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Streit um GesundheitsfondsSPD gegen versteckte Kopfpauschale

Debatte um Gesundheitsreform entbrannt: Wie hoch soll der geplante einheitliche Beitragssatz für Krankenkassen ausfallen? Die Entscheidung fällt im Herbst.

Auf der Suche nach versteckten Kosten. Bild: ap

BERLIN taz Im Gesundheitsministerium will man von einer Verschiebung oder gar einer Streichung des geplanten Gesundheitsfonds nichts wissen, die Politiker von SPD, CDU und FDP gefordert hatten. "Es bleibt beim Termin 1. Januar 2009", sagt Klaus Vater, Sprecher von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). "Das ist Gesetz." Auch aus Koalitionskreisen ist zu erfahren, dass sich weder die Ministerin noch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen solchen Gesichtsverlust leisten könnten.

Und dennoch: Die jetzt entbrannten Debatte um den Gesundheitsfonds wird die Politik in den kommenden Monaten beschäftigen. "Es wird noch eine längere Diskussion geben", sagt SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Der Gesundheitsfonds ist ein Kernstück der Gesundheitsreform und stellt eine Art Geldsammelstelle dar. Von 2009 an sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber alle ihre Krankenkassenbeiträge in einen Topf einzahlen. Ebenfalls in diesen Topf fließen Mittel des Bundes. Die Kassen können dann ihre Beitragssätze nicht mehr wie bisher selbst festlegen. Es gibt einen einheitlichen Satz für alle gesetzlichen Kassen.

Im Kern des jetzigen Streits geht es um die Höhe dieses Einheitsbeitrags, über die das Kabinett im Herbst entscheiden wird. Und hier ist die Interessenlage klar: "Die Union wird versuchen, den Satz niedrig zu halten", sagte der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem der taz. Ein niedriger Einheitssatz würde vor allem die Arbeitgeber entlasten. Für Arbeitnehmer hingegen könnten die Kosten steigen. Viele von ihnen müssten eine Zusatzprämie an ihre Kasse bezahlen. Denn diejenigen Kassen, die mit dem Geld aus dem Fonds nicht auskommen, können von ihren Versicherten zusätzliches Geld bis zu einem Prozent des Einkommens erheben. Dies wird vor allem bei zahlreichen Ortskrankenkassen der Fall sein. Deren Beiträge liegen heute über dem Durchschnitt von 14,8 Prozent, auch weil sie viele alte und kranke Mitglieder haben.

"Hier soll durch die Hintertür eine Kopfpauschale eingeführt werden", sagte Karl Lauterbach der taz. "Dagegen werden wir uns wehren."

Das Modell einer einheitlichen Kopfpauschale wollte die Union ursprünglich durchsetzen, die SPD eine Bürgerversicherung. Der Gesundheitsfonds stellt einen umstrittenen Kompromiss dar.

Die erneute Diskussion um den Gesundheitsfonds war nach einer Studie des Münchner Instituts für Gesundheitsökonomie entbrannt, die von der arbeitgeberfinanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in Auftrag gegeben wurde. Dort wurde ein Anstieg des durchschnittlichen Beitragssatzes auf 15,5 Prozent zum Start des Gesundheitsfonds im Januar 2009 prognostiziert. Vom Gesundheitsministerium wird die Studie als "interessengeleitet" zurückgewiesen. "Es gibt Krankenkassen, denen der Gesundheitsfonds nicht passt", sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater. Die Studie sei falsch gerechnet. So fehle der Steuerzuschuss des Bundes in Höhe von vier Milliarden Euro.

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