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Streit um Keskin-Kandidatur

■ Teile der SPD kritisieren die Nominierung des SPD-Bürgerschaftskandidaten Hakki Keskin / Angst vor Stimmenverlusten    von Florian Marten

„Jetzt haben wir die Wahl verloren!“ Eine starke Minderheit von SPD-FunktionärInnen ist entsetzt, daß ihre Bedenken die Nominierung von Dr. Hakki Keskin für den Listenplatz 50 durch den SPD-Landesvorstand nicht verhindern konnten. Ein Türke auf der Liste, so die Bedenkenträger, werde der rechtslastigen Stammwählerschaft in den Neubaughettos signalisieren, daß sie lieber gleich Rechtsaußen wählen sollen.

Für die SPD, die ihren Wahlkampf ganz gezielt auf ihre rechtsanfällige Arbeiterklientel ausrichtet, ist das ein schwergewichtiges Argument. Längst steht für SPD-Analytiker außer Frage, daß der rassistische Krebs in ihrer traditionellen Klientel wuchert. 30 Prozent der Rep-Wähler in Baden-Württemberg, so ergab jüngst eine Untersuchung, haben ein Gewerkschaftsbuch in der Tasche. „Und das“, so warnt SPD-Vizefraktionschef Jan Ehlers, „ist nicht das Lumpenproletariat, sondern die organisierte Arbeitnehmerschaft.“ DVU und Republikaner wissen das. Mit „Kurt Schuhmacher würde DVU wählen“ und ähnlichen Parolen gehen sie derzeit in Hamburg auf Stimmenfang.

So ordnen denn auch selbst aufgeklärte Hamburger Sozis die Wahl Keskins als mutigen Affront gegen Teile der eigenen Basis ein. SPD-Chef Helmuth Frahm: „Das ist ein mutiger und wichtiger Schritt.“ Die Entscheidung des Landesvorstands stand lange auf der Kippe, bis Voscherau sein Gewicht für Keskin in die Waagschale warf. Für ihn gab das nüchterne Kalkül den Ausschlag, die Außenwirkung der Nominierung Keskins würde rechts nicht so viele Stimmen kosten, wie sie links bringt.

Mit Triumph in der Stimme vermerken SPD-Strategen denn auch, daß die GAL durch die Nichtnominierung eines Einwanderers der SPD die Chance zu verbessertem Zugriff aufs Lichterkettenpublikum geboten habe. Für die rechte Klientel fühlt sich die SPD mit ihrer Zustimmung zur Grundgesetzänderung (selbst Thea Bock und Freimut Duve votierten dafür) und Innensenator Hackmanns konsequenter Abschiebepolitik gut gerüstet. Die Frage freilich, ob die Vermutung überhaupt stimmt, Keskin koste Stammwählerstimmen, wird in der SPD nicht diskutiert.

Ein ganz anderes Problem wird die SPD jedoch vielleicht noch beschäftigen: Keskin ist innerhalb der komplexen politischen Gemengelage türkischer und kurdischer HamburgerInnen durchaus umstritten. Insbesondere Kurden werfen ihm vor, großtürkische Positionen zu vertreten, den Völkermord an den Kurden zu dulden. Keskin, türkischer wie deutscher Sozialdemokrat und Anhänger des früheren türkischen Ministerpräsidenten Ecevit, ist naturgemäß nicht der ideale Gesamteinwanderer, sondern ein Vertreter einer bestimmten politischen Richtung. Beamte der Innenbehörde hatten noch am Sonntag, kurz vor der Nominierung Keskins, bei SPD-Vorständlern angerufen und davor gewarnt, sich die politischen Probleme der Türkei in den Hamburger Wahlkampf einzubauen: „Dann habt ihr die Ausländergruppen am Hals.“

An Keskins endgültiger Nominierung durch den SPD-Landesparteitag am kommenden Wochenende gibt es dennoch keine Zweifel. Sorgen bereitet den SPD-Strategen dagegen die Frage, ob sich kurdische und türkische Keskin-Kritiker jetzt massiv zu Wort melden. Dann, so die Furcht, würde es innerparteilich Ärger und tatsächlich Stimmenverluste geben.

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