Streit um Krankenhaus-Finanzierung: Missstand in Kliniken unbehoben
Deutsche Krankenhäuser stehen unter enormem finanziellem Druck. Doch bei Verhandlungen mit der Gesundheitsministerin verweigern die Länderkollegen mehr Geld.
BERLIN taz Eigentlich wissen alle Beteiligten, dass es so nicht weitergehen kann. Die 2.100 Kliniken in Deutschland kommen mit ihren Etats seit Jahren nicht mehr aus: Die Gehälter für ihre Beschäftigten haben kräftig angezogen, die Preise für Energie ebenso, und die erhöhte Mehrwertsteuer verteuert Lebensmittel, Medikamente oder Wäschereidienste. Über die Frage, wie sich dieser Missstand endlich beheben lässt, streiten sich seit Jahren die Beteiligten, also Krankenkassen, Bund und Länder. Nach zweitägiger Debatte mit ihren Länderkollegen im schleswig-holsteinischen Plön verkündete Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) am Donnerstag missgelaunt, man habe zwar einen Kompromiss gefunden. Aber er bleibe hinter ihren Erwartungen weit zurück: "Die Zeche zahlen die Krankenkassenmitglieder."
Einigen konnten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern nach heftigen Diskussionen nur auf wenige Punkte. So soll bis 2015 eine Berechnungsgrundlage gefunden werden, damit Behandlungen und Operationen in ganz Deutschland gleich viel kosten. Bislang gibt es unter den Bundesländern teilweise erhebliche Unterschiede beim sogenannten Basisfallwert.
Eine Mehrheit der Gesundheitsminister der Länder stemmte sich gegen Änderungen bei der Finanzierung der Krankenhäuser. Die Länder sind seit Einführung des dualen Systems 1972 für Investitionen zuständig, beispielsweise in Gebäude und Großapparaturen, die gesetzlichen und privaten Krankenkassen für die Kosten des laufenden Betriebs. Doch das Gleichgewicht ist vor langer Zeit gekippt. Zahlten die Länder 1993 noch insgesamt 3,9 Milliarden Euro, waren es 2006 nur noch knapp 2,7 Milliarden. Die Krankenkassen finanzieren die Kliniken hingegen mit 50 Milliarden Euro. Deshalb klagen neben Ministerin Schmidt auch die gesetzlichen Kassen, die Länder würden sich um ihre Verantwortung drücken. Die Folge: Die Kliniken müssen einspringen, Reparaturen und die Anschaffung teurer medizinischer Apparate aus ihrem Betriebsetat zahlen.
Ulla Schmidt hatte mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche versucht, die Länder zu mehr Engagement zu bewegen. In ihrem von der schwarz-roten Koalition abgenickten Eckpunktepapier hatte die Ministerin angeboten, die Mehrkosten durch die Tarifsteigerungen teilweise zu übernehmen. Im Gegenzug sollten die Länder sich verpflichten, ab 2012 eine feste Investitionspauschale für Krankenhäuser zu zahlen.
Doch die Länder wollten sich ihren Einfluss auf die Krankenhäuser nicht so leicht abhandeln lassen - mit Hospitälern können sie Standortpolitik betreiben, bisherige Einwohner binden und neue anlocken. Geblieben ist also lediglich das vage Versprechen, dass die Länder ihre Verantwortung für die Förderung der Investitionen wahrnehmen wollen. Vor allem die CDU-geführten Länder lehnten ein Mitspracherecht des Bundes ab. "Ich hätte gewünscht, dass wir etwas mehr in Richtung Zukunftssicherung der Krankenhäuser vorangekommen wären", sagte Ministerin Schmidt enttäuscht. Ihr Zuckerbrot hingegen nahmen die Länderkollegen gern an. Ab sofort soll der sogenannte Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser wegfallen. Seit 2007 müssen die Kliniken pauschal 0,5 Prozent von der Summe abziehen, die sie den Kassen in Rechnung stellen. Dies soll den Krankenkassen helfen, vom Gesetzgeber geforderte finanzielle Rücklagen aufzubauen. Der Wegfall des Sanierungsbeitrags würde die Kliniken um rund 380 bis 400 Millionen Euro entlasten.
Um zusätzlich Druck aus dem Kessel zu nehmen, hatte die Ministerin zuvor erwogen, mit drei Milliarden Euro unter anderem die Schaffung von 21.000 Pflegestellen zu finanzieren. Zudem wollte sie den Kliniken erlauben, die Preise für ihre Leistungen künftig stärker zu erhöhen. Bislang dürfen diese nur in dem Maße steigen wie der Grundlohn ihrer Beschäftigten. Für 2008 bedeutet das laut dem Krankenhausverband DKG ein Etatwachstum von lediglich 0,64 Prozent.
Ob die Finanzspritze trotz der harten Haltung der Länder kommt, war gestern Nachmittag unklar. Am Abend wollte sich Ministerin Schmidt mit der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten treffen.
MATTHIAS LOHRE
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