Streit über Inflation Reduction Act: EU sucht Antwort auf Washington
Europas Mitgliedsstaaten können sich noch nicht auf Maßnahmen einigen. Bundeskanzler Scholz warnt vor einem Subventionswettlauf mit den USA.

Robert Habeck und Bruno Le Maire in Washington Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
BRÜSSEL taz | Entspannung, aber keine Einigung: Im Streit über das „grüne“ US-Subventionsprogramm Inflation Reduction Act (IRA) ringt die EU weiter um eine Antwort. Die Fronten rund um das 370 Milliarden Dollar schwere Programm sind verhärtet – in Brüssel wie in Washington. Die amerikanische Regierung will das IRA, das zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist, nicht mehr ändern. Daran hat auch ein Besuch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dem französischen Finanzminister Bruno Le Maire in Washington nichts geändert.
Das US-Gesetz sieht Subventionen und Steuerbefreiungen für US-Unternehmen sowie Vorteile für Kanada und Mexiko vor, nicht aber für die EU. Europäische Firmen könnten deshalb abwandern – so die Sorge in Brüssel, wo sich am Donnerstag ein EU-Sondergipfel mit dem Thema beschäftigt. Habeck sagte nach seinem Besuch in Washington, man wolle dort das Gesetz zwar nicht noch einmal aufschnüren, sei aber womöglich bereit, bei den noch fehlenden Ausführungsbestimmungen auf die EU zuzugehen. Le Maire sprach von „substanziellen Fortschritten“. In Washington sei von beiden Seiten die Notwendigkeit anerkannt worden, volle Transparenz herzustellen und vergleichbare Regeln anzuwenden. „Jetzt ist es an der Zeit, Entscheidungen zu treffen“, forderte der Franzose.
Doch die EU ist dazu noch nicht bereit. Deutschland und Frankreich wollen auf den IRA mit eigenen nationalen Subventionen antworten. In seiner Regierungserklärung kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch an, sich sehr genau anzuschauen, „ob und wo unsere Programme noch Lücken lassen und wie man diese dann schließen kann“. Dafür brauche es aber zunächst eine sorgfältige Analyse, wie sie die Kommission in Aussicht gestellt habe, sagte Scholz. Zuvor war in Regierungskreisen betont worden, dass man wegen der fehlenden Vorarbeit der Kommission nicht mit weitreichenden Beschlüssen rechnen solle. „Ein ungehemmter Subventionswettlauf mit den USA wäre aber mit Sicherheit der falsche Weg“, betonte Scholz.
EU-Parlament für härtere Gangart
Dagegen sind auch fast alle anderen EU-Staaten, weil sie sich teure Subventionsprogramme nicht leisten können und fürchten, bei diesem Wettlauf auf der Strecke zu bleiben. Streit gibt es auch über mögliche EU-Hilfen. Einige Länder fordern einen neuen „Souveränitätsfonds“, Deutschland will lieber den Corona-Aufbaufonds anzapfen.
Die EU-Kommission will die geplante Aussprache der Staats- und Regierungschefs zum IRA auf dem Gipfel nutzen, um danach einen eigenen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten. Die Vorlage wird dann im März erwartet.
Unterdessen sprach sich das Europaparlament einmal mehr für eine härtere Gangart gegenüber den USA aus. Man müsse auch über eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO nachdenken, sagte der Chef des Handelsauschusses, Bernd Lange (SPD). Das IRA verstoße gegen WTO-Regeln.
Leser*innenkommentare
Herbert Loose
"Europas Mitgliedsstaaten können sich noch nicht auf Maßnahmen einigen."
Das sagt doch alles!
Chris12
Die Niederlande und Deutschland sind in Sachen Chipproduktion eigentlich in einer phantastischen Lage, nutzen hier ihre Möglichkeiten aber nicht. Beide Länder, in Deutschland wäre das Zeiss, haben Firmen, die unabdinglich sind für die Produktion von Mikrochips. Ohne diese Firmen kann weder USA noch China oder sonstwer, fortschrittliche Chips produzieren. Hier hätte man Spielraum, warum das nie angesprochen wird, kann ich nicht nachvollziehen.
Herbert Loose
@Chris12 Die Controller entscheiden oftmals.
Leider schaut man viel zu oft nicht über den Tellerrand.
Was kostet es die deutsche Wirtschaft, wenn sie z.B. mangels Chips nicht produzieren kann?
Lieber die Subventionen an deutsche Firmen vergeben als beispielsweise an Intel.