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Streit in Bremer ArbeitnehmerkammerSchikane statt Lobby

Die Arbeitnehmerkammer kämpft vor dem Arbeitsgericht gegen ihre eigene Gleichstellungsreferentin – die Vorwürfe wirken eher kleinlich.

Vertritt die Interessen der Arbeitnehmer*innen – aber nicht der eigenen Foto: Wikimedia Commons

Bremen taz | Es wird zum Kammertermin kommen, zur arbeitsrechtlichen Hauptverhandlung, am 25. Oktober. Der fast schon flehentliche Appell der Vorsitzenden Richterin ist unerhört geblieben: „Ohne Moderation wird es weiter eskalieren“, hatte sie den Parteien vor Augen geführt. „Sie tun sich beide keinen Gefallen damit.“ Aber am Ende bleiben die Arbeitnehmerkammer (AK) und die Klägerin Esther Schröder hart. Keiner mag so recht nach Möglichkeiten Ausschau halten, den durchaus bizarren Streit zwischen Bremens Arbeitnehmerkammer und ihrer Gleichstellungsreferentin zu begraben.

Obwohl doch klar ist: Die Richterin hat Recht. Es muss dem Image der Arbeitnehmerkammer schaden, wenn sich eine ihrer Angestellten gegen sie wegen einer Flut von Abmahnungen wehrt, die sich seit März über sie ergießt. Zu Beginn des Verfahrens waren es zwei, jetzt sind es schon drei, „und“, sagt sarkastisch Klägerinnenanwalt Jürgen Maly, „die vierte wird bereits vorbereitet“.

Dabei finanzieren die abhängig Beschäftigten des Landes Bremen die Institution mit einer Pflichtabgabe in Höhe von 0,15 Prozent vom Bruttolohn, damit sie deren Interessen wahrt und für ihre gesellschaftlichen Anliegen wirbt – und nicht, damit die Kammerführung das eigene Personal schikaniert.

Für Esther Schröder bedeutet eine Hauptverhandlung dagegen erstens viel Geld – die erste Instanz zahlt im arbeitsrechtlichen Verfahren jede Partei selbst, egal, wie es ausgeht. Und vor allem: verlorene Zeit. Denn die Referentin sieht sich derzeit regelrecht stillgelegt, Maly spricht von einem Berufsverbot. Ihr seien „90 Prozent ihrer Tätigkeit untersagt worden“, sagt ihr Anwalt. Die Gegenseite hält das für arg übertrieben. Von maximal 20 Prozent will Anwalt Gerhard Lohfeld ausgehen und spricht von einer temporären Einschränkung, die durchs Direktionsrecht abgedeckt wäre.

Schröder forschte zur Situation Alleinerziehender

Wahr ist allerdings: Zu Schröders Arbeitsplatzbeschreibung hatte bislang Politikberatung gehört – naheliegend, denn Schröder war selbst lange Jahre wirtschaftspolitische Sprecherin der Brandenburger SPD-Fraktion – und drei Tage lang sogar mal Staatssekretärin beim Berliner Senator für Wirtschaft, Frauen und Arbeit.

In Bremen hat sie die arbeitsmarktpolitische Lage der Alleinerziehenden erforscht – ein drängendes Problem, denn in Bremen sind beinahe 54 Prozent der rund 18.000 Alleinerziehenden auf Grundsicherungsleistungen angewiesen. Im Arbeitskreis „Berufliche Perspektiven für Frauen und Mädchen“ hatte Schröder an Lösungsansätzen mitgearbeitet.

Die Anlässe für die Einträge in die Personalakte wirken kleinlich: Einmal hat Schröder eine Datei im PDF-Format abgespeichert – statt als Powerpoint

Jetzt darf sie beruflich keine Außenkontakte mehr pflegen. Da bleibt nicht mehr Raum für Beratung – und für Politik schon mal gar nicht. „Das ist ein herber fachlicher Verlust“, findet An­drea Quick von der Zentralstelle für die Gleichberechtigung über die akute Auswirkungen des Streits. „Die Arbeitnehmerkammer muss dafür sorgen, dass dieser Bereich abgedeckt ist“, mahnte sie an.

Präsentation falsch gespeichert – Abmahnung

„Ich werde den Eindruck nicht los, dass da im Hintergrund etwas anderes los ist, was man zur Sprache bringen könnte“, sagt die Richterin. Tatsächlich wirken die Anlässe für die Einträge in die Personalakte kleinlich, eher dürr: Einmal hat Schröder eine Datei im Portable Document Format (PDF) abgespeichert – statt als Powerpoint. „Es ist doch nicht einzusehen, warum sie das nicht einfach machen kann wie gefordert“, sagt Arbeitnehmerkammer-Anwalt Lohfeld.

Anfang März hat Schröder dann eine Interviewäußerung des Hauptgeschäftsführers der Arbeitnehmerkammer, Ingo Schierenbeck, zum Equal Pay Day „verunglimpft“, so dessen Deutung, und zwar durch Schröders Einschätzung, er vergleiche bei seinen Angaben zum Lohngefälle „Äpfel mit Birnen“: Dadurch werde die fachliche Arbeit der Pressestelle und ihrer direkten Vorgesetzten Elke Heyduck, einer ehemaligen taz-Redakteurin, herabgewürdigt.

Ihre Einschätzung habe Schröder in einer „internen E-Mail“ kundgetan, hatte Radio Bremen behauptet. Heyduck bestreitet das. „Die Behauptung, es habe sich um einen interne E-Mail gehandelt, ist falsch.“ Mehr könne und dürfe sie nicht sagen. Da wird sich im Herbst ja ziemlich flott beweisen lassen, welche Version stimmt.

Heikler ist die Party-Frage: Denn Schröder hat dafür gesorgt, dass die Arbeitnehmerkammer die Saalmiete für eine Veranstaltung zur Feier von 100 Jahre Frauenwahlrecht übernimmt. „Ein Grund zum Feiern“ sei dieses Jubiläum, hatte es im Flyer geheißen. Die AK-Geschäftsführung fühlt sich getäuscht. Das Event habe sich als bloße Party entpuppt, ohne Inhalt, was die Kammer ja nicht fördern darf.

Politische Party

Allerdings sagt Cornelia Lerche vom Evangelischen Bildungswerk, das Mitveranstalter war: „Selbstverständlich war das eine Feier, aber eine mit klar politischer Ausrichtung“. Tatsächlich war mit der Lyrikerin, Journalistin und Moderatorin Gülbahar Kültür eine ausgesprochen politische DJ fürs Musikprogramm zuständig.

Die Einnahmen sollten dem Frauenhaus zugute kommen – und „für Frauen, die sich das oft so nicht leisten können, Geflüchtete etwa, war der Eintritt frei“, sagt Lerche. Dadurch habe die Veranstaltung nie­drigschwellige Politikvermittlung ermöglicht, sie sei „richtig gut besucht gewesen“. Redebeiträge habe es auch gegeben.

„Frau Schröder hat so ein wie ich finde gelungenes Frage-und-Antwort-Spiel gemacht, also wie hoch man den Frauenanteil in den Dax-Vorständen schätze und ähnliches“, sagte Lerche. Das sei gut angekommen. Vor allem aber habe die Feier dem „informellen Lernen“ gedient.

„Es ist wichtig, auch Erreichtes miteinander zu feiern, um sich zu motivieren, sich auf die Schulter zu klopfen – und um Netzwerke zu stabilisieren“, findet Lerche. „Wer nicht miteinander feiert, geht auch nicht für ein gemeinsames Anliegen auf die Straße.“

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