Streit um Relaunch von Zeitschrift "Literaturen": Verleger weist Löffler-Kritik zurück

Nach Sigrid Löfflers lautem Abschied steht bei der Zeitschrift "Literaturen" ein Relaunch an - laut Geschäftsführer Merschmeier aber keine Boulevardisierung.

"Boulevardisierung einer ganz normalen Personalie": Sigrid Löffler verlässt "Literaturen" Bild: dpa

Es findet eine Veränderung statt bei der Zeitschrift Literaturen, und man kann sie bereits sehen: viele leere Räume, Handwerker. Die Redaktion zieht um.

Was man nicht sehen kann, ist entscheidender für die Aufmerksamkeit, die Michael Merschmeier, Verleger und Geschäftsführer des Friedrich-Berlin-Verlags, in dem die Monatsfachzeitschrift erscheint, in diesen Tagen bekommt: Sigrid Löffler, die 66-jährige Herausgeberin und Mitbegründerin der Literaturen, die profilierte Kritikerin, wird sie zum Jahresende verlassen.

Schon als sie einst das "Literarische Quartett" im ZDF verließ, schwenkte sie zum Abschied nicht sektselig ihr Taschentuch. Und auch ihr Abschied von Literaturen, rechtzeitig vor dem Relaunch, ist unterlegt mit Nebengeräuschen: "Wenn aus dem kritischen Magazin jetzt ein Wohlfühl- und Service-Heft werden soll, dann ohne mich", sagte sie dem Spiegel. Ihre Kritik an der "Boulevardisierung" griff der Tagesspiegel auf. Und der taz sagte sie: "Wenn eine Änderung der Blattlinie in diese Richtung beabsichtigt ist, dann kann ich dafür nicht zur Verfügung stehen."

Michael Merschmeier aber sagt: "Ich weiß nicht, was Frau Löffler mit Boulevardisierung meint. Wir können das auch gar nicht. Das ist, als würde die taz jetzt das Handelsblatt machen wollen." Was er selbst "Boulevardisierung" nennt, sei der Aufruhr um Löfflers Weggang: "die Boulevardisierung einer ganz normalen Personalie", sagt er. Ihr Vertrag laufe ohnehin aus. Man habe ihn nur nicht verlängert.

Die Auseinandersetzung bei den Literaturen handelt tatsächlich von mehr als der Frage, wer die besseren Zuspitzungen auf Lager hat - Merschmeier oder Löffler. Sie hat eine Diskussion über die Literaturkritik angestoßen. Und man kann sich trefflich darüber streiten, ob eine wichtige Entwicklung verschlafen wurde, etwa die Öffnung für das Internet - oder eine falsche angestoßen, etwa die Orientierung an Servicebedürfnissen und den Vorgaben des Buchmarkts.

Die Leserzahlen von Literaturen jedenfalls, eines Hefts, das - anders als etwa das seit Donnerstag erscheinende neue Zeit Literatur - die Kritik ins Zentrum rückt, sind seit dem Start 2000 zurückgegangen. 30.000 Hefte verkaufte man anfangs, später 20.000, nun etwa 14.000. Merschmeier, der als Kritikergearbeitet hat und Romane schreibt, dem man kaum vorwerfen kann, beim Wort "Lesen" nur an Bilanzen zu denken, sagt: "Wir müssen wieder 5.000 mehr verkaufen." So einfach. So schwierig.

Man müsse daher "eine Fein- und Nachjustierung vornehmen, sonst werden wir irgendwann die Kraft der Marke verlieren", sagt er. Die Lesergruppen hätten sich schließlich ebenso verändert wie das Mediennutzungsverhalten: "Das bildungsbürgerliche Milieu ist nicht mehr so breit wie es einmal war", sagt er; man könne "nicht mehr so viel voraussetzen wie früher." Man müsse "die einen informieren, ohne die anderen zu langweilen" - und nennt das die Stärkung des "vermittelnden Elements". Die "Navigation im großen Wald des literarischen Lebens".

Das Porträt eines Schriftstellers solle ein Porträt sein, keine verkappte Buchrezension. Und Print- und Onlinesegment will er - längst übliche Praxis im Journalismus - verzahnen. Bisher sieht die Webseite www.literaturen.de aus wie eine Probeversion ihrer selbst. Sie sieht so aus, wie man vor Jahren einmal Webseiten baute, als die Erkenntnis, dass man im Netz im Sinn des neuen Mediums Inhalte transportieren kann, noch nicht verbreitet war. Es werde aber "sicher nicht so sein, dass wir versuchen, im Internet mit der Aktualität der Tageszeitungen zu konkurrieren", sagt Merschmeier.

Ob seine Pläne zu einer Oberflächlichkeit im Umgang mit Literatur führen, gegen die sich Sigrid Löffler auch zu anderen Zeiten schon gewandt hat? Nach Boulevardisierung klingt das alles jedenfalls nur bedingt. Man wird sehen, was Löffler meinte, als sie davon sprach. Im Mai, nach dem Relaunch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.