piwik no script img

Streit um Vorratsdatenspeicherung"Es ist die verdammte Pflicht der Politik"

Im Streit um die Vorratsdatenspeicherung wirft Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) der FDP vor, nur Ängste zu schüren. Er selber ist für schärfere Sicherheitsgesetze.

Erwartet von der Bundesjustizministerin einen Entwurf: Christoph Ahlhaus. Bild: dapd

BERLIN/WIESBADEN dpa | Führende CDU-Politiker nutzen die Weihnachtszeit für einen neuen Vorstoß zur Einführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Angesichts der Terrorwarnungen sprach sich Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) für schärfere Sicherheitsgesetze aus.

"Da wird durch ein gezieltes Schüren von Ängsten verhindert, dass weitere wichtige Instrumente für unsere Sicherheitsbehörden realisiert werden können", sagte Ahlhaus. Das sei politisch unverantwortlich. "Das sage ich auch in Richtung des kleineren Koalitionspartners in der Bundesregierung", betonte er mit Blick auf die FDP, die eine Vorratsdatenspeicherung bislang ablehnt.

"Hier wird in meinen Augen leider aus politisch durchsichtigen Gründen unbegründet die Sorge ausgelöst, dass alle Menschen durchleuchtet werden und dass jedermann Zugriff auf die Daten hat", kritisierte Ahlhaus. Insgesamt sieht er die Sicherheitsbehörden gut gerüstet. Die schlimmen Ereignisse in Stockholm hätten gezeigt, wie schnell es auch in Deutschland zu einer Katastrophe kommen könnte.

"Deswegen ist es die verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Politik, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die Menschen zu schützen", sagte Ahlhaus. "Ich will keinen Polizeistaat, ich will auch keine allgemeine Hochrüstung." Aber es gebe durchaus Möglichkeiten, die Arbeit der Sicherheitsbehörden deutlich zu erleichtern - ohne dass es viel mehr Geld koste und ohne dass es zu einer zusätzlichen Belastung führe.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte von der Regierung einen neuen Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung. Im Zuge der Terrorabwehr brauche die Polizei dringend dieses Mittel, um die verdeckte Kommunikation zu überwachen. Er erwarte von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), dass sie im Januar oder Februar einen Entwurf vorlege.

Unterdessen hat der Vizepräsident des Bundesverfassungsgericht, Ferdinand Kirchhof, klargestellt, dass Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten nicht grundsätzlich untersagt hat. "Die Vorratsdatenspeicherung für sechs Monate kann unter strengen Voraussetzungen durchaus im Einklang mit dem Grundgesetz stehen; etwa wenn es um die Aufklärung besonders schwerer Straftaten oder um die Gefahrenabwehr geht", sagte er dem Hamburger Abendblatt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Naja, die Union bedient ja auch Ängste. ;)

  • A
    anonymous

    @J. Berger:

    So verdammenswert die Tätigkeit der Stasi auch gewesen ist, ist Ihr Vergleich leider doch schief. Im MfS mussten sie die Briefe 'verdächtiger' Bürger von Hand aufdampfen, bei dem was aktuell läuft wird die Infrastruktur geschaffen sämtliche Verkehrsdaten vollautomatisch zu erfassen. Dass einmal vorhandene Daten, nach der Logik der Regierenden, nicht ungenutzt/unausgewertet bleiben dürfen ist als nächster Schritt recht offensichtlich absehbar.

  • S
    Sven

    Ist denn irgendjemand so naiv, noch zu glauben, dass seine Daten irgendwo sicher sind?

     

    Jeder, der es (unbedingt) will, findet alles über den Anderen heraus... befugt oder auch nicht. Dieser Zug ist wohl schon allzu lange abgefahren.

     

    Überall wird Panik gemacht und (Fremden-) Angst geschürt um da jetzt auch noch die letzten Hürden einzureißen.

     

    P.S.

     

    Korruption ist ganz legal... natürlich nur bei den großen Chargen, der kleine Beamte unterschreibt vierteljährlich, dass er keine Kugelschreiber o.Ä. annehmen darf.

    In die 4. Etage bringt die Poststelle Pelzmäntel für Muttern und Rollechs für Vaddern... wenn schon, dann doch bitteschön mit "Stil"! *kotz*

  • S
    Sozialpädagoge

    Schon heute wird doch von den sogenannten Sicherheitskräften der ihr gesteckte gesetzliche Rahmen täglich überschritten und die Menschen nehmen dies hin, weil es ihnen nicht bewußt oder egal ist.

     

    Über keine Branche wird mehr schöngeredet als über Polizei und Justiz. Täglich laufen zahlreiche Reklamefilme (als Krimis o.Ä. getarnt), die die Exekutivorgane fast immer als menschenfreundliche Helfer darstellen und SEKs als notwendige Pfadfindertruppe.

     

    Doch wer soviel Reklame braucht, hat es wohl sehr nötig, denn schon die heutige Arbeit von Polizei und Justiz ist aüßerst fragwürdig und jede Erweiterung ihrere Kompetenzen würde ihre Tendenzen zu größenwahnsinniger Selbstreferenz noch verstärken.

     

    Wir brauchen daher mehr Überwachung und auch eine Vorratsdatenspeicherung und zwar von allen Daten der in Exekutive, Judikative und Legislative tätigen Personen, die jedem Bürger zugänglich sein müssen. Das wäre wohl nicht besonders schwierig.

     

    Was der einfache Bürger hingegen nicht braucht ist die Überwachung und Gängelung anmaßender Politiker, Juristen und Polizisten aller Spielarten.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    "Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit" der Bürgerinnen und Bürger, sich derartiger Politiker zu entledigen, die immer nur dummes Zeug quatschen und die mit ihren "Sicherheitsgesetzen" etwas ganz anderes im Schilde führen, als den "Schutz der Bürger".

     

    Bislang ist nicht bekannt, das islamische Terroristen - und um die geht es doch wohl vordergründig - derart gigantische Schäden angerichtet hätten wie jene Politiker in den herrschenden Parteien, die für die Abwrackung des Sozialstaates, der Bildung und der Kultur im Lande zuständig sind.

    Es ist weiterhin nicht bekannt, dass islamische Terroristen Schäden im Billionen-Bereich durch organisierten Finanzbetrug, Durchstechereien und Spekulationen angerichtet hätten.

     

    Was fehlt - und darauf haben einige Kommentatoren ja hingewiesen - sind Gesetze gegen verkommene Politiker & Parteien, die das Land wie zu Feudalzeiten meinen ausplündern und beherrschen zu können.

  • MS
    M. Schneider

    Herr Dahlhus hat völlig recht !

     

    Erstmal Korruption der Regierungspolitiker aufdecken!

    Und die Anti-Korruptions-Konventionen der UN nicht

    nur Unterschreiben, sondern AUCH Ratifizieren!

    Dann ist Abgeordnetenbestechung ein schwerer Strafbestand und dann gehts den Nutznießern und

    Postenschachern an den Kragen!

     

    Davon abgesehen:

    Die Verdächtigung jedes Bürgern wird irgendwann darin ausarten, dass der Bürger bei Strafermittlung dem Staat seine Unschuld beweisen muss anstatt umgekehrt inkl. Verfahrenskosten!

     

    Dieses verfassungsfeindliche, vom Feudalismus träumende Pack gehört weg!

  • E
    Elvenpath

    Her Althaus hat sich verraten, als er sagte: "ohne dass es viel mehr Geld koste".

    Genau das ist es. Die Ausgaben für Polizei und deren Ausrüstung werden drastisch gekürzt und so die Sicherheut verschlechtert. Statt dessen werden einfach Gesetze erlassen. Die kosten (dem Staat) nichts und erwecken den Anschein, dass die Politik etwas tun würde. Obwohl eigentlich klar ist, dass die Vorratsdatenspeicherung keine Anschläge verhindern kann.

     

     

     

    So long...

  • PM
    Paul Meyer-Dunker

    Die Piratenpartei Hamburg hat die Aussagen von Ahlhaus zu dem was die "verdammte Pflicht der Politik" sei zu einer lesenswerten Stellungnahme veranlasst.

     

    http://www.piratenpartei-hamburg.de/artikel/2010-12-27/die-verdammte-pflicht-der-politik-anmerkungen-zur-versuchten-neuauflage-der-vorra

  • O
    opinio

    Um an der Macht zu bleiben oder an sie zu kommen, lassen sich diese Leute allerhand einfallen; sprechen sie von unserer Sicherheit, so meinen sie ausschließlich ihr gesichertes Wohlergehen. Es ist aus deren Sicht jetzt wohl die Zeit gekommen, die demokratische Maskerade zu beenden und ihr wahres Gesicht zu zeigen.

  • S
    Slobo

    Ich bin auch gegen eine Vorratsdatenspeicherung, weil das anlasslose Speichern einfach gefährlich für die Privatsphäre ist. Allerdings muss man auf der anderen Seite auch sehen, dass so Straftaten im Internet nie aufgedeckt werden können, d.h. Betrüger, Pädophile, Botnetz-Betreiber und andere Kriminelle nie gefasst werden können. Da muss man sich schon irgendwas einfallen lassen, aber die Vorratsdatenspeicherung in diesem Sinne ist Schrott.

  • K
    KFR

    ... und ich will nicht pauschal und rein präventiv als Verbrecher verdächtigt und behandelt werden, offenbar ist die Entfremdung gewisser Kreise von Verfassung und dem Souverän schon wieder sehr weit fortgeschritten.

  • MB
    Max Brohm

    Ist doch erstaunlich, kurz vor der Innenminister Konferenz hieß es ein großer Anschlag stünde Ende November / Anfang Dezember bevor.

     

    Bis heute ist - was mich natürlich freut - kein solcher Anschlag geschehen.

     

    Hat hier etwa die CDU versucht Panik zu erzeugen, um Ihre Überwachungs-Allmachts-Phantasien zu befriedigen, oder reichen die heutigen Befügnisse und Mittel der Behörden aus, um solchen Bedrohungen zu begegnen.

     

    Die Frage an die CDU ist doch, warum die Daten unbedingt _verdachtsunabhängig_ erhoben werden müssen. Bei begründetem Verdacht und mit entsprechender Zustimmung eines Richters sähe das ja schon anders aus. Natürlich muss jeder Bürger, der von einer solchen Überwachung direkt oder indirekt betroffen war von den Behörden nachträglich schriftlich darüber informiert werden (Umfang und Zeitraum).

     

    Oder hat man dann Angst, dass auch die eigenen Wähler auf die Barrikaden gehen, wenn sie sehen, wie schnell man verdächtig werden kann?

  • JB
    J. Berger

    wir leben in Deutschland und in Europa und haben nicht vor jedem und allem Angst. Vorratsdatenspeicherung ist doch bloss eine andere Bezeichnung fuer Stasi-Arbeit...

  • HW
    Heinrich Wawerka

    "Ich will keinen Polizeistaat, ich will auch keine allgemeine Hochrüstung.""

     

    Kommt drauf an, was man unter einem Polizeistaat versteht, Herr Ahlhaus. Nach meinen Kriterien wollen Sie genau das. Sie wollen die gesamte Kommunikation eines jeden Bürgers anlasslos jederzeit vollständig überwachen können. Das ist eines Polizeitstaates durchaus würdig.

  • AD
    Arne Dahlhus

    Ich will auch weder einen CDU- noch einen CDU-Polizeistaat. Deshalb muß es endlich eine wirksame Gesetzgebung gegen die parteien- und institutionsinterne Korruption und Kriminalität geben. Prinzip: Einmal korrupt/kriminell und 'raus bist Du. Korrupte Parteien z.b. sind wie kriminelle Vereinigungen zu behandeln, ihre schwarzen Kassen sind wie Mafiaprofite ersatzlos einzuziehen, korrupte Funktionäre wie Mafiapaten zu behandeln und zu verurteilen. Korrupte Parteien gehören ausnahmslos verboten, auch wenn und gerade weil sie Regierungsbeteiligung innehaben.

    Wer sich nicht selbst für sein kriminelles Handeln zu kriminalisieren bereit ist, hat auch keinen Anspruch darauf, es bei anderen zu tun. Legitimität muß wieder zur Richtschnur für Gesetzgebung werden, nicht Opportunität.