROBI taz | William Ruto ist zum nächsten Präsidenten von Kenia erklärt worden. Wie Wafula Chabukati, Präsident der Wahlkommission IEBC (Independent Electoral and Boundariesw Commission), am frühen Montag abend bekanntgab, schlug der amtierende Vizepräsident knapp den Oppositionsführer Raila Odinga. Ruto erhielt 7.176.141 Stimmen (50,49 Prozent), Odinga 6.942.930 (48,85 Prozent). Dieses Ergebnis der Wahl vom 9. August ist allerdings umstritten.

Das Land von 50 Millionen Einwohnern, und darüber hinaus ganz Ostafrika, war den ganzen Montag auf die Folter gespannt worden. Für 15 Uhr Ortszeit (14 Uhr in Deutschland) hatte dieIEBC in ihr Auszählungszentrum geladen, das „Bomas of Kenya“ am Rande der Hauptstadt Nairobi. Eigentlich ist es ein Touristenressort. Jetzt war es ein Hochsicherheitsgelände. Umgekehrt hieß die entlegene Lage: Man will dort vor Einbruch der Dunkelheit wieder weg.

Als gegen 16 Uhr 30 Ortszeit die Plätze auf dem IEBC-Podium im Bomas-Saal immer noch leer waren, wurden einige im Publikum sichtlich nervös. Dann trat draußen vor der Tür Saitabao ole Kanchony, der Wahlkampfleiter des Oppositionsführers Raila Odinga, vor die Kameras und lehnte das Wahlergebnis ab, das noch gar nicht verkündet war. „Bomas of Kenya ist ein Tatort“, erregte er sich und erklärte, drinnen würden Wahlergebnisse „manipuliert“. Man weigere sich, das Ergebnisprotokoll zu unterschreiben.

Dabei hatte alles so schön angefangen. Im großen Saal war am Morgen der Boden blankgeputzt, eine Bühne war aufgestellt. Chöre sangen Gospelsongs. Diplomaten und VIPs füllten allmählich die Stuhlreihen. Soldaten mit Sturmgewehren im Anschlag lungerten herum. Die Live-Übertragung des kenianischen Fernsehens ließ die ganze Nation teilnehmen, in einer Mischung aus Anspannung und Erwartung. Am Nachmittag schlossen Geschäfte in Nairobis Zentrum früher, Pendler eilten nach Hause.

Live-Übertragung für die gesamte Nation

Die Präsidentenwahl galt als eine der offensten in Kenias Geschichte. Denn sie war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen zwei Politveteranen: Raila Odinga, jahrzehntelanger Oppositionsführer, der schon viele Wahlen verloren hat, aber diesmal die Unterstützung des scheidenden Präsidenten Uhuru Kenyatta genießt; und William Ruto, der amtierende Vizepräsident, der sein aus der eigenen Sicht rechtmäßiges Erbe im State House beansprucht.

Einen frühen Hinweis auf den Ausgang lieferte Montagmittag der Umstand, dass William Ruto im Autokonvoi zum Auszählungszentrum brauste, während Raila Odinga nirgends zu sehen war. Der 55-jährige Ruto hatte sogar seine Mutter mitgebracht; als die kenianischen TV-Berichterstatter die in Weiß gekleidete alte Frau sahen, die von ihren Angehörigen sorgfältig in den Saal geführt wurde wie ein zerbrechliches Kunstwerk, waren sie sich sicher, dass Ruto sich seines Sieges gewiss war.

Während Ruto sich feiern ließ, tauchte das Odinga-Lager ab. Die wütende Ablehnungserklärung seines Wahlkampfchefs draußen bekamen zunächst nicht alle Zuschauer im Saal mit. Es dauerte eine Weile, bis die ersten sich erhoben und gingen, während andere aufgeregt telefonierten.

In einer skurrilen Szene tauchte aus einem Hinterzimmer ein junger Odinga-treuer Politiker in Jeans auf, Senator Ledama ole Kina, und wollte in das Mikrofon sprechen, mit dem IEBC-Präsident Wafula Chebukati das Ergebnis hätte verkünden sollen. Es war aber abgeschaltet. Ein Polizist entriss es ihm schließlich und steckte es wieder an seinen Platz, begleitet von Heiterkeit bei den Umstehenden. Auf Twitter schrieb Kina danach: „Chebukati, zünde dieses Land nicht an“. Es gebe „Probleme“ zwischen dem IEBC-Chef und einzelnen Kommissionsmitgliedern.

Vier von sieben IEBC-Kommissaren lehnten das Wahlergebnis ab, war zu hören. Gegen 18 Uhr Ortszeit trat schließlich IEBC-Präsident Chebukati auf und verkündete seine Zahlen – samt einer Beschwerde, mehrere seiner Mitarbeiter seien verletzt worden.

In seiner kurzen Siegesrede dankte ein strahlender William Ruto Gott für seinen Wahlsieg und behauptete, bei dieser Wahl gebe es „keine Verlierer“. Doch Odinga hat verloren, und die Betrugsvorwürfe seiner Wahlallianz stehen im Raum. Mehrfach in der Vergangenheit hat diese Konstellation in Kenia zu bürgerkriegsähnlicher Gewalt geführt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.