Streit um Nazisymbol in Kirchturm: Hitler-Glocke soll abgehängt werden
Erst sorgte die bloße Existenz der Nazi-Glocke in Schweringen für Streit, dann wurden mit einem Winkelschleifer Fakten geschaffen. Nun soll sie ganz weg.
Der Umgang mit der Glocke hatte in dem 800-Einwohner-Dorf für heftigen Streit gesorgt. Gemeindepastor Jann-Axel Hellwege hatte eine Entscheidung des Gemeindevorstands angefochten, der die Glocke behalten und weiter nutzen wollte. Die 1934 gegossene und aufgehängte Glocke war im Herbst stillgelegt worden. Kurz vor Ostern wurde sie von Unbekannten beschädigt, die heimlich das 35 mal 35 Zentimeter große Hakenkreuz und Teile einer nationalistischen Inschrift mit einem Winkelschleifer weggeschliffen. Die Glocke ist seitdem unbrauchbar. Die Polizei nahm die Ermittlungen auf.
In dem jetzt gefassten Beschluss heißt es: „Der Kirchenkreisvorstand des Kirchenkreises Nienburg ist der festen Überzeugung, dass eine Glocke, die mit einem Hakenkreuz und einer nationalsozialistischen Inschrift versehen ist, grundsätzlich nicht zu Gottesdienst, Andacht und Gebet geläutet werden darf.“ Das Gremium beruft sich dabei auf die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit, erläuterte Lechler. Darin gebe es eine klare Absage, die kirchliche Botschaft mit weltanschaulichen oder politischen Überzeugungen zu vermischen.
Mitglieder der Kirchengemeinde kritisierten das Vorgehen der Landeskirche. Die Geschichte sei für die Schweringer noch nicht zu Ende, sagte der Vorsitzende des Kapellenvorstands, Andreas Kuhlmann. Er bemängelte, dass der Gemeinde zunächst das Recht zugestanden worden sei, selbst zu entscheiden. Nachdem die Entscheidung nicht im Sinne der Landeskirche ausgefallen sei, habe sie ihr dieses Recht wieder streitig gemacht: „Nachdem wir die Entscheidung an den Kirchenkreisvorstand übertragen haben, hat es bereits erste Kirchenaustritte gegeben.“
Ähnlich äußerte sich eine Kirchenvorsteherin, die namentlich nicht genannt werden wollte. Fast alle Schweringer hätten die Glocke behalten wollen. Sie bezweifelte, dass die Glocke tatsächlich so stark beschädigt sei, dass sie nicht mehr geläutet werden könne. Auch Pastor Hellwege betonte: „Das Zusammenspiel innerhalb der Kirche, wie man Lösungen findet, ist hier denkbar schiefgelaufen.“
Superintendent Lechler sagte, für den Guss einer neuen Glocke habe die Landeskirche eine Kostenübernahme angeboten. Der Kirchenkreisvorstand sei dafür sehr dankbar: „Auch vor dem Hintergrund unserer Überzeugung, dass die Aufarbeitung unseres historischen Erbes eine gesamtkirchliche Aufgabe ist.“ Schätzungsweise ein mittlerer fünfstelliger Betrag müsse für den Guss samt Einbau veranschlagt werden. Was langfristig mit der alten Glocke, die als Denkmal eingestuft sei, passiere, werde der Kirchenkreisvorstand gemeinsam mit dem Kapellenvorstand beraten.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens