Streit über Austragungsort für 2009: Computerspiel-Messe vor Spaltung
Provinzposse um die Austragung der Computerspielmesse "Games Convention" 2009: Leipzig will das Event erneut ausrichten, der Veranstalter nach Köln umziehen.
Für das Fachblatt "PC Games" ist es eine "Sensation": Die Leipziger Spielemesse "Games Convention" (GC), die größte Veranstaltung ihrer Art in Europa und weltweit zur Top 3 der Branchenevents gehörig, will auch 2009 wieder an den Start gehen. Das tatsächlich "sensationelle" dabei: Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), dem mächtige Spielehersteller angehören und der die GC bis zur diesjährigen Messe offiziell trug, will die gesamte Show eigentlich 2009 nach Köln umziehen und dort eine neue Veranstaltung namens "GamesCom" etablieren.
Das Rheinland sei infrastrukturell besser angebunden, während Leipzig längst an seine Wachstumsgrenzen gestoßen sei, hieß es immer wieder zur Begründung. Die Entscheidung hatte weit über die Spielebranche hinaus eine standortpolitische Debatte losgetreten, die mit zum Teil bittersten Worten ausgefochten wurde. Die Leipziger betonten, man baue seine Infrastruktur ständig aus, so seien mehr Hotelbetten in Planung. Die Kölner samt Messeveranstalter KölnMesse betonten hingegen, man habe die perfekte Infrastruktur bereits.
Bis zum Ende der diesjährigen GC am Sonntag war unklar, wie die Leipziger Messe auf das Manöver reagieren würde. Seit der gestrigen Abschlusspressekonferenz ist klar: Die Sachsen wollen gegen die Rheinländer antreten, 2009 finden sowohl Games Convention und GamesCom. Augenscheinlich getragen vom Rückenwind der diesjährigen GC, die sowohl die bislang größte Besucherzahl (203.000, plus 20.000) als auch die meisten Aussteller (knapp 547, plus 44) seit Beginn der Veranstaltung 2002 verzeichnen konnte, hofft die Messe Leipzig, dass das auch 2009 nicht anders wird. Pikanterweise ist auch der Termin geschickt gewählt: Man wird wieder im August loslegen (19. bis 23. 8. 2009), während die neue GamesCom erst im September über die Bühne gehen soll (9. bis 13. 9. 2009). Die Entscheidung stützt sich auch auf eine repräsentative Umfrage unter den Ausstellern und Fachbesuchern, die sich laut Messe Leipzig-Boss Wolfgang Marzin mit großer Mehrheit (über 85 Prozent) für eine neue GC in der Sachsenmetropole ausgesprochen haben sollen.
Doch für Spielefans wie Aussteller und Fachbesucher dürfte die nun geschaffene Situation 2009 trotzdem äußerst verwirrend werden. Bat man die Aussteller auf der Messe um eine Stellungnahme ohne Namensnennung, sprachen sich zwar viele für Leipzig aus, berichtet das IT-Fachportal "Golem.de". Zudem gab es Kritik daran, dass die Kölner GamesCom ausschließlich von den großen Spielekonzernen gesteuert sei, die im BIU sitzen. Kleinere Entwickler würden nicht gefragt. (Der zweite wichtige deutsche Verband G.A.M.E., der diese repräsentiert, war in die Entscheidung tatsächlich nicht eingebunden.) Doch für zwei Events sprach sich ebenfalls niemand aus. Der Messestandort Deutschland könne dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden und beide Messen somit "in die Bedeutungslosigkeit abrutschen". Tatsächlich war die Furcht vor einer solchen Provinz(en)posse die ganze GC 2008 über zu spüren. Dass es vor der diesjährigen Messe zu keiner Einigung gekommen war, nahmen viele Branchenvertreter sowohl dem BIU als auch der Messe Leipzig übel.
Nun droht also der große Bruch. Die BIU-Mitglieder sind mächtig: Im Verband sind unter anderem die Konsolenriesen Sony, Nintendo und Microsoft, aber auch die Software-Giganten EA, Ubisoft und Eidos, die stets wichtige Präsenzen auf der Games Convention stellten. Sonderlich geschickt ging der Verband in den letzten Tagen allerdings nicht vor: So versuchte er, Leipzig den neuen Bundeskulturpreis für Computerspiele, dotiert mit 600.000 Euro und getragen von Bundesregierung, BIU, G.A.M.E. und dem ITK-Branchenverband Bitkom, anzutragen - aber nur dann, wenn die Games Convention künftig ausfällt. Der Leipziger Bürgermeister Burkhard Jung (SPD) hatte das als Form von Erpressung gewertet und dem BIU-Geschäftsführer gar die Gesprächsbereitschaft aufgekündigt. "Er hat sich durch sein Verhalten diskreditiert", sagte Jung gegenüber der "Welt". Inzwischen ist klar, dass der viel beachtete Preis, der mit der Erklärung von Computerspielen zum offiziellen bundesdeutschen Kulturgut einhergeht, erst im nächsten Jahr starten kann. Über den Standort dürfte nun genauso heiß diskutiert werden, wie über die neue Spielemessedopplung Games Convention und GamesCom.
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