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Streit um Ärzte-HonorareLocker noch eine Milliarde drin

Im Honorarstreit zwischen Ärzten und Krankenkassen wird der Ton rauer. Die Mediziner drohen mit einem „heißen Herbst“.

Ober-Arzt Montgomery mit zwei Assistenten. Bild: dpa

BERLIN dapd | Der Honorar-Konflikt zwischen Ärzten und Krankenkassen spitzt sich zu. Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, kündigte am Dienstag an, nicht locker lassen zu wollen. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn (CDU), appellierte an die Kontrahenten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der Honorarstreit zwischen Ärzten und Krankenkassen dürfe auf keinen Fall zu Lasten der Patienten ausgetragen werden, sagte Spahn dem SWR.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte die Verhandlungen über die Honorare der rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten am Montag platzen lassen. Zuvor hatte der Erweiterte Bewertungsausschuss mit einem Schlichterspruch entschieden, die Zuweisungen um 270 Millionen Euro zu erhöhen. Je Arzt bedeutet das ein Plus von etwa 1.800 Euro im Jahr. Die KBV fordert ein deutlich höheres Plus.

Montgomery sagte den Dortmunder Ruhr Nachrichten, es sei nicht zu erwarten gewesen, „dass der Gegner schon beim ersten Zeigen der Folterinstrumente einknickt“. Er betonte: „Das Platzen der Verhandlungen war absolut folgerichtig.“ Der Ärztekammerpräsident kündigte an, dass die Ärzte bei ihren Aktionen auf eine Eskalationsstrategie setzen und den Druck Schritt für Schritt erhöhen werden.

Die Ärzte hätten einen langen Atem. „Wenn die Kassen nicht einlenken, werden sie einen heißen Herbst erleben.“ Spahn zeigte zwar Verständnis für den Unmut der Ärzte, nicht aber für die Eskalation. Ärzte und Kassen müssten „zurück an den Verhandlungstisch, miteinander reden“. Die Patienten hätten es „als letze verdient, dass sie drunter zu leiden haben, dass man sich in Berlin nicht einigen kann.“

Kein überrzogenes Anliegen

Der CDU-Gesundheitsexperte fügte hinzu, er sehe noch deutlichen Verhandlungsspielraum. Es könnten „noch locker eine Milliarde Euro zusätzlich für die Ärzte rauskommen“. Montgomery verteidigte die Ärzteforderung nach elf Prozent höheren Honoraren.

Dieses Anliegen sei keinesfalls überzogen. Die niedergelassenen Ärzte hätten zwei Nullrunden hinter sich. Die letzte Steigerung habe es 2009 gegeben. „Damit wird lediglich die Kostensteigerung bei den Praxisausgaben für Miete und Gehälter abgefangen, mehr nicht.“

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6 Kommentare

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  • KH
    Karin Haertel

    Nun wollen sie mit einem Buerokratieboykott ihren Willen durchsetzen. U.a. wollen sie nur noch zwischen 20 ubd 8 Uhr mit den Kassen sprechen. Die Antwort der Kassen auf diesen unreifen Kinderkram muss lauten:" Bitte formulieren Sie die Fragen schriftlich. Unsere schriftliche Antwort koennen Sie dann zwischen 20 und 8 Uhr lesen". Wer auf solche Ideen kommt, der bekommt garantiert schon zuviel Geld. Jahrelang auf Kosten der Steuerzahler und Kassenpatienten studieren, sich die Zeit mit Bafoeg versuessen und dann immer schoen abzocken Nullrunden und Reduzerung sind angesagt, so wie es auch der Kassenpatient seit Jahren ertragen muss. Keine Honorarerhoehungen und Erpessung

  • DM
    Doc Mison

    Solange in Deutschland der Durschnitt bei 18 Arztbesuchen pro Jahr liegt und in Schweden bei nur 3 Arztbesuchen, und die Lebenserwartung in Schweden höher als in Deutschland ist, haben wir in Deutschland etwa 6 mal mehr Ärzte als wir benötigen. Was da an Einsparpotential da ist....

    Also von mir aus können ruhig die Hälfte aller Arztpraxen dicht machen oder ins Ausland gehen.

  • I
    Ingo

    @Thomas Shamrock: Ich finde die Bewertung der herumschwirrenden Zahlen etwas schwierig. Der Artikel spricht von Honoraren. Die 200000 Euro, die man nun errechnen kann, sind also Einnahmen, kein Gehalt. Davon muss also der komplette Betrieb der Praxis bezahlt werden. Neben den Miet-, Heiz-, Elektro- und Reinigungskosten gehoert dazu auch das Gehalt der Arzthelferin/Schwester plus Lohnnebenkosten, Verbrauchsmaterialien (medizinische und Buero-), die Berufversicherung(en) etc. Und selbstverstaendlich muessen auch etwaige Geraete abbezahlt werden. Was zumindest teilweise auch erklaeren koennte, warum ein Facharzt mit teuren Spezialgeraeten hoehere Honorare bekommt als ein Allgemeinmediziner (ob nun verhaeltnismaessig, kann ich nicht beurteilen).

     

    Was nun letztlich als Einkommen (nicht Gehalt -- zur Vergleichbarkeit mit einem Bruttogehalt waeren zumindest noch die Lohnnebenkosten abzurechnen) uebrig bleibt, weiss ich nicht. 120000 Euro mag stimmen -- stammt die Zahl aus einer vertrauenswuerdigen Quelle? -- und klingt meiner Meinung nach auch nicht unverhaeltnismaessig viel. Ein gut ausgelasteter Anwalt bekommt vermutlich deutlich mehr, ein IT-Selbstaendiger aehnlich viel.

     

    Die ungleiche Verteilung von Einkommen darf man natuerlich generell ungerecht finden. Aber ich kann zumindest nachvollziehen, dass sich die Aerzte nicht mit einer Steigerung unterhalb der Inflationsrate zufriedengeben moechten.

  • E
    Eremit

    Der Berufsstand kriegt den Hals nicht voll. 11% Plus? locker eine Milliearde mehr?

    Hebammen bekommen pro Hausbesuch 8 Cent mehr, nachdem die Berufshaftpflicht um 1500€ jährlich teuerer geworden ist...

     

    Das Gesundheitssystem wird immer mehr zur widerlichen Grütze, eine Veranstaltung von Besserverdienenden für Besserverdienende. Und da sich ja nun Ärzte ganz legal bestechen lassen dürfen - und die Ärzteschaft ja nichts dagegen hat, daß ihre Vertreter das auch tun- muß man das Gejammer wohl nicht mehr so recht ernst nehmen.

  • TS
    Thomas Shamrock

    Mein Verständnis für die Ärzteschaft und besonders für den alten Fuchs Montgomery ist auf einen sehr niedrigen Niveau angesiedelt.

    Wenn 0,9% mehr Gehalt eine Summe von 1800 € ausmacht, also 150 € im Monat, was verdient dann bitte ein Arzt in Deutschland?

    Am Ende hat der Arzt bisher, nach den Abzügen etc., noch 120000 € im Jahr zur Verfügung.

    Mit Aussagen wie "da ist noch eine Milliarde mehr drin" zeigt Montgomery (den man auch getrost Mr. Burns nennen könnte) das sein geleisteter hippokratischer Eid nicht mehr als ein Lippenbekenntnis war.

    Mir sind Ärzte untergekommen die andere Menschen (die Abschlüsse an der Uni haben oder auch mehrere Ausbildungen absolvierten) für 5 € die Stunde arbeiten lassen würden, aber selber würden sie das Stethoskop für einen solchen Stundenlohn nicht in die Hand nehmen.

    Wenn Geld der einzige Grund für die Berufswahl des Arztes ist sollte derjenige vielleicht besser in die Wirtschaft gehen.

  • A
    Ant-iPod

    Die Ärzte sind selbst organisiert und sie erhalten mehr als genug Geld - warum also sollten die Krankenkassen mehr Geld locker machen?

     

    Es stimmt absolut, dass es viele Ärzte gibt, die ihre Praxis nicht mehr rentabel führen können und wer das nicht glaubt, kann sich ja mal ein eigenes Bild in den ländlichen Regionen Deutschlands machen.

    Was aber kann die Versichertengemeinschaft dafür, dass die Selbstorganisation der Ärzte dem Kardiologen in Bevölkerungsszentren immense Vergütungen zusteuert und dem Landarzt eben nicht?

     

    Diesen Missstand in der Ärzteschaft nun auf angeblich zu geringe Vergütungen der Krankenkassen zu schieben, dass ist schon sehr dreist.

     

    Wenn die Krankenkassen derzeit Überschüsse erzielen, so dienen diese nicht dazu, den Wohlstand aller Ärzte zu mehren, sondern entweder zur Verbesserung des Gesundheitssystems (bsw. mehr ausgebildetes Personal in Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeheimen), oder der Vorsorge für schlechtere Zeiten (erfordert allerdings eine Gesetzesänderung) oder aber man kann es den Beschäftigten und Unternehmen zurückerstatten, indem man die Beiträge senkt, was obendrein positiv für die Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft wäre.

     

    Diese "Drohungen" der Ärzte, bsw. ihre Praxen zu schließen - womit Deutschland bei der Versorgung dann auf das Maß zurückgeschraubt würde, welches in vielen anderen europäischen Ländern längst üblich ist - geht zu lasten der Patienten und verstößt somit gegen den Eid des Hippokrates. Damit outen sich Ärzte als Unternehmer und eben nicht mehr als Heiler und Fürsorger in einer sozialen Gesellschaft.

     

    Ich stimme ausdrücklich zu, wenn man das System hinterfragt und einen neuen Ansatz findet - da die Selbstverwaltung der Krankenkassen und der Ärzte offenbar vor dem Scheitern steht - aber einseitig dieses falsche System dadurch retten zu wollen, dass man den Ärzten Wohlstandszusagen auf Kosten der Gemeinschaft macht... das halte ich für falsch.

     

    Wenn unser System Ärzte zu Unternehmern macht und einige ihren Betrieb schließen, dann ist dies ein normaler ökonomischer Vorgang.

     

    Wer das Gesundheitssystem lieber mehr als Bestandteil einer solidarischen Gesellschaft, als Daseinsvorsorge des Staates betrachten will und weniger als ökonomisches Vehikel - der hat kommendes Jahr die Gelegenheit, sein Wahlkreuz an der richtigen Stelle zu machen.