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Streit um LernkonzeptEltern protestieren gegen Schulleitung

Zahlreiche Schulen wollen das jahrgangsübergreifende Lernen (JÜL) abschaffen. Die Elternvertreter der Thalia-Schule sind aus Protest zurückgetreten.

Selbst Hunde sind beim jahrgangsübergreifenden Lernen mit Feuereifer dabei. Bild: dapd

Auf der Halbinsel Stralau in Friedrichshain ist alles ein bisschen grüner. Die Umgebung, die Wähler und das neue Schulgebäude der örtlichen Thalia-Grundschule. Letzteres war Auslöser dafür, dass die Elternvertreter der Schule vor den Ferien rot sahen. Am Montag trat die Mehrheit von ihnen zurück. Aus Protest gegen die Schulleitung, die begonnen hatte, das grüne Gebäude, in dem die Kinder der ersten und zweiten Jahrgänge lernen, räumen zu lassen, damit es im neuen Schuljahr nur noch als Hort genutzt wird. Aus Sicht der Eltern steht weit mehr auf dem Spiel: „Unter dem Deckmantel eines Umzugs versucht der Direktor das jahrgangsübergreifende Lernen zu unterminieren“, sagt Axel Stein, dessen Söhne die Schule besuchen.

Das jahrgangsübergreifende Lernen (Jül), hatte die rot-rote Regierung 2005 im Schulgesetz verankert, als sie die Schulanfangsphase reformierte. Die Idee: Die Kinder werden früher eingeschult, sollen aber individueller lernen ohne Sitzenzubleiben. Den Rahmen dafür bieten nicht mehr Klassen, sondern Lerngruppen, in denen Kinder unterschiedlichen Alters mit und voneinander lernen sollen.

Anhaltende Kritik

Weil die Kritik an den gemischten Gruppen nie verstummte, gestattete Ex-Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Schulen 2011, auf Antrag von Jül abzurücken. Nach Auskunft des Sprechers von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD), bleiben rund 300 Schulen im kommenden Schuljahr beim Jül-Konzept, 71 kehren zum jahrgangsreinen Lernen zurück. Auch die Schulleitung der Thalia-Schule trägt sich mit diesem Gedanken.

Doch die betroffenen Eltern und Lehrer, die vor drei Jahren, als die Thalia-Schule jahrgangsgemischte Gruppen einführte, noch skeptisch waren, sind nun mehrheitlich dafür. „Mit Jül hat ein moderner Ansatz Einzug gehalten. Lehrer schauen viel mehr aufs Kind, es gibt kaum noch Frontalunterricht“, sagt Elternvertreter André Wullstein.

Schuldirektor Wolfgang Kirschstein eröffnete Eltern 2007 beim Tag der Offenen Tür, man lehne das Konzept aus pädagogischen Gründen ab und habe keine geeigneten Räume.

Nun hat die Schule den Umzug gestoppt und will eine Moderation einschalten, um den Konflikt mit den Eltern beizulegen. Heißt: im August werden Erst- und Zweitklässler weiter gemischt lernen. Im grünen Gebäude.

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17 Kommentare

 / 
  • E
    egal

    Oh mein Gott, man kann es ja nicht mehr mit anhören. Was tut ihr denn gutes außer eine bisher gute Schule und ihr Team zu zerstören. Habt ihr mal alle Eltern gefragt, ich denke NEIN. Was sollte denn der Alleingang von euch "ehrenwerten" Elternvertretern.

    Wenn die Schule so Schei.. ist, warum geht ihr dann nicht, es gibt doch genug andere. Habt ihr vielleicht auch mal eure Kinder gefragt ob es ihnen gefällt, ich denke das ist doch die Hauptsache und nicht ob es euch passt. Unsere Kinder sind den ganzen Tag dort und fühlten sich doch bisher gut. Man kann auch mal aufhören mit stänkern, oder macht es euch Spaß, weil ihr keine anderen Hobbys habt?

  • VL
    vergebliche Liebesmüh

    @Stralauer Nixe:

     

    Ein „Zuviel an Freiheit“ gibt es nicht. Sie outen sich als Feind der Demokratie. Sorry, das mit dem totalitären Regime ist vorbei und hat auch nicht geklappt. (Unfaire Gegenfrage zu Ihren ebenso unfairen Fragen: Interessieren Sie sich für Mauertote, die nach den Schüssen eine Stunde lang verbluten mussten? – Aber egal, bleiben Sie bitte bei der Sache.)

     

    Abgesehen davon gibt es unter Ihren Vorfahren garantiert Nicht-Berliner. Forschen Sie mal nach, wohin Sie zurück ziehen müssten, würden Sie Ihre diskriminierende Haltung konsequent bei sich selbst anwenden.

     

    So weit ich mich erinnere, hieß der Charme von Alt-Stralau lange Zeit „Industriegelände“, und man könnte sich einfach mal für die neuen Nachbarn interessieren und schauen, was sie der Insel Gutes tun.

  • SN
    Stralauer Nixe

    Ich entschuldige zunächst mich bei der Firma "Stralauer Nixe", dies war nicht meine Absicht und ich handelte diesbezüglich unwissend.

     

    @böse Eltern

    Zitat:"...Aber wir wohnen jetzt hier und uns ist es ziemlich egal, ob das irgendwelchen Alteingesessenen (oder denen, die sich dafür ausgeben) passt...."

     

    Genau, die Attribute die Sie meiner Person in der vorangegangenen Passage zu ordnen:arrogant, unwissend und unerzogen, widerspiegeln sich in diesem/Ihrem Satz in vollem Glanze.

     

     

    "...Den Erziehern rufe ich zu - und tschüss!..."

     

    Ich bin gespannt, wie Sie und und alle anderen Eltern dann zukünftig ohne die Arbeit dieser Menschen zurecht kommen wollen bzw. es dann sehr wahrscheinlich müssen.

     

    "...Übrigens, die von Ihnen angeprangerten Zustände andernorts, können Schulleitung, Erzieher und Lehrer beheben, wenn Sie sich an eben diese Brennpunktschulen versetzen lassen. Keine bösen Eltern mehr..."

     

    Das und ich unterstreiche es, ist, für meine Begriffe, absurd, impertinent und es unterstreicht Ihre Ahnungslosigkeit in vollem Maße.

     

    "...angeprangert...", so wie Sie es bezeichnen, habe ich rein gar nichts, den das ist ja auch ihr Part.

  • SV
    Stefanie Viezens

    Leider wurden hier zum Thema " Grundschule Stralau " einige Kommentare unter dem Nicname Stralauer Nixe" abgegeben.

    Hiermit stelle ich richtig : unser Firmenname Lautet Stralauer Nixe und ich distanziere mich auf's deutlichste von den hier geschriebenen Worten!!!!!!!

     

    Stefanie Viezens

    Frisierstübchen "Stralauer Nixe"

  • BE
    Böse Eltern

    @Stralauer Nixe

     

    die Eltern nehmen ihre demokratischen Rechte war, die ihnen per Gesetz zustehen. Auch wenn dies der Schulleiter nicht einsehen mag.

    Der Rest Ihres Beitrages ist geprägt von Arroganz, Unwissenheit und Unerzogenheit.

    Wenn die Eltern permanent unzufrieden sind, könnte es ja an den Erziehern, Lehrern und der Schulleitung liegen.

    Selbstreflektion oder Selbstkritik der Schule - Fehlanzeige.

    Aber wir wohnen jetzt hier und uns ist es ziemlich egal, ob das irgendwelchen Alteingesessenen (oder denen, die sich dafür ausgeben) passt.

    Den Erziehern rufe ich zu - und tschüss!

    Übrigens, die von Ihnen angeprangerten Zustände andernorts, können Schulleitung, Erzieher und Lehrer beheben, wenn Sie sich an eben diese Brennpunktschulen versetzen lassen. Keine bösen Eltern mehr.

  • SN
    Stralauer Nixe

    Es genügt noch nicht das hier eine Art zweiter Prenzlauer Berg errichtet wurde, dass alles ursprüngliche, was den Charme von Alt Stralau durchzog kaputt gebaut wird. Durch eine derart widerliche Form von in Scharen zugezogenen Nicht-Berlinern, die Ihr Mundwerk derart aufreißen, dass man Ihre Fußsohlen durch den Schlund betrachten kann. Hinzu kommt eine phänomenale Unersättlichkeit der elterlichen Überfürsorge, die an scheinbarer Langweile, durch permanente Abgabe von Hobby-psychologischen und waldorfpädagogischen Auswürfen kaum noch zu toppen ist. Dieses Geseiere und Gegeifere über Themen und das unaufhaltsame Einmischen in jeglicher Form des Diktates.

    Eine Schulrätin sollte sich solcher Aufgaben gar nicht annehmen dürfen.

    Wer interessiert sich von den Damen und Herren, für soziale Brennpunkte und deren Schulen, für desolate Bausubstanz, für die Lohnpolitik von Erzieherinnen, für die Förderung fähiger Pädagogen, für die Inklusion von behinderten Schülern, für die hygienischen Zustände auf den Schultoiletten, für die Bezahlung von Lernmaterialien von sozial schwachen Familien,...?

    Ein topsaniertes Schulgebäude, nebst Neubau, engagierte unterbezahlte Erzieherinnen,genügend Lehrer...das alles reicht nicht? Woher kommt diese latente Unzufriedenheit ? Wahrscheinlich von einem ZUVIEL...Zuviel an Zeit, zuviel an Geld und zuvielen Freiheiten?

  • L
    Lori

    Engagierte Eltern vs. Autoritäres Regime

    ----------------------------------------

    Bzgl. Frau Neumann + Limann: Wir fragten uns anfangs auch, warum manche Eltern der Thalia-Schule solche Schwierigkeiten mit diesem Direktor haben und so eifrig sind im Schreiben von Drohbriefen, Beschwerden an Schulrat und Senat, Veröffentlichungen via Presse.

     

    Nachdem wir die Schule nun länger kennen, ist klar, mit diesem Direktor geht es nicht anders: Wer hier nicht protestiert (und nicht nur bei einer Gelegenheit!), kann eigentlich nur abgestumpft, desinteressiert, o.ä. sein.

     

    Wer sich - auch nur zaghaft - versucht, einzubringen, egal ob bei der Lösung der Personalprobleme, im Förderverein, bei der Gestaltung des Horts, wird auf üble Art und Weise ausgebootet oder brutal demotiviert. Das geschieht durch Denunziation, Absage oder Vereitelungen von Terminen, widersprüchlichste Äußerungen gegenüber unterschiedlichen Parteien, Leugnung von Problemen, Glänzen nach Oben/ Treten nach Unten usw.

     

    Das ist sehr schade, umso mehr, als die Schule aufgrund ihrer materiellen Gegebenheiten (Lage, Ausstattung etc.) und der z.T. hervorragenden Lehrerschaft noch viel mehr Potential hätte.

  • FN
    Frau Neumann

    Ein vielleicht guter kritscher Kommentar von Limann, der zum Nachdenken anregt. Aber machen wir es uns nicht ein bisschen zu einfach, das vergiftete Schulklima nun den übereifrigen Eltern zur Last zu legen? Geht es hier um Wichtigtuerei oder um Demokratie, Mitbestimmung und vor allem Information? Hätte der Rektor genau so viel erreicht, wenn er die Unterstützung und Arbeit der überengagierten Eltern nicht als Rückhalt gehabt hätte? Fragen über Fragen, die auch zum Nachdenken anregen!

  • L
    Limann

    Liebe hochgebildeten Eltern der "bildungsnahen" Schichten. Glaubt bitte nicht ihr hättet das Recht für alle Thalia-Eltern zu sprechen. Der Rektor hat einiges an der Schule erreicht, was völlig negiert wird.

    Bitte nehmt Euch etwas weniger wichtig und kämpft gegen die wirklichen Probleme der Welt. Ich bin mir sicher, dass Eure Kinder auch zur kommenden Elite gehören, wenn der Hort das grüne Gebäude übernimmt. Nicht zuletzt, da die engagierten Erzieher sie dabei unterstützen.

    Leider seid ihr überengagierten Eltern dabei das Schulklima zu zerstören.

  • A
    Alibaba

    Hier stehen tagtäglich viele Lehrer und Erzieher ihren "Mann" und kaum einer schafft es, der Mehrheit dieser Menschen das Vertrauen entgegen zu bringen , welches sie doch bekommen müssten.

    Die Idee mit der Gründung einer eigenen Schule ist doch super und holt alle mit ins Boot die wollen. Es gibt bestimmt einen Ort wo sie glücklich werden, vorausgesetzt sie können ALLES mitbestimmen.

     

    Beste Grüße

  • C
    C.Mühle

    Hallo twit,

    ich finde Ihren Beitrag sehr anregend. Ich stelle daher die scheinbar provokante Frage: "Wieso sollte, Ihrer Meinung nach, JÜL in den bisherigen Räumen stattfinden?" Ich meine diese Frage nicht provokant, sondern ich frage aus wirklichem Interesse.

    Danke für die Re.

  • T
    twit

    Dass an der Thalia selbst einfache Regeln missachtet werden, sieht man nicht zuletzt an der weiteren Entwicklung:

     

    Die Schulrätin stoppt den Umzug – der Rektor setzt ihn Minuten später fort.

    Die Schulrätin stoppt den Umzug erneut. Ab dem nächsten Tag sind mehrere Erzieher krank.

     

    Es geht nicht bloß um unterschiedliche Konzepte, sondern um Mitbestimmung vs. einen Rektor, der sich respektlos durchboxt. Jemand, der Grundschüler Kisten schleppen lässt.

     

    Das Hortkonzept wäre eine gute Sache, wenn in den neu vorgesehenen Räumen weiterhin das jahrgangsübergreifende Lernen ohne Einbußen stattfinden könnte.

  • C
    C.Mühle

    Neo, Sie haben wichtige Fragen gestellt. Für Systemtheroretkier würde ich sagen, dass die Bedeutung des Begriffs Individums in der Pädagogik darin liegt, dass es alle Hirne sich selbstorganisierende Systeme sind und Konflikte sind zyklische Systme. Interdiszipliäres Arbeiten wäre eine Variante. Außerdem sind wir Menschen in der Lage Emotionen zu zeigen, was uns maßgeblich von Borgs unterscheidet.

  • CM
    C. Mühle

    An der Thalia passiert Aufregendes. Die Schule beginnt zu lernen. Bei diesem Prozess wird sie Unterstützung brauchen. An dieser Stelle auch dem Kommentar von Neo, herzlichen Dank. Systemanalyse ist unbedingt nötig, aber eben noch viel, viel mehr, da die Systeme von Menschen gemacht werden.

    JÜL ist und war an dieser Schule ein gutes Instrument, um Lernen bei Lehrern und Erziehern anzubahnen. Lernanbahnung, zu differenziertem Unterricht. Unterricht, der die Gesetzesziele ansatzweise erreichen läßt. Jahrgangsübergreifendes Lernen ist heute gut evaluiert. Es gibt dazu Langzeitstudien und ist daher nicht irgendwie überraschend. Ebenso ist Gruppendynamik und Teambildung lange bekannt. Auch wie's geht. Die Thalia Schule hat mit ihrem Schulprofil ein hervorragendes Instrument für heutiges Lernen geschaffen, kann dieses Instrument aber nicht erkennen und in weitere Zusammenhänge bringen. Der Thalia Schule fehlt gemeinsame Haltung und gemeinsames Arbeiten. Unternehmen in Deutschland sind auf weiteren Wegen. Die Familien der Thalia Schüler erkennen dies, da die Mherzahl, sog. "bildungsnahe" Haushalte sind. Die Lehrer und Erzieher stehen nun unter hohem Zeitdruck, denn es kann passieren, dass sie von der Gesellschaft (hier: Eltern und Schüler) einfach überholt werden. Eine Bildung, die nicht mit Eltern und Schülern Schritt halten Kann, wird keinen Erfolg haben. Die Thalia Schule wird eigenverantwortliches Handeln entdecken müssen. Ich wage zu behaupten, dass nicht Thalia alleine krank. Internet und globale Entwicklung machen unsere Welt schneller und komplexer.

    Der Fahrplan ist eigentlich klar:

    Komplexität erkennen,Komplexität verringern, Instrumente schaffen, Haltung leben.

     

    Und Übrigens, liebe Kollegen der Thalia Schule, ungeschliffene Rubine sollten auf ein Samtkissen und nicht in einen Zahnputzbecher.

  • N
    Neo

    Wer hat ein Interesse daran Frontalunterricht einzuführen? Was bedeutet der Bewgriff Individum im Begriff auf einen fortschritliches Lernkonzept in der Schulpädagokig?

     

    Neo, die Unbestechlichen

     

    PS.: Hobby Systemanalytik von Systemen

  • JB
    Joachim Bessell

    Ihre Schulleitung möchte keine neuen Wege beschreiten? Dann gibt es eigentlich nur eines: Gründen Sie gemeinsam mit den fortschrittlichen Lehrerinnen und Lehrern Ihre eigene Schule!

  • ON
    O. Niedersätz

    Liebe Anna Lehmann aus Köln oder Neukölln ? Die unbekannte Halbinsel im Osten heißt Stralau ! Schöne Grüsse