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Streit in Spanien um Google-Suchmaschine"Recht auf Vergessen"

In Spanien streiten sich 100 Menschen mit Google über das "Recht auf Vergessen". Die Internet-Nutzer wollen unerwünschte Inhalte verbieten. Google hat Berufung eingelegt.

Das Internet vergisst nicht - und erst recht nicht die Google-Suchmaschine. Bild: tobeys / photocase.com

MADRID dapd/taz | Spanische Internetnutzer haben eine Beschwerde gegen Google eingereicht. Der Suchmaschinen-Betreiber soll Hinweise auf unerwünscht gespeicherte Daten im Netz löschen. Rund neunzig Spanier wollen so Verlinkungen auf Inhalte mit ruf- oder geschäftsschädigender Wirkung verbieten.

Die spanische Datenschutzbehörde gab den Lösch-Forderern Recht und forderte das US-Unternehmen auf, sämtliche Verknüpfungen zum Schutz der Privatsphäre von Individuen zu löschen. Damit will die Behörde den betroffenen Personen das "Recht auf Vergessen" gewähren. Viele Inhalte seien schon Jahre alt und immer noch abrufbar.

Google hat nun in fünf Fällen vor einem madrider Gericht Berufung eingelegt. In manchen Beschwerden gehe es nur um banale Peinlichkeiten. Aber auch Gerichtsurteile, über die im Netz berichtet worden seien, sollen entfernt werden. Aus diesem Grund sehen Experten die Gefahr eines Präzedenzfalles, der den freien Zugang zu persönlichen Daten erheblich einschränken könnte: "Dies ist erst der Anfang", gab der Leiter der spanischen Datenschutzbehörde Artemi Rallo zu bedenken. "Google gibt es erst seit 15 Jahren, das Internet ist kaum eine Generation alt und es gibt immer mehr Probleme, die die Privatsphäre betreffen", erklärte er.

Der Schönheitschirurg Hugo Guidotti fand bei der Google-Suche einen unerwünschten Artikel in der spanischen Tageszeitung El País im Netz. In dem 20 Jahre alten Online-Bericht gehe es um einen Gerichtsprozess, in dem eine Frau Guidotti im Jahre 1991 wegen einer schlecht ausgeführten Brustoperation auf Schadensersatz in Millionenhöhe verklagte.

Der Arzt wurde zwar damals vor Gericht frei gesprochen, darüber wäre jedoch nicht in den Medien berichtet worden. Lediglich die Klage könne man in den Hinweisen der Google-Suchmaschine finden. Der Anwalt Guidottis, Gabriel Gomez, sieht durch die Google-Verlinkungen einen wirtschaftlichen Schaden für seinen Mandanten. Patienten, die auf den Artikel der bekannten Tageszeitung stießen, würden zu diesem Arzt nicht mehr gehen.

Der Datenschutzrechtsexperte Rallo betont, zwar gebe es in Spanien kein explizites "Recht auf Vergessen", aber das Recht zum Schutz der Privatsphäre. Der Fall könnte auch internationale Wellen schlagen - er soll vor den europäischen Gerichtshof. Google befürchtet nun für sämtliche unerwünschte Inhalte, die durch eine Google-Suche gefunden werden, zur Verantwortung gezogen zu werden. Damit würde auch der Zugang zu wichtigen Informationen im Netz erheblich beeinträchtigt.

Letzlich hieße ein ensprechendes Urteil in Spanien auch, dass die Informationseinschränkung in anderen Ländern vorangetrieben werden könne: "Ich glaube nicht, dass ich möchte, dass China darüber entscheiden darf, was Google über seine Bürger veröffentlichen darf", sagte Jules Polonetsky von der Datenschutzorganisation Future of Privacy Forum in Washington.

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1 Kommentar

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  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Das ist nun wirklicher Unfug. Wenn ein unerwünschter Artikel im Netz steht, dann sollte die Quelle angesprochen werden.

     

    Wenn eine Zeitung keine Information auf ihrer Seite schreiben will, dass der Angeklagte freigesprochen wurde (und wenn es kein Recht darauf gibt), dann sollte auch niemand den Link entfernen müssen.

     

    Die Informationen sind schließlich unabhängig von Google verfügbar.

     

    Aber Leute suchen halt immer den Punkt, an dem sie denken, dass sie am leichtesten mit ihren Forderungen durchkommen, statt den Punkt zu wählen, an dem sie wirklich etwas tun können.

     

    „Hey, ich habe kein Recht darauf, dass die Informationen offline genommen werden, also verbieten wir halt, dass jemand davon spricht“ (denn anderes als davon zu sprechen, dass es das gibt, tut Google nicht)

     

    Das ist effektiv ein Versuch, Zensur hoffähig zu machen. Investigativer Journalismus dazu, wer die Initiativen unterstützt und welche Interessen dahinter stehen wäre sehr interessant. Immerhin ist das Thema auch für die Taz unmittelbar relevant.

     

    Sonst verschwinden bald auch missliebige (aber legale) Artikel der Taz aus Suchmaschinen.