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Streit über Sterbehilfe in ItalienSchneller als der Tod

Seit 17 Jahren liegt Eluana Englaro im Koma. Silvio Berlusconi will ihre Sterbehilfe mit einem Eilgesetz verhindern, die katholische Kirche wettert "Mord".

Will Eluana Englaro nicht sterben lassen: Silvio Berlusconi. Bild: ap

Eluana Englaro darf nicht sterben - jedenfalls nicht, wenn es nach Silvio Berlusconi geht. Noch am Montagabend trat Italiens Senat zusammen, um einen in aller Eile erst am Freitag von der Regierung beschlossenen Gesetzentwurf durchzuwinken, mit Schlussabstimmung am Dienstagmorgen. Per Gesetz soll die sofortige Wiederaufnahme der Ernährung der Komapatientin angeordnet werden, und schon am Donnerstag könnte es definitiv so weit sein - wenn auch das Abgeordnetenhaus zugestimmt hat.

"Rettet Eluanas Leben!", unter diesem Schlachtruf sind Italiens rechte Regierungsmehrheit und die katholische Kirche in einen makabren Wettlauf mit der Familie der jungen Frau getreten, die nichts sehnlicher wünscht, als deren Leiden zu beenden. "Irreversibles Koma" diagnostizierten die Ärzte schon vor 17 Jahren, als die damals 20-Jährige aus dem norditalienischen Lecco bei einem Autounfall schwerste Kopfverletzungen erlitt, die ihr Großhirn unwiederbringlich schädigten. Und vor zehn Jahren zog Eluanas Vater, Beppe Englaro, das erste Mal vor Gericht, um die Unterbrechung lebensverlängernder Maßnahmen zu erreichen. Das wichtigste Argument der Familie: im Angesicht eines im Koma liegenden Freundes habe Eluana selbst deutlich erklärt, sie wolle auf keinen Fall über Jahre dahinvegetieren, wenn ihr je dasselbe Schicksal widerfahren sollte. Doch das Gericht ordnete die Fortsetzung der Ernährung an.

Einen Durchbruch erreichte Beppe Englaro erst im Jahr 2007, als ein Mailänder Gericht dem Willen der Familie stattgab. Doch die von der Rechten regierte Region Lombardei und nach Berlusconis Wahlsieg im April 2008 auch die nationale Regierung taten alles, um mit weiteren Einsprüchen erst vor dem Kassationsgerichtshof, dann vor dem Verfassungsgericht die Umsetzung des Richterspruchs zu verhindern. Ohne Erfolg, alle Instanzen gaben Beppe Englaro recht. Da die Materie gesetzlich nicht geregelt sei, so die Richter, müsse als Maßstab der "vermutliche Patientenwille" gelten, wenn der medizinische Befund klar und eindeutig ein Wiedererwachen aus dem Koma ausschließe.

Ein "Mord", "eine unmenschliche Monstrosität" werde da abgesegnet, wetterte Kurienkardinal Javier Lopez Barragan sofort. Das menschliche Leben stehe über dem Recht, gab der Vatikan als Marschroute aus - und hatte Italiens Regierung auf seiner Seite. Nachdem sie auf juristischem Wege verloren hatte, setzte sie im zweiten Schritt auf administrative Schikanen. Der Sozial- und Gesundheitsminister Maurizio Sacconi wies alle Krankenhäuser des Landes an, die Gerichtsentscheidung nicht umzusetzen, und drohte offen mit Repressalien. Eine erste Klinik, die sich bereit erklärt hatte, Eluana aufzunehmen, um ihr ein ärztlich begleitetes Sterben zu ermöglichen, machte umgehend einen Rückzieher.

Doch letzte Woche schien Beppe Englaros jahrelanger Kampf erfolgreich zu sein. Die Klinik La Quiete im nordöstlichen Udine nahm Eluana auf, am Freitag wurde die Nahrungszufuhr unterbrochen. Doch Berlusconi gab nicht klein bei. Während fromme Katholiken vor der Klink Gebetswachen hielten, trommelte er das Kabinett zusammen, das umgehend eine Gesetzesverordnung verabschiedete, "um Eluanas Leben zu retten".

Das Dekret wäre sofort in Kraft getreten - wenn Staatspräsident Giorgio Napolitano es unterzeichnet hätte. Doch der weigerte sich wegen Bedenken zur Verfassungsmäßigkeit der Verordnung. Es war allzu offenkundig, dass die Regierung einen höchstrichterlichen Spruch umwerfen wollte. Berlusconi aber lässt sich nicht stoppen. Eluana könne schließlich "noch Kinder kriegen" und habe "einen regelmäßigen Monatszyklus" - selbst vor solchen Argumenten schreckte er nicht zurück, um seinen eiligen Vorstoß zu begründen. Er dürfte sich durchsetzen. Neben den Regierungsfraktionen werden auch zahlreiche Katholiken aus der Opposition zustimmen.

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14 Kommentare

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  • JS
    Johan Schreuder

    Wenn mann schon nicht die Wahl hat geboren zu werden sollte mann auf jeden Fall die Wahl haben zu sterben

  • JS
    Johan Schreuder

    Das Leiden unter dem Kreuz wird nie enden.

  • E
    Erik

    mich würde mal interessieren, welche Farbe der Rauch über dem Vadikan hat, wenn der "Heilige Vater" im Koma läge... die Kirche hat im Grunde ja eh keine Ahnung davon, wie man Leben definiert.

  • M
    michaelbolz

    Schreibfehler:

    Drittletzte Zeile - eiligen statt ekligen

  • G
    Günther

    Guten Morgen,

     

    wenn man den Meldungen einer anderen Tageszeitung glauben darf, dann ist die Dame gestern schon verstorben.

  • A
    Amos

    Die Kirche braucht ihr Dogma zum Selbsterhalt und

    Berlusconi will endlich mal als "Gutmensch" gelten.

    Die Kirche glaubt nicht an das Ewige Leben, sonst würde sie die Frau erlösen wollen. Und Berlusconi

    glaubt nur an sich selbst, nur will er es noch von

    anderen bestätigt wissen.Wenn Fremde über anderer

    Menschen Leben bestimmen können und mehr zu bestimmen haben, als der eigene Verwandte sind wir

    weit genug.

  • V
    vic

    Ich hoffe Eluana "schafft" es noch vor dem Beschluss. Zur Hölle mit der Kirche, zur Hölle mit Berlusconi.

  • SO
    siehe oben Teil 1

    Nachtrag

    Es ist schön u. beruhigend zugleich, daß auch ein Berlusconi u. ein Vatikan gegen die Schöpfung nicht ankommen.

    Eluana ruhe in Frieden !

  • DK
    Dr K

    Man kann jegliche Kritik an der katholischen Kirche relativieren, das muss man bei den diversen aktuellen Debatten à propos einräumen.

    Aber unumstößlich ist die katholische Arroganz, die höchste Moral erkannt haben zu wollen und deswegen die eigene Meinung Anderen aufzwingen zu dürfen.

    Diese anmaßende Einmischung in Belange, die wirklich nur die Betroffenen angehen, ist für die genannte Glaubensrichtung typisch und nimmt ihr in einer säkularen Gesellschaft sämtliche Legitimität.

  • RR
    Robert Ramon

    ich hätte niemals gedacht, dass ich berlusconi in irgendwas unterstütze. jetzt tue ich es. und man muss kein religiöser Mensch sein, um ihn zu unterstützen. Ich bin Atheist und sage: Sterbehilfe ist Mord!!!

  • J
    Jones

    Ist es nicht schön, dass es noch Staatsoberhäupter gibt, für die sich ein menschliches Leben einzig und allein über intakte Körperfunktionen definieren lässt... freier Wille und Selbstbestimmung sind schon ein verdammt lästiger menschlicher Makel.

  • F
    Frederika

    Heute Berlusconi in Italien u. morgen überall auf der ganzen Welt ??? Wer schlägt der monströsen Krake der selbsternannten "Lebensschützer", die Leben um jeden noch so absurden Preis erhalten wollen, endlich den Kopf ab ???

    Sieht so das Ende aus mit dem wir rechnen müssen, wenn wir im Koma ohne Hoffnung auf Rückkehr in ein bewußtes Leben sind ?!? Das kann es doch wohl wirklich nicht sein. Hier wird der Wille des Opfers mit Füßen getreten, einer lebenden Leiche, das Mädchen wollte so nicht leben u. wird gezwungen, abscheulich.

    Um sterben zu können verweigert der Organismus die Nahrung vorher, ein Naturgesetz. In dem Wort künstliche Ernährung steckt ja bereits das Wort künstlich. Laßt also endlich das Mädchen sterben. Am besten würden die Eltern das Mädchen an irgendeinen Ort auf der Welt bringen, wo es in Ruhe sterben kann, also quasi die eigene Tochter entführen, in Italien wird sie es wohl nicht mehr rechtzeitig schaffen, denn um so zu sterben braucht das Mädchen für italienische Verhältnisse zu lange...

    Gebe Gott, daß es hier in Deutschland niemals so schrecklich wird für Angehörige, wenn sie sich dazu entschlossen haben, dem letzten Willen des Patienten zu entsprechen.

    Oder ist es hier auch schon so ???

  • B
    Bert

    Mit Moralterror lenken die Katholen schon immer von ihren eigenen Verbrechen ab, wie etwa Antisemitismus, Hexenverbrennung oder Ausrottung der Indianer.

  • R
    Roland

    Na ausnahmsweise muss man Berlusconi mal recht geben.

    Wir bekommen langsam Verhältnisse in denen sich das gesamte Leben des Menschen kapitalistischen Zwängen unterzuordnen hat.

    Forciert wird diese Entwicklung kurioserweise gerade durch linksliberal/alternative Zeitgenossen die zwar vorgeben eine alternative Wirtschaftspolitik zu vertreten, tatsächlich aber mit ihren gesellschaftspolitischen Vorstellungen einem moral- und gewissensfreien Hedonismus zum Durchbruch verhelfen.

    Da wird die Legalisierung der Prostitution verteidigt obwohl jeder der in seinem Leben schon mal ein Bordell besucht hat weiß, dass die meisten Frauen dort aus Osteuropa kommen und aus schierer materieller Not anschaffen.

    Da wird Abtreibung als Freiheitsrecht verteidigt obwohl in Wahrheit nicht selten schlicht der finanzielle Spielraum fehlt ein Kind zu bekommen, die Karriere wichtiger ist/sein muss oder einem der Partner davongelaufen ist.

    Und zum guten Schluss soll uns nun noch die sog. "Sterbehilfe" als krönender Abschluss eines ach so selbstbestimmten Lebens verkauft werden.

    All diese "Freiheiten" sind nix wert solange der Mensch und die Gesellschaft sich dem Kapitalismus und seinen sog. Sachzwängen zu beugen hat.

    Rebellisch ist heute wer darauf besteht ein Kind zu bekommen auch wenn man es sich grade nicht leisten kann.

    Wer in Alter und Krankheit von der lieben (aufs Erbe wartenden) Verwandtschaft gepflegt werden will, anstatt ins Pflegeheim abgeschoben oder eben schlicht zu Tode gebracht.

    Was hier von der „taz“ (womöglich gegen besseren Wissens) gefordert wird ist eine „schöne neue Welt“ in der ein Lebensrecht nur besitzt wer gesund ist, keine Hilfe oder Solidarität benötigt und über ausreichend finanzielle Mittel verfügt.