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Streit um LohnuntergrenzenUnion ohne Eile beim Mindestlohn

Frühestens im Herbst könnten die Gesetze fertig sein, sagt CDU-Experte Ralf Brauksiepe.

Die SPD will den Mindestlohn möglichst bald, die Union zögert Bild: ap

BERLIN taz Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis in weiteren deutschen Wirtschaftsbranchen ein Mindestlohn eingeführt wird. Vor der Sommerpause diesen Jahres sei damit keinesfalls zu rechnen, sagte Ralf Brauksiepe, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gestern der taz. Frühestens im Herbst 2008 könnte demnach das Bundeskabinett über einen Gesetzentwurf beschließen. Die SPD dagegen will das Vorhaben "schnell" voranbringen, wie Stefan Giffeler, der Sprecher von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, unlängst erklärte.

Scholz hat gerade zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Politiker der Union und der SPD haben darüber am vergangenen Mittwoch erstmals beraten. Die Entwürfe für das neue Entsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingungsgesetz sollen die Basis dafür schaffen, dass Lohnuntergrenzen in weiteren Branchen festgesetzt werden. Bislang gibt es Mindestlöhne nur in der Bauwirtschaft, bei den Gebäudereinigern und bei der Post. Die SPD macht auch deshalb Druck, weil sie das Thema für die Wahlkämpfe 2008 und 2009 nutzen will. Viele Politiker der Union lehnen Mindestlöhne dagegen ab - wenn auch in unterschiedlicher Schärfe.

Brauksiepe gehört zu denen, die die SPD nicht vor den Kopf stoßen. Der 40-jährige Abgeordnete des Wahlkreises Ennepe-Ruhr in Nordrhein-Westfalen sagt: "Wir stehen zu der Verabredung, die wir mit der SPD getroffen haben." Die große Koalition mache "potenziell jeder Branche ein Angebot". Dieses Prozedere allerdings nehme einige Zeit in Anspruch, so Brauksiepe.

Bis zum 31. März 2008 haben Gewerkschaften und Arbeitgeber erst einmal Zeit, Anträge auf Mindestlohn beim Arbeitsminister einzureichen. Dort prüft dann der Tarifausschuss, der, so Brauksiepe, spätestens bis Ende Juni zum Ergebnis kommen muss. Weil der Bundestag im Juli und August Sommerpause macht, kann das Gesetzgebungsverfahren erst im September weitergehen. Dies gelte nicht nur für das Entsendegesetz, sondern in ähnlicher Weise auch für das Mindestarbeitsbedingungsgesetz, sagte Brauksiepe. Dann aber wirft der große Wahlkampf seine Schatten voraus, denn 2009 findet die Bundestagswahl statt. Brauksiepe: "Je näher die Wahl, desto mehr guter Wille ist auf beiden Seiten erforderlich."

Verzögerungstaktik? Die Möglichkeit dazu besteht an vielen Stellen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der die Verhandlungsführung für die Union übernimmt, wird kein Gegenargument außer Acht lassen. Das wirtschaftsfreundliche Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) wies schon einmal darauf hin, dass der Mindestlohn bis zu 4 Millionen Arbeitsplätze gefährde. Da mag die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD ruhig ein Gegengutachten präsentieren, wie unlängst geschehen - die Einführung von Mindestlöhnen wird dadurch nicht unbedingt wahrscheinlicher.

Brauksiepe warnte den Koalitionspartner denn auch: Wenn die SPD den Mindestlohn "Branche für Branche durchkämpfen" wolle, sei dies "nicht vorgesehen".

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3 Kommentare

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  • H
    Hafize

    Der Mindestlohn ist eine Krücke, kein Allheilmittel. Ein Familievater kann mit einem Mindestlohn nach geltendem DGB-Tarif eine Familie nicht mehr ernähren. Entweder er macht zusätzlich einen 400-EURO-Job oder er geht zur ARGE und stellt einen Antrag auf ergänzendes Hartz-IV. Tut er das, kann er keine 400-EURO mehr zusätzlich verdienen. Ein Single in Cotbus mag mit den ?7,50 zurecht kommen, aber wie sieht es mit einem Facharbeiter in München aus?

    Der Mindestlohn ist nicht nur Wahlkampfthema für die SPD, sondern auch deren Eingeständnis, dass ihre Hartz-Reformen nicht das gewünschte Ergebnis bringen: Senkung der Arbeitslosigkeit.

    Gerät ein Mensch, der jahrelang auf dem Hartz-Mindestlohnniveau gearbeitet hat, ins Rentenalter, muss er mit großer Wahrscheinlich wieder ergänzendes Hartz- oder Sozialgeld beantragen. Der Staat kann also theoretisch für diesen Rentern noch 20 oder 30 Jahre ergänzend aufkommen. Das wird ab 2030 sehr häufig vorkommen und die Menschen, die das dann zahlen sollen, werden Peter Hartz und Gerhard Schröder verfluchen.

    Ich kann nicht verstehen, warum die SPD dieses Thema puscht, wenn sie die Ursachen davon selber ausgelöst hat und die Menschen heute ärmer sind als 1998 ...

  • H
    Hafize

    Der Mindestlohn ist eine Krücke, kein Allheilmittel. Ein Familievater kann mit einem Mindestlohn nach geltendem DGB-Tarif eine Familie nicht mehr ernähren. Entweder er macht zusätzlich einen 400-EURO-Job oder er geht zur ARGE und stellt einen Antrag auf ergänzendes Hartz-IV. Tut er das, kann er keine 400-EURO mehr zusätzlich verdienen. Ein Single in Cotbus mag mit den ?7,50 zurecht kommen, aber wie sieht es mit einem Facharbeiter in München aus?

    Der Mindestlohn ist nicht nur Wahlkampfthema für die SPD, sondern auch deren Eingeständnis, dass ihre Hartz-Reformen nicht das gewünschte Ergebnis bringen: Senkung der Arbeitslosigkeit.

    Gerät ein Mensch, der jahrelang auf dem Hartz-Mindestlohnniveau gearbeitet hat, ins Rentenalter, muss er mit großer Wahrscheinlich wieder ergänzendes Hartz- oder Sozialgeld beantragen. Der Staat kann also theoretisch für diesen Rentern noch 20 oder 30 Jahre ergänzend aufkommen. Das wird ab 2030 sehr häufig vorkommen und die Menschen, die das dann zahlen sollen, werden Peter Hartz und Gerhard Schröder verfluchen.

    Ich kann nicht verstehen, warum die SPD dieses Thema puscht, wenn sie die Ursachen davon selber ausgelöst hat und die Menschen heute ärmer sind als 1998 ...

  • H
    Hafize

    Der Mindestlohn ist eine Krücke, kein Allheilmittel. Ein Familievater kann mit einem Mindestlohn nach geltendem DGB-Tarif eine Familie nicht mehr ernähren. Entweder er macht zusätzlich einen 400-EURO-Job oder er geht zur ARGE und stellt einen Antrag auf ergänzendes Hartz-IV. Tut er das, kann er keine 400-EURO mehr zusätzlich verdienen. Ein Single in Cotbus mag mit den ?7,50 zurecht kommen, aber wie sieht es mit einem Facharbeiter in München aus?

    Der Mindestlohn ist nicht nur Wahlkampfthema für die SPD, sondern auch deren Eingeständnis, dass ihre Hartz-Reformen nicht das gewünschte Ergebnis bringen: Senkung der Arbeitslosigkeit.

    Gerät ein Mensch, der jahrelang auf dem Hartz-Mindestlohnniveau gearbeitet hat, ins Rentenalter, muss er mit großer Wahrscheinlich wieder ergänzendes Hartz- oder Sozialgeld beantragen. Der Staat kann also theoretisch für diesen Rentern noch 20 oder 30 Jahre ergänzend aufkommen. Das wird ab 2030 sehr häufig vorkommen und die Menschen, die das dann zahlen sollen, werden Peter Hartz und Gerhard Schröder verfluchen.

    Ich kann nicht verstehen, warum die SPD dieses Thema puscht, wenn sie die Ursachen davon selber ausgelöst hat und die Menschen heute ärmer sind als 1998 ...