piwik no script img

Streit in der KnochenmarkspenderdateiGeschäftsführerin rausgeworfen

Die Knochenmarkspenderdatei DKMS hat Tausenden Blutkrebs-Patienten das Leben gerettet. Jetzt reißt eine Personalentscheidung einen tiefen Graben auf.

Blutproben in einem Kühlraum der DKMS Life Science Lab GmbH in Dresden. Bild: dpa

TÜBINGEN/BERLIN dpa/taz | Die weltgrößte Knochenmarkspenderdatei DKMS streitet immer schärfer um Personalfragen. Der Vorsitzende des medizinischen Beirats, Gerhard Ehninger, sieht den Ruf der Gesellschaft schwer geschädigt, nachdem sich die DKMS vor gut einer Woche überraschend von ihrer Geschäftsführerin Claudia Rutt getrennt hat. Die 53-Jährige hatte die Datei mitgegründet und war seitdem maßgeblich an dem rasanten Wachstum beteiligt.

Während die DKMS zunächst von einer einvernehmlichen Trennung gesprochen hatte, kritisiert Rutt einen Rauswurf. „Ich bin kurz und bündig vor vollendete Tatsachen gestellt worden“, sagte sie.

„Ich bin entsetzt und geschockt, was aktuell los ist“, sagte Ehninger am Dienstag. „Ich kriege international Anrufe, Briefe und Mails, wo ein Erstaunen und eine Verständnislosigkeit über die Vorgänge ausgedrückt wird.“

Bei der DKMS sind weltweit knapp 3,8 Millionen Menschen als potenzielle Stammzellspender registriert. Allein in Deutschland ist mehr als jeder 20. Bürger zwischen 18 und 60 Jahren registriert. Eine Stammzellspende ist für Leukämiekranke oft die einzige Hoffnung auf Heilung. Mehr als 36.000 Patienten konnte die Datei bislang einen womöglich lebensrettenden Stammzellspender vermitteln.

Rigider Expansionskurs

Zuletzt war die DKMS wegen ihres rigiden Expansionskurses im Ausland kritisiert worden. So hatten die Behörden in Spanien die Gründung einer Auslandsgesellschaft bekämpft. Auch in Frankreich, wo die DKMS demnächst eine Tochterorganisation starten wollte, gab es Widerstand. Kritiker dort warfen der Organisation vor, es gehe ihr nur ums Geld. Die DKMS hingegen verweist auf ihre Gemeinnützigkeit.

Anfang des Jahres hat auch eine Tochergesellschaft in Großbritannien offiziell die Arbeit aufgenommen. Die DKMS begründet ihren Expansionskurs im Ausland damit, dass sie das deutsche System in möglichst viele Ländern umsetzen will.

Der Riss in der DKMS trennt Gründungsmitglieder, die die Knochenmarkspenderdatei 1991 aus der Taufe hoben und in wenigen Jahren zur erfolgreichsten der Welt machten. Neben Rutt und Ehninger war damals Peter Harf beteiligt. Er fungiert heute als Vorsitzender des Board of Directors der DKMS Stiftung Leben Spenden, ist also sozusagen Aufsichtsratsvorsitzender.

In dieser Funktion habe er auch die Ablösung Rutts als Geschäftsführerin initiiert, bestätigte eine DKMS-Sprecherin. Die Gesellschaft selbst hatte den Wechsel erst auf Nachfrage der Nachrichtenagentur dpa öffentlich gemacht.

Profane Begründung

Rutt selbst warf der DKMS vor, ihr seien lediglich “profane Erklärungen“ für ihren Rauswurf gegeben worden. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe eine super Bilanz in all den Jahren gemacht, und ich hatte noch viel vor.“ Sie mache sich nun „große Sorgen“ um die Organisation.

Aufsichtsratschef Harf stand am Dienstag auf Anfrage für ein Interview nicht zur Verfügung. Seine Sprecherin sagte, Harf sei es bei der Personalentscheidung um einen „Generationenwechsel“ gegangen. „Er hat darüber nachgedacht, mit welcher Generation von Geschäftsführern wir die DKMS weltweit zum Erfolg führen.“

Die 53-jährige Rutt sei deshalb abgelöst worden. „Claudia [Rutt] ist die Aufbauerin der gesamten DKMS gewesen. Dafür danken wir ihr – und jetzt ist die Zeit für einen Wechsel“, sagte Harfs Sprecherin.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Was ist eigentlich aus den Neuen dreien geworden:The new generation macht jetzt alles zu Dritt noch besser?

    Oder ist die Organisation, die dem Spender und der Allgemeinheit gehört jetzt im Tief? Oder in der Hand eines Einzelnen?

    Was war der Erfolg dieser großangelegten Reinigungsaktion, die doch so nötig erschien?

    Bekommt man als Spender dazu Antwort?

  • B
    Beobachter

    Sorry, Schreibfehler. Das Monatsgehalt in Höhe von DM 12.000 der Claudia Rutt bei der DKMS bezieht sich auf das Jahr 1993, nicht 2003...!

  • B
    Beobachter

    Der Rauswurf von Claudia Rutt war längst überfällig. Ihr selbstherrlicher Führungsstil, ihre von Mitarbeitern gefürchtete Arroganz und ihre Überheblichkeit im Umgang mit treuen und langjährigen Weggefährten ist auch Aufsichtsratschef Peter Harf nicht verborgen geblieben. Und: Claudia Rutt hat die DKMS in ihrer Rolle als Geschäftsführerin als Selbstbedienungsladen zum eigenen Profit gesehen. Wie sonst kann man der Öffentlichkeit klar machen, dass sie sich selbst - nach eigener Aussage - bereits im Jahr 2003, kurze Zeit nach Gründung der DKMS, ein Monatsgehalt von 12.000 Deutschmark bezahlte.

  • D
    Desillusionist

    "(...) Die Knochenmarkspenderdatei DKMS hat Tausenden Blutkrebs-Patienten das Leben gerettet.(...)" Nö, hat sie nicht. Das haben die Knochenmarkspender getan, indem sie ihre Daten ermitteln liessen und sich später als Spender zur Verfügung gestellt haben. Die DKMS hat organisatorischen Voraussetzungen dafür geschaffen.