Schünemann zu Vorratsdatenspeicherung: "Das Schicksal missbrauchter Kinder"
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann macht Druck auf die Justizministerin. Man brauche die Vorratsdatenspeicherung – für den Kampf gegen Islamisten und gegen Kindesmissbrauch.
HAMBURG/BERLIN dpa/dapd/taz | Die FDP lässt durchblicken, für Kompromisse bei der Vorratsdatenspeicherung offen zu sein. Ihr innen- und rechtspolitischer Sprecher, Hartfried Wolff, sagte: "Für konstruktive Lösungen bin ich zu haben, den Vorschlag werden wir daher gründlich prüfen", sagte der Innen- und rechtspolitische Experte der FDP-Bundestagsfraktion, Hartfrid Wolff. Bedingung sei jedoch eine anlassbezogene Speicherung. Die Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), steht der Vorratsdatenspeicherung ablehnend gegenüber. Leutheusser-Schnarrenberger setzt sich anstelle dessen für das so genannte Quick-Freeze-Verfahren ein, eine Methode, bei der Daten erst bei einem konkreten Anlass gespeichert und verwendet werden dürfen.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat Leutheusser-Schnarrenberger jetzt mit dem Argument "Auch wer nicht handelt, macht sich schuldig" angegriffen: "Obwohl die Terrorbedrohung wächst, weigert sich die Bundesjustizministerin seit Monaten hartnäckig, die Vorratsdatenspeicherung zu ermöglichen", so Schünemann in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Neben dem Kampf gegen "islamistische Terroristen" wäre die Vorratsdatenspeicherung auch für den "Kampf gegen den Kindesmissbrauch" notwendig. Schünemann, auch Sprecher der unionsgeführten Innenressorts der Länder, hielt der FDP-Ministerin Untätigkeit vor. Auch auf jüngste Kompromisssignale des Bundesinnenministeriums habe das Justizministerium zurückhaltend reagiert.
"Selbst wenn sie die Terrorgefahr ignoriert, muss sie doch wenigstens das Schicksal missbrauchter Kinder berühren", klagte Schünemann und forderte Leutheusser-Schnarrenberger zum Handeln auf. "Aufgrund dieser Schutzlücke konnte das Bundeskriminalamt allein im Bereich der Kinderpornographie mehr als 70 Prozent der Fälle nicht aufklären", so der niedersächsische Innenminister. Zwar verbiete die Verfassung unverhältnismäßige Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. "Doch wer den Sicherheitsbehörden notwendige Befugnisse verwehrt und Gefahren ignoriert, der handelt ebenfalls verfassungswidrig", so Schünemann.
Das "anlasslose pauschale Speichern von Daten" sei verfassungswidrig, sagte der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, dem Hamburger Abendblatt. Das Bundesverfassungsgericht habe die umstrittene Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten jedoch nicht grundsätzlich untersagt. "Die Vorratsdatenspeicherung für sechs Monate kann unter strengen Voraussetzungen durchaus im Einklang mit dem Grundgesetz stehen, etwa wenn es um die Aufklärung besonders schwerer Straftaten oder um die Gefahrenabwehr geht." Verfassungswidrig sei jedoch "das anlasslose pauschale Speichern von Daten".
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte am Mittwoch angekündigt, er sei bei der Mindestspeicherfrist für Telefon- und Internetverbindungsdaten, dem Umfang der Speicherung sowie möglichen Zugriffshürden für die Strafverfolger kompromissbereit. Das Quick-Freeze-Verfahren, bei dem Daten erst bei einem konkreten Anlass gespeichert und verwendet werden dürfen, lehnt de Maizière als "wirkungslos" ab.
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