Streit um Bayerntrojaner: Piraten zeigen Innenminister an
Die Piratenpartei in Bayern hat Strafanzeige gegen den bayrischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erstattet. Sie gehen davon aus, dass der Tatbestand der Computersabotage erfüllt sei.
MÜNCHEN taz/afp | Die Piratenpartei in Bayern hat nach eigenen Angaben Strafanzeige wegen des umstrittenen Trojaner-Einsatzes in dem Freistaat erstattet. Die gemeinsam mit dem Regionalverband Südbayern der Humanistischen Union erstattete Anzeige richte sich unter anderem gegen Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Beschaffung und Einsatz des "Bayerntrojaners" verletzten datenschutzrechtliche Vorschriften und erfüllten unter anderem den Tatbestand der Computersabotage, begründeten die Anzeigenerstatter den Schritt.
Der bayerische Piratenpartei-Chef Stefan Körner vertrat die Auffassung, wenn sich Behörden nicht an geltendes Recht und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hielten, müsse sich der Rechtsstaat dagegen zur Wehr setzen können: "Ob die Justiz zu einer konsequenten Ermittlung in dem Fall fähig und willens ist oder dabei versagt, wird sich jetzt herausstellen."
In einer Analyse des Bayerntrojaners hatte der Chaos Computer Club vergangene Woche kritisiert, dass die bayrische Spitzelsoftware verfassungswidrige Mölichkeiten der Onlinedurchsuchung zulasse sowie leicht von Dritten geknackt werden könne. Die Verschlüsselungstechnik sei die simpelste, die es gebe. Die Kommunikation mit dem ausländischen Server des LKA sei dagegen gänzlich unverschlüsselt gewesen.
Vor fünf Tagen hatte bereits der Vorstandsvorsitzende der Piratenpartei in Köln, Daniel Schwerd, Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet. Darin hieß es: "Verdächtig sind Mitarbeiter und Beamte des Zollkriminalamtes als beschaffendes Organ, der Bundes- und Landeskriminalämter, der Innenministerien sowie Mitarbeiter der Herstellerfirma." Er begründete die Anzeige damals in seinem Blog mit den Worten "Ich bin empört, und wollte nicht nur hinter dem Rechner sitzen und mich ärgern."
Bayern hatte in der vergangenen Woche vorläufig auf die Verwendung von Staatstrojanern verzichtet. Bis zum Abschluss einer Überprüfung der umstrittenen Fälle durch den Landes-Datenschutzbeauftragten Thomas Petri würden im Freistaat keine neuen Maßnahmen gestartet, kündigte Herrmann an. Das Landeskriminalamt habe aber im Zusammenhang mit dem Trojaner-Einsatz "überhaupt nichts zu verbergen".
Leser*innenkommentare
Julian
Gast
@Daniel: Ich fände es toll, wenn es genau so wäre, wie du das beschreibst.
Leider ist die Staatsanwaltschaft dem Jusitzminister unterstellt, der auch Weisungen zu einzelnen Verfahren geben kann. In Bayern regiert überdies seit Ewigkeiten die CSU und deswegen sind auch die ganzen hohen Leute in der Staatsanwaltschaft auf CSU-Ticket („Parteibuch“) drin.
Xoakh
Gast
Was nützen die Grundsätze, wenn die Weisungen durch die Exekutive verbindlich und GEHEIM sind. Und Verstöße werden nie aufgeklärt, denn ohne Staatsanwaltschaft kein Prozess ;)
Winfried Maier, der gegen die Kohl-Spenden-Affäre ermittelte, wurde von oben so behindert, dass er aufgab:
http://www.sueddeutsche.de/politik/profil-winfried-maier-1.306841
Hier ein interessanter Artikel von ihm:
http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/30.90.01MaierSpeyer02-10-05.pdf
Auch der Deutsche Richterbund (die größte Juristenvereinigung Deutschlands) fordert schon seit vielen Jahren die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft:
http://www.drb.de/cms/index.php?id=172&L=0&no_cache=1a&sword_list[0]=staatsanwaltschaft
Weitere Infos:
http://cleanstate.de/Der_weisungsgebundene_Staatsanwalt.html
http://www.gewaltenteilung.de/unab_staatsanwaltschaft.htm
http://www.larchivio.org/xoom/roaul.htm
Daniel
Gast
Die Staatsanwaltschaft ist nur dem Recht und dem Gesetz unterworfen; ihre Tätigkeit richtet sich nur nach den Kriterien der Gesetzmäßigkeit, der Unparteilichkeit und der Objektivität. Daher gilt für die Strafverfolgung grundsätzlich das Legalitätsprinzip.
Tomate
Gast
Hi, Ingo!
Daumen hoch. Genau in dem Sinne wollte ich auch gerade kommentieren. Fühle Dich hiermit gratis und im Geiste geflattrt ... :)
Hajdy Do Bajdy
Gast
Hm, die CSU hat in Bayern ein Problem mit der FDP, wenn die nicht mehr über die 5% kommt.
Wollte in Baden-Württemberg selber die Piraten wählen, habe jedoch die Grünen gewählt, da ich nicht davon überzeugt war, dass diese die di 5% Hürde schaffen und dann meine Stimme keine Auswirkungen hat.
Nach dem Erfolg in Berlin habe ich mir einige Auftritte von Mitgliedern der Piraten angehört und werde wohl nicht mehr den Wunsch verspüren die Piraten zu wählen.
Mensch, ich gehe schon auf die 50% und habe zum ersten Mal gewählt. Ich denke dies kann schon von der allgemeinen Unsicherheit sprechen, die sich eben einige zu Nutzen machen können. Ung. so wie in den USA der Fake mit der Teaparty.
Spreche hier nicht über die Piraten im allgemeinen. Jedoch nach dem Besuch von Montagsdemos ist bei mir das Gefühl aufgekommen, dass viele Bewegungen unterwandert sind und das da auch der BND mitspielt.
Es kann durchaus sein, dass hier den Piraten in die Hände gespielt wird, damit man eben eine Versicherung hat, da es mit der FDP schlecht aussieht.
Habe natürlich keine Beweise, sondern ist nur ein Gefühl, welches ich jedoch nicht so leicht als Verschwörungstheorie abtue.
Hasso
Gast
Von Schröder angefangen mit seinem Hartz IV bis Merkel ist doch der Verfassungsbruch an der Tagesordnung. Hier ist kein Staatsanwalt 'der im öffentlichen Interesse' mal selbst Anzeige erstattet.Eine Seilschaft also?
Ingo
Gast
Liebe Piraten, liebe Bundesbürger
in der BRD gibt es was ganz tolles. Nennt man
Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaft. Gibt es auf Länder und Bundesebene.
Damit ist der Rechtsstaat nur vorgegaukelt.
Wenn es zu kritisch wird, sagt der Innenminister
keine Verfolgung. Und schwup die Wup gibt es kein Verfahren.
Willkommen in der Bananenrepublik Deutschland.
Bob
Gast
Richtig so. Rechtsbrüche sind auch bei denen zu ahnden, die für Recht und Ordnung sorgen sollen.
Aus diesem Grund sollte auch Innenminister Friedrich schleunigst sein Rechtsempfinden überprüfen... oder zurücktreten. Friedrich erklärte im FAZ Interview, dass die bayrische Landesregierung über dem Gesetz steht : “ Es gibt keine rechtliche Grauzone.(…) Es gibt keinerlei Hinweise, dass gegen Recht und Gesetz verstoßen wurde.Interviewer FAZ: Das Landgericht Landshut hat dezidiert die Auffassung vertreten, dass die Software in Bayern rechtswidrig angewendet wurde. Antwort Friedrich: Das Landgericht Landshut hat zu den Möglichkeiten der Quellen-Telekommunikationsüberwachung eine andere Rechtsauffassung vertreten als die bayerische Staatsregierung. Entscheidend ist: Wir müssen in der Lage sein, Kommunikation zu überwachen.“
http://tinyurl.com/64m58qg