Streit um Krankenhausfinanzierung: Brandbrief des Ministers an die Länder
Die Länder wollen das Gesetz zur Krankenhausfinanzierung nachverhandeln. Daraufhin droht der Gesundheitsmister damit, ganz auf sein eigenes Gesetz zu verzichten.
BERLIN taz | Vor zwei Wochen erst hat das Parlament das neue Gesetz zur Krankenhausfinanzierung mit den Stimmen von Union und FDP beschlossen; jetzt droht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), sein eigenes Werk wieder zurückzuziehen – ersatzlos. Grund sind Forderungen der Bundesländer, über bestimmte Finanzierungsinstrumente, Abschläge und Orientierungswerte nachzuverhandeln und hierzu an diesem Freitag im Bundesrat den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Die in Frage stehenden zusätzlichen Summen erreichen Milliardenhöhe; die Nachverhandlungen hätten daneben zur Folge, dass die Reform der Entgelte in der Psychiatrie, die in demselben Gesetz geregelt wird, zeitlich verzögert würde. Daraufhin ist dem Bundesminister offenbar die Hutschnur geplatzt.
In einem Brandbrief „an die für das Gesundheitswesen zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder“ vom 29. Juni, der der taz vorliegt, schreibt Bahr: „Bei einer Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat muss die Bundesregierung deshalb in Erwägung ziehen, auf das Gesetz insgesamt zu verzichten.“
Würde dies passieren, wäre den Ländern nicht nur die Möglichkeit weiterer Verhandlungen genommen. Sie blieben auch für das Jahr 2011 auf rund 280 Millionen Euro Kosten sitzen, die ihnen eigentlich durch das Gesetz bereits als Teilkompensation für den Tarifausgleich in den Krankenhäusern zugesagt worden waren.
Länder geben weniger für Krankenhäuser aus
Seinen von Oppositionspolitikern gewerteten „Erpressungsversuch“ begründet Bahr damit, dass „den Kostenträgern, insbesondere der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung, sowie der Beihilfe, bis zum Jahr 2014 über die im Gesetz vorgesehenen rd. 630 Millionen Euro weitere finanzielle Belastungen von über 3 Milliarden Euro aufgebürdet werden.“ Dies bewege sich „in einer Größenordnung, die nicht darstellbar wäre“. Zudem erweckten die Forderungen „den Eindruck, als solle damit der seit Jahren beklagte Investitionsstau kompensiert“ werden.
Mit dieser Kritik steht Bahr nicht allein. Auch die gesetzlichen Krankenkassen sowie Klinikverbände werfen den Ländern vor, sich bei der Krankenhausfinanzierung aus der Verantwortung zu stehlen. 2011 hätten die Investitionsmittel aller Länder in die Krankenhäuser bei 2,67 Milliarden Euro gelegen, 156 Millionen Euro weniger als 2010, beklagt der Vizechef des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wiederum spricht von einem „unrühmlichen Ergebnis“.
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