Streit um Abriss der Deutschlandhalle: Denkmalschutz über alles
Der Bezirk Charlottenburg hat der Messegesellschaft den Abriss der maroden Halle untersagt. Doch der Senat besteht darauf. Jetzt muss wohl ein Gericht klären.
Sie war die Arena der großen Auftritte, Wettrennen und Matches. Der letzte Kampf der Deutschlandhalle - um ihren Erhalt oder Abriss - wird nicht im Ring, sondern wohl vor Gericht entschieden. Klaus-Dieter Gröhler, CDU-Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, hält diesen Weg im Streit um das Baudenkmal für die wahrscheinlichste Perspektive. Dass der Bezirk gute Chancen besitzt, seine Position gegen das geplante Abbruchvorhaben der Messe Berlin GmbH und des Senats durchsetzten zu können, glaubt Gröhler auch.
"Die Deutschlandhalle ist ein Baudenkmal von hohem Wert", sagte Gröhler der taz. Das zu den Nazi-Spielen 1936 errichtete Gebäude "war damals weltweit die größte Sport- und Mehrzweckhalle für 10.000 Besucher". Auch nach dem Wiederaufbau 1949 blieb sie ein Zeichen moderner Ingenieursbaukunst, so der Baustadtrat. Dies habe die Untere Denkmalschutzbehörde des Bezirks festgestellt und darum den Abrissantrag der landeseigenen Messe 2009 abgelehnt.
Den Einspruch der Messegesellschaft habe das Bezirksamt - mit dem Einverständnis von Bürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) - als zuständige "Widerspruchsbehörde" jetzt erneut abgewiesen. Die Messe wolle durch den Abriss ausschließlich ein "freies Baugrundstück erhalten". Dieser Wunsch sei "rein privatwirtschaftlich" begründet. Er könne sich gegen "das hohe Gut am Erhaltungsinteresse des Baudenkmals nicht durchsetzten", so Gröhler selbstbewusst.
Auch die prompte Kritik des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit, der "kein Verständnis" für diese "Abrissverzögerung" zeigte und drohte, den Fall zur Chefsache zu machen, lässt Gröhler kalt. Die Zuständigkeit des Bezirksamts könne auch nicht von der Oberen Denkmalbehörde des Landes Berlin und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ausgehebelt werden.
Mit dem Abbruchverbot hat das Bezirksamt den vom Senat 2008 beschlossenen Abriss klar revidiert. Das Ende der Deutschlandhalle scheint wieder offen. Doch das seit 1995 unter Denkmalschutz stehende und 2001 geschlossene Bauwerk sollte nach dem Willen des Senats der Erweiterung des 160.000 Quadratmeter großen Messegeländes weichen. Messe-Vorstand Raimund Hosch hatte stets darauf gepocht, dass man das Areal "schnell" benötige - für einen 18.000 Quadratmeter großen und 45 Millionen Euro teuren Neubau oder - wie Gröhler, die Berliner Grünen und die Architektenvereinigung AIV vermuten - als Ausweichfläche für das Internationale Congress Centrum (ICC) während der geplanten Sanierung.
Ingeborg Junge-Reyer (SPD), Senatorin für Stadtentwicklung, hält das Abbruchverbot weiter für falsch. Ihre Verwaltung werde nun prüfen, ob das bezirkliche Verfahren korrekt verlaufen sei, so Sprecherin Petra Rohland. Zugleich ließ sie keinen Zweifel daran, dass die Obere Denkmalbehörde in die Sache "einbezogen werden muss". Nach Ansicht Rohlands könnte diese Prüfung "in den nächsten zwei Wochen" abgeschlossen und entschieden sein. Ob der Senat dann das Verfahren an sich ziehen werde - was bei Denkmalschutzfällen sehr schwierig ist im Gegensatz Bauprojekten - oder die Messegesellschaft das Verwaltungsgericht anruft, ließ sie offen.
Sollte die Messe klagen, rechnet sich der Bezirk zwar Chancen auf einen Erfolg aus. Ob das die wirklich gute Lösung ist, davon dürfte nicht einmal der Baustadtrat ganz überzeugt sein. Auch Gröhler weiß, dass es für die marode Deutschlandhalle keinen Nutzen gibt. Das Gebäude erfüllt kaum mehr die Anforderungen an eine moderne Mehrzweckhalle. Es lässt sich nicht wirtschaftlich führen. Zudem ist mit der Arena am Ostbahnhof Ersatz gebaut worden.
Dennoch will der Bezirk erstmal auf stur stellen, weil Versuche für eine akzeptable Lösung an der Haltung des Landes Berlin gescheitert seien, so Gröhler. Die Erweiterungswünsche der Messe auf knapp 180.000 Quadratmeter Fläche könne er sogar verstehen. Das Bezirksamt habe den Plan verfolgt, Teile der Halle in einen Kongresshallen-Neubau zu integrieren. "Wir haben am runden Tisch alles getan, einen Kompromiss und Ausgleich zwischen wirtschaftlichen und Denkmalinteressen zu finden." Jetzt müssen den Fall wohl die Gerichte entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!