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Streit um Neonazi-Datei beendetKeine Speicherung nur auf Verdacht

Der Koalitionsstreit um die geplante Neonazi-Datei ist beigelegt. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger setzte durch, dass nur die Daten von verurteilten Rechtsextremen gespeichert werden.

Demonstrieren allein genügt nicht, um aufgelistet zu werden: Neonazis auf einer Demonstration im September. Bild: dpa

BERLIN dpa | Das CSU-geführte Bundesinnenministerium und das Justizministerium von FDP-Ministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger haben ihren Konflikt über die geplante Neonazi-Datei weitgehend beigelegt. Beide Ressorts befinden sich nach Aussage ihrer Sprecher in abschließenden Gesprächen. Es sei weiter davon auszugehen, dass ein entsprechender Gesetzentwurf noch im Januar dem Kabinett vorgelegt werde, hieß es übereinstimmend am Mittwoch in Berlin.

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) soll das Innenministerium für den Kompromiss Abstriche an seinen ursprünglich weitgehenden Plänen in Kauf nehmen. Das Projekt solle, wenn irgend möglich, am 11. Januar im Bundeskabinett verabschiedet werden, spätestens aber am 18. Januar.

Mit dem gemeinsamen Datei-Projekt von Bund und Ländern will Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Konsequenzen aus den Pannen ziehen, die der Polizei und dem Verfassungsschutz bei der Fahndung nach der neonazistischen Zwickauer Terror-Zelle unterliefen. Das Justizministerium, dem der ursprüngliche Plan zu weit ging, habe nun Änderungen durchgesetzt, berichtete die SZ.

Daten von "gewaltbezogenen" Neonazis

So habe sich Leutheusser-Schnarrenberger an dem Vorschlag Friedrichs gestoßen, nicht nur gewalttätige, sondern auch Daten über "gewaltbereite" Neonazis zu speichern. Im überarbeiteten Gesetzestext heiße es nun, es gehe um Daten von "gewaltbezogenen" Neonazis. Auch sollen nur Daten beschuldigter oder verurteilter Rechtsextremer gespeichert werden, nicht die von Verdächtigen.

Friedrichs Pläne, die für Polizei- und Verfassungsschutzämter gesetzlich festgelegten Speicherfristen für Daten auffälliger Rechtsextremisten von 10 auf künftig 15 Jahre zu verlängern, sind laut SZ komplett am Widerstand des Justizministeriums gescheitert.

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10 Kommentare

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  • C
    Celsus

    Zunächst einmal finde ich es gut, dass diese Daten erfasst werden. So richtig Sinn machen die Daten aber nur, wenn davon in irgendeiner Weise Gebrauch gemacht wird und der Staat nach Befriedigung seiner Sammelwut nicht schon wieder auf der Zuschauerbank verschwindet.

     

    Und die ganze Sammlung macht nur Sinn, wenn die Politiker mal in die Puschen kommen beim Verbotsantrag, so dass dann die Kenntnis dieser Daten einem Zweck zugeführt werden kann. Es kann doch nicht so schwer sein, mal das Parteiprogramm zum Beispiel der NPD zu lesen und da einen Verbotsantrag durchzubekommen. Nach dem Einleitungssatz in deren Programm, dass es um "Sein oder Nichtsein des Deutschen Volkes" gehe, hat das Programm nach meiner Auffassung noch vieles zu bieten, von dem eine kämpferische Gesinnung gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland abgeleitet werden kann.

     

    Beschäftigt die Innenministerien keine guten Juristen mehr? Ist das alles nur noch Vitamin B in höheren Sphären? Sonst dürfte ein Verbotsantrag doch nicht so ein Problem bereiten. Sorgfältig und zügig sollten die das machen.

  • MN
    mein Name

    @juhela

     

    Hast du mal dran gedacht, daß es vielleicht nicht die Ordnertätigkeit auf ner Demo bei der Dame war, sondern, daß irgendwas anderes strafrechtlich relevantes vorlgelegen haben könnte?

    Meinst du, daß deine Freunde dir sowas auf die Nase binden?

     

    Bei der Datei geht es auch um ganz andere Sachen als im strafrechtlichen Bereich. Die Polizeidateien haben nur Daten zu Abgeurteilten.

    Der VErfassungsschutz, hat Daten von allen, wenn sie aufgefallen sind. Wobei "Auffallen" ein weit gefasster Begriff ist. Woher die Daten des VS kommen, dürfte die Polizei so häufig gar nicht gehen. Schnüfflerdatei!

  • S
    Saugnapf

    Ach so, potentielle Gewalttäter dürfen nicht extra gespeichert werden wegen eines Verdachtes.

     

    Aber harmlose Bürger wegen der Content-Mafia schon, zumindest forden das die Lobbyisten der Unterhaltungskonzerne.

     

    Pervers !

  • J
    Jörn

    Niemand würde annehmen, dass es keine Speicherung von Leuten gibt, die verdächtigt werden, "schlafende" Linksterroristen oder Islamisten zu sein. Wer Bomben baut und der linken Szene zugerechnet wird, gilt sofort als Terrorist. Wenn Neonazis Bomben bauen, gilt das als straflose Vorbereitungshandlung - "leider" nichts nachweisbar, weil man nichts nachweisen will.

     

    Es bleibt also alles beim Alten. Rechtsextreme Gewalt wird verharmlost. Wenn einfach nur irgend jemand halb tot geprügelt wurde und Hakenkreuze am Tatort für einen Schluss auf einen rechtsextremen Hintergrund natürlich nicht reichen, wird auch niemand in die Datei eingetragen werden.

     

    Der Verfassungsschutz muss von unabhängigen Ermittlern untersucht werden. Die entsprechenden Abteilungen, die den Rechtsterrorismus unterstützen und fördern müssen aufgelöst werden. Kriminelle Vorgänge müssen dort konsequent zur Anklage gebracht werden. Dies gilt auch für V-Leute, die mehr als zulässig gemacht haben, die Informationen nur gefiltert weitergegeben haben oder die ihren Überwachungsauftrag innerhalb der Szene verraten haben.

    Nur wenn dieser Sumpf trocken gelegt wird, gibt es eine Chance den Rechtsterrorismus zu bekämpfen. Eine Neonazi-Datei wird keinerlei Hilfe darstellen. Sie wäre nicht nur extrem lückenhaft. Selbst wenn ein Nezonazi auf Grund der Datei identifiziert würde, würde die schützende Hand des Verfassungsschutzes eine Verfolgung der Straftaten auch weiterhin verhindern.

  • N
    NormalBürger

    @Dings

    "Das kann man bei Nazis ja nicht einfach so sagen."

     

    Ich hätte da mal folgende Frage: Ab wann ist man denn ein "Nazi" oder ganz böse ein "Neo-Nazi"?

     

    Mir kommt es so vor als wenn dieser Begriff einfach viel zu inflationär verwendet wird.

  • D
    Dings

    "Gewalttäter Sport" war auch das erste was mir dazu einfiel. Da reicht es aus "zur falschen Zeit am falschen Ort" zu sein um einen leckeren Dateieintrag zu bekommen. Aber Fussballfans sind ja auch von Grund auf schlechte Menschen. Das kann man bei Nazis ja nicht einfach so sagen.

  • F
    FMH

    Was also bei Leuten, die eventuell Hooligans sein könnten mit der "Gewalttäter Sport"-Datei überhaupt kein Problem war und trotz kratastrophaler datenrechtlicher Lage fortgesetzt wird, ist bei Nazis und vermeintlichen solchen plötzlich unmöglich.

    Schon klar, wir haben verstanden.

  • J
    juhela

    Der Überwachungsstaat ist längst da. Die Frage ist nur wer, was, wann und aus welchem Grund speichert. Beispiel gefällig? Bitte sehr. Eine junge Frau aus Hessen fährt nach Bayern zu einer Demonstration gegen einen Naziaufmarsch. Sie gerät in eine Personenkontrolle - wohlgemerkt vor der Demonstration, also reine Routinesache - und die nette Polizistin, die die Personalien feststellt fragt ihren Kollegen: "Haben wir etwas vorliegen". Antwort: "Ja, aber nur Kleinigkeiten". Was versteht man unter Kleinigkeiten? Nun, die junge Frau hat bereits an mehreren solcher Veranstaltungen teilgenommen und war in einem anderen Bundesland auch schon als Ansprechpartner oder Ordner bei der Polizei angemeldet. Diese Informationen werden also von der Polizei schon jetzt gespeichert unter dem Begriff "Einträge".In diesen Kleinteilen klappt der Informationsfluss scheinbar problemlos. Es handelt sich ja auch vielleicht um eine "Linke". Gleichzeitig wird ein verurteilter Neonazi, er hatte mit einem Klappspaten auf ein schlafendes Kind eingeschlagen, vom Gericht in Kassel aus der Untersuchungshaft entlassen - er hatte Revision gegen das Urteil eingelegt - obwohl, bereits wegen einer anderen Gewalttat Anklage gegen ihn erhoben wurde. Begründung: Leider wurde das zuständige Gericht in Kassel nicht über diese neue Anklage informiert. Zwei Gerichte im gleichen Bundesland ca. 80 km voneinander entfernt. Tauschen die ihre Informationen per Postkutsche aus, oder liegt es vielleicht doch daran, dass es sich hier eben nicht um eine gefährliche "Linke" handelt, sondern NUR um einen rechtsextremen Gewalttäter.

  • T
    Tomate

    Wieder mal verhindert, dass ein Stück Überwachungsstaat eingeführt wurde - mit einem baufälligen trojanischen Pferd ("Kampf gegen den Rechtsextremismus").

     

    Wenn man wirklich was gegen Nazis tun will, dann sollte erst mal unseren Inlandsgeheimdienst - den Verfassungs-"Schutz" - auflösen.

  • W
    Webmarxist

    Es darf überhaupt keine Neonazi-Datei geben. Denn wie sollen ein Aussteiger aus der rechten Szene herausfinden, ob Sie aus dieser Datei gelöscht wurden sind.