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Streit der Woche"Die Gesetzgebung ist fahrlässig"

Die deutschen Organspenderegeln sind zu lasch, sagt Til Schweiger. Eine Gesetzesänderung würde zu lange dauern, fürchtet dagegen der Chef der Stiftung Organspende, Günter Kirste. Er ist für eine andere Lösung.

Pro Organspende: Til Schweiger will mehr Menschen zum Spenden bewegen. Bild: Joachim Baldauf

Der Schauspieler und Regisseur Til Schweiger fordert eine Gesetzesänderung, damit mehr Menschenleben mit Spenderorganen gerettet werden können. „Es ist absolut zumutbar, per Gesetz von jedem Menschen zu verlangen, eine klare Entscheidung zur Organspende für sich zu fällen – Pro oder Contra“, schreibt der Schauspieler im Streit der Woche in der sonntaz. Schweiger hält die aktuelle Gesetzgebung für „geradezu fahrlässig“ - angesichts der weit über 1.000 Menschen, die jährlich sterben weil sie vergeblich auf ein Spenderorgan warten.

In Deutschland gilt die sogenannte Zustimmungslösung. Das heißt, wer nach seinem Tod seine Organe spenden will, braucht dafür einen Organspenderausweis. Nur 17 Prozent aller Deutschen haben einen solchen Ausweis – obwohl mehr als drei Viertel die Organspende befürworten. Länder wie Spanien oder Österreich haben dagegen die Widerspruchsregelung: Jeder Mensch ist dort automatisch potentieller Organspender, es sei denn er hat noch zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen.

„Immer wieder wird die Einführung der Widerspruchsregelung gefordert, wenn es um die Steigerung der Organspendezahlen geht“, schreibt Günter Kirste, Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation in der sonntaz. Doch für ihn ist die Widerspruchsregelung kein Allheilmittel, um den Organmangel zu beheben. Den entscheidenden Knackpunkt sieht Kirste vielmehr in der frühzeitigen Erkennung und Meldung möglicher Spender in den Krankenhäusern. „Wir haben keine Zeit für politische Debatten, die einer Gesetzesänderung vorausgehen“, schreibt Kirste im Streit der Woche.

Bild: taz

Den gesamten Streit der Woche lesen Sie in der aktuellen vom 29. Mai 2010 – ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk. Foto: taz

Jochen Taupitz, Jurist für Medizinrecht und Mitglied im deutschen Ethikrat, glaubt dagegen, dass die Organspenderegeln in Deutschland mit dafür verantwortlich seien, „dass tagtäglich Menschen auf der Warteliste sterben, obwohl sie mit einer Organtransplantation gerettet werden könnten.“ Taupitz ist der Meinung, dass diejenigen, die sich zu Lebzeiten nicht über eine mögliche Organspende äußern als Organspender in Anspruch genommen werden sollten. „Schließlich erwarten die meisten Menschen, im Bedarfsfall selbst ein Organ zur Verfügung gestellt zu bekommen.“

Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, ist für den Erhalt der geltenden Regelung. „Wenn das bestehendeTransplantationsgesetz konsequent umgesetzt würde, dann hätten wir keinen Organmangel“, sagte Hetzer taz.de. Wichtig sei es vor allem, dass die Menschen ihren Willen überhaupt kundtäten. „Ob das Transplantationsgesetz Zustimmung fordert oder Widerspruch erlaubt ist nicht von großer Bedeutung für die Angehörigen eines Toten, wenn sie nicht wissen, wie dieser selbst entschieden hätte.“

Im „Streit der Woche“ äußern sich zudem Martina Wenker, Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Carola Reimann, Sozialdemokratin und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im deutschen Bundestag, Renate Greinert, die in ihrem Buch „unversehrt sterben!“ über ihre Erlebnisse als Mutter eines Organspenders berichtet und taz.de-Leser Dieter Frick.

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17 Kommentare

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  • KK
    Karl Kaltenbrunn

    Einbahnstraße: von arm zu reich; von jung zu alt

     

    Natürlich gibt es gute und humane Gründe für eine Organspende. Wer möchte nicht, dass einem kranken Menschen geholfen wird?

    Zu beobachten ist allerdings folgendes: Währen viele Menschen ja zu Spende betonen, bekennen sich nur erstaunlich wenige zu mit einem verbindlichen Ausweis. Dieser Umstand sollte bei all jenen, die an einer ernsthaften Analyse interessiert sind, zunächst zur Kenntnis genommen werden.

    Wo liegen die Gründe für diese Gegebenheit? Zunächst möchte ich meine Beobachtungen schildern um dann zu einer Analyse der Umstände zu kommen.

    Beim Wechsel der Organe gibt es eindeutige Hauptströmungen. Nämlich von:

    A) JUNG zu ALT und von

    B) ARM zu Reich.

    Zu A) Beleg für Jung nach Alt: Das länger gelebte Leben hat eine größere Krankheitswahrscheinlichkeit als das kürzere. Dies hat hier mindestens zwei Konsequenzen.

    Erstens: Das Organ eines alten Menschen ist Krankheitsbedingt weniger häufig zu gebrauchen als das eines jungen Menschen.

    Zweitens: Der Bedarf an Organersatz steigt individuell mit dem Alter an.

    Zu B) Beleg für Arm zu Reich:

    Beispiel Regional: Das mittlere Lebensalter hängt deutlich vom Einkommen ab; der Reiche wird älter als der Arme. Ein wohlhabender Bürger fährt ein sicheres schnelles Auto. Ein armer Bürger fährt ein weniger sicheres Auto mit wenig Masse. Die Überlebenswahrscheinlichkeit liegt im Straßenverkehr und bei anderen gesundheitsbedeutenden Umständen (Gesundheitsvorsorge) von den Finanzressourcen ab. Der totgefahrene Armbürger kann, wenn jung genug, dem wohlhabenden sehr wohl noch die Organe spenden.

    Beispiel International: In den armen Ländern werden Organe von Menschen entnommen und gekauft, für solche aus unserer reichen Welt. Umgekehrtes ist nicht zu beobachten.

    Diese Umstände werden meines Erachtens nicht ehrlich diskutiert. Zu früh werden moralische Schutzschilder PRO oder KONTRA in Stellung gebracht. Wir spüren aber instinktiv sehr wohl dass hier etwas nicht stimmt. Und es ist wohl keine Zufälligkeit, dass sich gerade prominente und reiche Menschen diesbezüglich aus der Deckung wagen und sich anschicken die Moral überzustrapazieren.

    Unsere Gesetze solle unsere Unverletzlichkeit sicherstellen. Dies muss auch für die Zukunft sichergestellt bleiben. Eine Organspende muss weiterhin ausdrücklich von Betroffenen zu Lebzeiten bejahrt worden sein.

    Unabhängig davon wäre es wünschenswert die Scheinheiligkeit aus der Debatte zu nehmen und die oben geschilderten Gegebenheiten offen zu diskutieren und sauber zu analysieren.

     

    Karl

  • GM
    George Müller, Berlin

    Wer jemand wie Herr Schweiger eine für jeden verbindliche Widerspruchserklärung einfordert, der muss meiner Meinung nach schon ganz schön naiv unterwegs sein. Jener hat ganz sicher diese "Entrechtende Idee" nicht zu Ende gedacht. Als letztendliche Folgen in einer solchen Zwangsverordnung zur Organspende sehe ich jedenfalls eine neue Qualität an bürgerlicher Entmündigung und menschlicher Entwürdigung. Denn noch zeigt die "Spender-Liste" all derjenigen auf, welche ausdrücklich ihre Organe spenden wollen,stellt immerhin noch den "Guten Menschen" dar. Wohingegen eine Widerspruchsreglung zu einer Liste führen würde, die eben nicht die "Gutmenschen" aufführen würde, sondern dann eben die "Bösen".

    Zudem wird es in der Realität, im Falle des Falles, wohl kaum möglich sein, einen Widerspruch zeitig nachzuweisen. So wäre dadurch in der Praxis faktisch jeder vom unmittelbaren Tode bedrohte als "Ersatzteillager" freigegeben. Zudem kommt die oftmals höchst mangelhafte Moral vieler "Verantwortlichen" unserer "Medizin-Industrie". Auch und im Besonderen genannt eines nicht unbedeutenden Teil der darin Tätigen, die ggf. über das Schicksal anderer zu entscheidenden Ärzteschaft.

    Ich weis da ganz genau wovon ich spreche, nach immerhin sechsjähriger professioneller Tätigkeit als leitender Rettungsassistent auf dem Lande. Erfahren durch unzählige schwere Unfälle mit Todesfolge, zusammen erlebt mit oftmals durch und durch überforderten und auch gänzlich unfähigen "Göttern in Weiss".

    Nicht gerade selten habe ich dazu noch aus deren lautstarken Mündern so manche diskriminierende, rassistische, ja auch faschistische Kommentare über die uns schicksalsbedingt anvertrauten (ausgelieferten) Notfall-Patienten über mich ergehen lassen müssen. Und je deutlicher sich deren fachliche Inkompetenz uns Sanitätern gegenüber offenbarte, desto unqualifizierter und unpassender waren auch oft jene nur schwer zu ertragenden Äusserungen. Aus meiner heutigen Lebenserfahrung heraus verwundert mich dieses "Phänomen" allerdings nicht mehr so sehr. Denn auch als Patient habe ich einschlägige Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Fach-Ärzten machen müssen. Nicht mir persönlich ging es dabei an den Kragen. Ich selbst weis mich recht gut vor all zuviel Tatendrang zu schützen. Aber was meine Mit-Patienten manchmal mit sich haben anstellen lassen, dass hat mich oftmals doch sehr schockiert.

     

    Ich für meinen Teil stelle jedenfalls keine hohen Ansprüche an die meisten unserer Schulmediziner, die oft von Versagensängsten und kleinkariertem Kompetenzgerangel getrieben scheinen. Auch stelle ich selbst keinerlei Ansprüche auf die Organe anderer, um so möglicherweise meinem eigenen Schicksal auf Kosten der Menschenwürde aller Bürger zu entrinnen.

    Ich will und werde nicht mitmachen, an dem bedingungslosen Spiel der Götter über "Leben und Tot", oder an dem Treiben der Juristen über "Recht und Unrecht", an der Stigmatisierung der Gesellschaft zum "Gut-Menschen" oder zum "Schlecht-Menschen"...

     

    Ganz vergessen ist hoffentlich noch nicht das wilde Treiben dieser beiden hier von mir genannten Berufsgruppen!? Die sich in großen Teilen wie keine andere Zunft sonst am Menschen versündigt haben, die in so erschreckend großer Zahl dem "Führer und Heilsversprecher" artig in den grauenvollen Käfig des Dritten Reichs folgten, die teils noch skrupelloser als die Politiker seiner Zeit über andere urteilten, richteten, und "ganz selbstverständlich" auch mordeten...um sich am Ende dieses unvergleichlichen Verbrechens auch noch gegenseitig ihre "Unschuld" beteuerten.

    Natürlich hat es auch viele Ärzte und Juristen gegeben, die sich unter oftmals großer Gefahr für die eigenen Existenz diesem unmenschlichen widersetzten.

    So wie es natürlich auch heute viele gut gesinnte Ärzte gibt.

    Aber dennoch;

     

    Hoffentlich ist all die menschlichen Verwerfungen noch in dem Bewusstsein ganz vieler Menschen, in den Köpfen all unserer Politiker, welche letztendlich zu entscheiden haben... wer hier was entscheidet, und wer hier was nachweisen muss!

  • O
    ooops

    In 15 Jahren wird jeder der keine Organe spenden will ein Tattoo auf der nackten Brust haben müssen; sicherheitshalber.

     

    Vor dem öffenen Schütteln,

    nach dem Schütteln nicht mehr zu gebrauchen.

     

     

     

    HUND!!!

  • L
    linsenspaeller

    Ich biete Till Schweiger großzügig mein halbes Gehirn für sein hoffentlich intaktes Herz.

  • X
    xonra

    Organspende ja bitte! Aber nicht nur für Reiche. Wer kein Geld hat, wird heute unter bestimmten Umständen schon bei der Nichtzahlung der Praxisgebühr zum Tode verurteilt. Die Transplantation von Organen ist ein kostenintensiver Vorgang. Wenn es heute schon kompliziert ist teurere Medikamente und sinnvolle Schmerztherapien zu bekommen, die Leiden vermeiden können, wird die Transplantation von Organen vielen Menschen aus Kostengründen versagt werden.

    Schweiger bleib bei Deinen Leisten.

  • X
    xonra

    Organspende ja bitte! Aber nicht nur für Reiche. Wer kein Geld hat, wird heute unter bestimmten Umständen schon bei der Nichtzahlung der Praxisgebühr zum Tode verurteilt. Die Transplantation von Organen ist ein kostenintensiver Vorgang. Wenn es heute schon kompliziert ist teurere Medikamente und sinnvolle Schmerztherapien zu bekommen, die Leiden vermeiden können, wird die Transplantation von Organen vielen Menschen aus Kostengründen versagt werden.

    Schwaiger bleib bei Deinen Leisten.

  • GM
    George Müller

    Wer wie Herr Schweiger eine für jeden verbindliche Widerspruchserklärung einfordert, der muss meiner Meinung nach schon ganz schön naiv unterwegs sein, der hat ganz sicher diese "Idee" nicht zu ende gedacht. Als letztendliche Folgen eines solchen Zwangs sehe ich jedenfalls darin eine neue Qualität von menschlicher Entwürdigung. Denn heute stellt die "Liste" all derjenigen die ausdrücklich spenden wollen immerhin noch den "Guten Menschen" dar. Wohingegen eine Widerspruchsreglung zu einer Liste führt, die eben nicht die "Gutmenschen" aufführen würde.

    Zudem ist es in der Realität wohl kaum möglich, im Falle des Falles, einen Widerspruch nachzuweisen. So wäre damit in der Praxis faktisch jeder als "Ersatzteillager" freigegeben. Zudem kommt die oftmals höchst mangelhafte Moral vieler "Verantwortlichen" unserer "Medizin-Industrie". Auch und im Besonderen genannt eines nicht unbedeutenden Teil der darin Tätigen, der ggf. darüber zu entscheidenden Ärzteschaft.

    Ich weis da ganz genau wovon ich spreche, nach immerhin sechsjähriger professioneller Tätigkeit als leitender Rettungsassistent auf dem Lande, erfahren an unzähligen schweren Unfällen mit Todesfolge, zusammen mit oftmals durch und durch unfähigen "Göttern in Weiss".

    Nicht gerade selten habe ich aus deren lautstarken Münder so manche diskriminierende, rassistische, ja auch faschistische Kommentare über die uns schicksalsbedingt anvertrauten (ausgelieferten) Notfall-Patienten über mich ergehen lassen müssen. Und je deutlicher sich deren fachliche Kompetenz uns Sanitätern gegenüber offenbarte, desto unqualifizierter waren auch deren oft nur schwer zu ertragenden Äusserungen. Aus meiner heutigen Lebenserfahrung heraus verwundert mich dieses "Phänomen" allerdings nicht mehr so sehr. Denn auch als Patient habe ich einschlägige Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Ärzten machen müssen. Nicht mir persönlich ging es dabei an den Kragen. Ich selbst weis mich schon vor all zuviel Tatendrang zu schützen. Aber was meine Mit-Patienten manchmal mit sich haben anstellen lassen, dass hat mich oftmals doch sehr schockiert.

     

    Ich für meinen Teil stelle jedenfalls keine hohen Ansprüche an unserer Schulmediziner, und auch keinerlei Ansprüche auf Organe anderer, um meinem "Schicksal" auf Kosten der "Menschenwürde aller" zu entrinnen.

    Ich will und werde nicht mitmachen, an dem "Spiel der Götter" über "Leben und Tot", an dem Treiben der Juristen über "Recht und Unrecht", an der Stigmatisierung der Gesellschaft zum "Gut-Menschen" oder zum "Schlech-Menschen".

     

    Ganz vergessen ist hoffentlich noch nicht das wilde Treiben dieser beiden hier genannten Berufsgruppen?! Die wie wie keine andere Zunft sonst am Menschen versündigten, die in so erschreckend großer Zahl dem "Führer und Heilsversprecher" artig ins grauenvolle Dritte Reich folgten, die teils noch skrupelloser als die Politiker seiner Zeit über andere urteilten, richteten mordeten...um sich am Ende dieses unvergleichlichen Verbrechens auch noch gegenseitig ihre "Unschuld" beteuerten.

     

    Hoffentlich ist all das noch in dem Bewusstsein ganz vieler Menschen, all unserer Politiker, die letztendlich zu entscheiden haben... wer hier was entscheidet, und wer hier was nachweisen muss!

  • FS
    Friedemann Schmidt, Oldenburg

    Wie anschaulich wurde hier vorgeführt, wie man dumme Antworten erzeugt. Es braucht dazu nur eine beschränkte, einseitige Frage!

    Aber das Thema ist zu ernst und zu weitreichend. Am 27. Dez. 2005, hat die taz beispielhaft gezeigt, wie man diesem komplexen Thema wenigstens einigermaßen gerecht werden kann: Mit dem Artikel von Gabriele Goettle über Prof. Dr. Anna Bergmann unter dem Titel: „Letzte Zuckungen - Einspruch gegen Organtransplantationen“ - http://www.taz.de/pt/2005/12/27/a0133.nf/text.

    Die diesmalige Fragestellung: Sind unsere Organspenderegeln zu lasch?, basiert auf dem seltsamen Medizin- und Medienkonsens, Menschen stürben nicht an ihren Krankheiten, sondern an der Behinderung der Medizin durch die Verweigerung des Publikums, die eigenen Körper und Körperteile als Ersatzteillager zu begreifen und für die Verwertung freizugeben. Ja, ein Mitglied des deutschen Ethikrates, Herr Taupitz, versteigt sich gar dazu, selbst die Organspenderegeln für das Sterben von Menschen verantwortlich zu machen. Die sieben zu Wort kommenden Menschen stimmen alle in diese Betrachtungsweise ein, wenn auch Frau Greinert möglicherweise anders denkt, aber ihr auf den ihr zugestandenen 21 Zeilen eine differenzierte Stellungnahme einfach nicht möglich ist.

    Wenn das eine Debatte sein soll, dann landet man endgültig auf Bildzeitungs-Niveau. Warum nicht gleich suggestiv fragen: Finden Sie auch unsere Organspenderegeln zu lasch? Da können die Promis auch in drei Worten antworten - und das reicht doch, oder?

    Über die Problematik der Organspenden selbst wird von vorneherein geschwiegen und damit die geeigneten Voraussetzungen für das Marketing der Transplantationsindustrie geschaffen.

    Dass Transplantationsempfänger dauerhaft Patienten bleiben und keineswegs „geheilt“ ein Leben in Gesundheit vor sich haben, dass die Prognosen, lange mit dem transplantierten Organ leben zu können, nach wie vor eher schlecht sind? - davon ist nie etwas zu hören.

    Die massiven physischen und psychischen Probleme, die im Anschluß an eine Transplantation die Regel sind? - davon wird nicht geredet!

    Das merkwürdige Verständnis vom menschlichen Körper als Baukasten von separierten Einzelteilen, die sich nahezu beliebig auseinandernehmen und wieder zusammensetzen lassen? - Schweigen!

    Die seltsame Methode die Definition des Todeszeitpunktes den Bedürfnissen einer Transplantationsmedizin anzupassen, die Frischfleisch braucht? - unter den Teppich damit!

    Die Frage, warum bei der Entnahme von Organen der angeblich tote Mensch betäubt wird, ja werden muß? - keine Rede davon!

    Was ist mit den Ärzten, die sich weigern, Organe zu entnehmen, weil sie wissen, es handelt sich um Sterbende und nicht um Leichen? - kein Wort darüber!

    Aber auch, wenn man diese ganze Problematik weggeschwiegen hat, ist nicht zu begreifen, wie man propagieren kann, ahnungslose Leute, die sich dazu nicht äußern, ohne weiteres ausschlachten zu dürfen. Mit Verlaub: Das „in den lebensentscheidenden Dingen (...) füreinander einstehen“ von Herrn Schweiger wird hier verdreht zu: menschliche Körper und Körperteile zu verwerten, und damit den Menschen und seinen Körper zum Objekt, zur Ware, ja zum Ding zu machen. Und das ist ungefähr das Gegenteil von dem, was ich mir unter „füreinander einstehen“ vorstelle.

  • T
    tazitus

    "..Schließlich erwarten die meisten Menschen, im Bedarfsfall selbst ein Organ zur Verfügung gestellt zu bekommen..." Das ist "schön" suggestiv formuliert vom Mitglied des Ethikrats, Jochen Taupitz. Wer sind "Die Meisten"? Und "erwarten"? Naja, wünschen kann man das vielleicht.

     

    Erlischt denn mit dem Hirntod die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unverzehrtheit? Da ist die christliche (Mit)Leidkultur zu schnell am Skalpell. Haben die Bedarfsethiker, die hier einer Gesetzesänderung pro Widerspruchsreglung das Wort reden, schon einmal über das Verhältnis von Juden, Muslimen, Zeugen Jehovas usw. usw., zur körperlichen Unversehrtheit nach dem Tode nachgedacht?

     

    Muss ich demnächst auch eine Widerspruchserklärung ausfüllen, mit der ich angebe, dass ich nicht beraubt werde möchte? Wer Organe spenden will, soll das bekunden. Schriftlich und widerrufbar.

     

    Es ist Aufgabe von Politik und Medizin, dafür zu werben, dass sich mehr Menschen positiv zur Organspende erklären. Kann sein, dass ich mir auch solch einen Ausweis zulegen werde, obwohl mein Herz für eine Spende nicht mehr taugt und ich gern ein neues hätte. Eigentlich soll ich mich gar nicht aufregen.

  • N
    nanu

    Ich gehöre der Minderheit an die einen Organspendeausweis haben und der Minderheit die in dem gleich auch noch verfügt haben das sie KEIN einziges Organ hergeben möchten.

     

    Ich habe einmal miterlebt wie eine Mutter ihr schlampig "zusammengeflicktes" Kind in Empfang nehmen durfte nach dem es ausgenommen wurde.

    Wie sie vorher zur Eile ermahnt wurde und bedrängt.

     

    Das möchte ich meinen Hinterbliebenen (und die kann ich nunmal nicht ausschliessen - die wird es einfach geben) nicht zumuten.

  • IK
    Ihre Kinder

    Während man von dem Organspender (auch wörtlich) ein gutes Herz erwartet, wird mit der größten Selbstverständlichkeit allen anderen an diesem Szenario Beteiligten zugestanden, nicht für lau eine Leistung erbringen zu müssen.

    Es ist erstaunlich, wie schnell das Säckel verschnürt wird, wenn es darum geht, denjenigen, der das gewünschte und zudem so rare Produkt überhaupt erst zur Verfügung stellt, an dem Geschäft zu beteiligen.

    Wenn es stimmt, dass Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, könnte man meinen, wir wären mit Organspenden überversorgt, der Nulltarif wäre dann ein Mittel, die Preise hoch zu halten.

    Motiviert potentielle Spender mit den gleichen Mitteln, mit denen ihr den Arzt motiviert, die Operation durchzuführen, wenn es euch doch an Spenderorganen fehlt.

    Dann klappt das auch.

  • A
    apricot

    Hirntote sind Sterbende, aber keine Leichen. Jedem Mensch das Recht auf den Sterbeprozess. Mit der Widerspruchsregeln nutzt man die Uninformiertheit der Menschen aus, das ist menschenunwürdig.

  • HM
    helga müller

    Ich bin gegen die Organspende.

    Man muß doch mißtrauisch werden, wenn solche Personen wie Eckart Nagel aus Bayreuth selber Kirchentage leiten uns sich wie Christus fühlen, selbst aber nur ein JEIN zur eigenen Organspende äußern?

    Dieser Mann ist Gehirnchirurg,ist im Ethikrat, hat lange Jahre für die Privatisierung des Krankenhäuser geworben und ignoriert, daß unser Leben nun mal sterblich ist oder in Gottes Hand liegt.

    Wie kommt es, daß niemand unlautere Geschäftsabsichten in dieser ganzen Organspendedebatte vermutet?

    Ist Geschäftemachen das Heiligtum unserer Epoche?

  • J
    Jan

    Ich halte eine Widerspruchslösung für wesentlich fahrlässiger als eine Zustimmungslösung. Ich kann jedem nur empfehlen Greinerts Buch „unversehrt sterben!“ einmal zu lesen.

     

    Organe zum Zwecke der Transplantation können nur entnommen werden, wenn das Herz des Spenders noch kräftig schlägt, da die Organe noch bis unmittelbar vor der Entnahme durchblutet werden und lebensfrisch sind. Aus diesem Grunde kann der Tod des Organspenders im herkömmlichen Sinne nicht abgewartet werden, sondern er muss zu einem früheren Zeitpunkt für tot erklärt werden. Hierfür wurde das Konzept des Hirntods erschaffen, dass einen Menschen dann für tot erklärt, wenn die Funktion des gesamten Gehirns ausgefallen ist. Das Konzept des Hirntods ist aber sehr umstritten und immer wieder gibt es Fälle von Menschen, die für Hirntot erklärt wurden, jedoch wieder zum Leben erwachten. Keiner kann mit Sicherheit sagen, ob Hirntote von der Organentnahme wirklich nichts mitbekommen. Organspender bekommen während der Organentnahme eine Vollnarkose. Warum?

     

    Zudem werden die Körper von Organspendern regelrecht ausgeschlachtet und multiple Organe entnommen (Zum Beispiel: Bauchspeicheldrüse, Blutgefäße, Darm, Gehörknöchelchen, Haut, Herz, Herzklappen, die Hornhaut der Augen, Knochengewebe, Knorpelgewebe, Leber, Lunge, Niere, Sehnen und Teile der Hirnhaut). Dies kann für Angehörige eine große seelische Belastung darstellen.

     

    Viele Menschen möchten sich zu Lebzeiten keine Gedanken darüber machen, was mit ihnen nach ihrem Tod passiert, und dies ist auch ihr gutes Recht. Der eigene Körper ist das Eigentum jedes Menschen, dieses Recht darf Niemandem genommen werden. Ich bin überhaupt nicht gegen Organspende. Jedoch muss die Entscheidung, ob man Organspender seien möchte oder nicht, jeder Einzelne bewusst für sich treffen. Dafür sollte man aber auch über alle Aspekte des Themas aufgeklärt sein. Dies ist heute nicht der Fall. Die Berichterstattung in den Medien ist sehr einseitig. Wenn man sich nicht mit diesen Dingen beschäftigt, darf dies nicht dazu führen automatisch Organspender zu werden. Eine Widerspruchslösung ist fahrlässig, nur wer sich bewusst mit dem Thema auseinandersetzt und Bereitschaft zur Spende erklärt, sollte letztendlich auch zum Spender werden.

  • J
    Jan

    Ich halte eine Widerspruchslösung für wesentlich fahrlässiger als eine Zustimmungslösung. Ich kann jedem nur empfehlen Greinerts Buch „unversehrt sterben!“ einmal zu lesen.

     

    Organe zum Zwecke der Transplantation können nur entnommen werden, wenn das Herz des Spenders noch kräftig schlägt, da die Organe noch bis unmittelbar vor der Entnahme durchblutet werden und lebensfrisch sind. Aus diesem Grunde kann der Tod des Organspenders im herkömmlichen Sinne nicht abgewartet werden, sondern er muss zu einem früheren Zeitpunkt für tot erklärt werden. Hierfür wurde das Konzept des Hirntods erschaffen, dass einen Menschen dann für tot erklärt, wenn die Funktion des gesamten Gehirns ausgefallen ist. Das Konzept des Hirntods ist aber sehr umstritten und immer wieder gibt es Fälle von Menschen, die für Hirntot erklärt wurden, jedoch wieder zum Leben erwachten. Keiner kann mit Sicherheit sagen, ob Hirntote von der Organentnahme wirklich nichts mitbekommen. Organspender bekommen während der Organentnahme eine Vollnarkose. Warum?

     

    Zudem werden die Körper von Organspendern regelrecht ausgeschlachtet und multiple Organe entnommen (Zum Beispiel: Bauchspeicheldrüse, Blutgefäße, Darm, Gehörknöchelchen, Haut, Herz, Herzklappen, die Hornhaut der Augen, Knochengewebe, Knorpelgewebe, Leber, Lunge, Niere, Sehnen und Teile der Hirnhaut). Dies kann für Angehörige eine große seelische Belastung darstellen.

     

    Viele Menschen möchten sich zu Lebzeiten keine Gedanken darüber machen, was mit ihnen nach ihrem Tod passiert, und dies ist auch ihr gutes Recht. Der eigene Körper ist das Eigentum jedes Menschen, dieses Recht darf Niemandem genommen werden. Ich bin überhaupt nicht gegen Organspende. Jedoch muss die Entscheidung, ob man Organspender seien möchte oder nicht, jeder Einzelne bewusst für sich treffen. Dafür sollte man aber auch über alle Aspekte des Themas aufgeklärt sein. Dies ist heute nicht der Fall. Die Berichterstattung in den Medien ist sehr einseitig. Wenn man sich nicht mit diesen Dingen beschäftigt, darf dies nicht dazu führen automatisch Organspender zu werden. Eine Widerspruchslösung ist fahrlässig, nur wer sich bewusst mit dem Thema auseinandersetzt und Bereitschaft zur Spende erklärt, sollte letztendlich auch zum Spender werden.

  • S
    S.Hargus

    Langfristig eine Gesetzesänderung herbeizuführen ist sicherlich sinnvoll, zumal die Widerspruchsregelung viel effektiver zu sein scheint. Diese Diskussion immer wieder anzuregen ist ebenso von Bedeutung, um Menschen bis zu einer solchen Gesetzesänderung zu einer aktiven Teilnahme an der Diskussion und letztendlich zur Entscheidung über die Organspende zu bewegen.

    Allerdings missfällt mir an diesem Artikel, dass der (im Übrigen unglaublich einfache) Weg, an einen Spenderausweis zu gelangen, nicht beschrieben wird.

    Ich denke, dass sich auch bei der jetzigen Regelung mehr Menschen zur Organspende bereiterklären würden, wenn ihnen veranschaulicht wird, wie schnell diese Erklärung vonstatten gehen kann (möglich innerhalb von einer Minute via Internet und Drucker), und wo solche Spenderausweise zu bekommen sind (http://www.organspendeausweis.org)oder Krankenhäuser.

  • S
    Sch

    Das Problem sind doch nicht Tote, die nicht widersprechen koennen, sondern auch gegen deren Willen Organe entnommen werden koennen,

     

    sondern Lebende, die als Organspender in Frage kommen,

    dann deshalb getoetet werden,

    um Wartende zu versorgen.

    Nur weil die Blutgruppe stimmt oder andere Parameter,

    Alter, Geschlecht...

     

    Wenn wir die Organentnahme von Lebenden verhindern koennten, brauchten auch woanders keine Menschen

    hingerichtet werden,

    um Sterbende mit Ueberlebensorganen zu versorgen.

     

    Die Angst vor dem Tod?

     

    Gibt es ja auch schliesslich fuer jeden Menschen.

     

    Trotzdem sollen oder wollen Aerzte nicht als Metzger bezeichnet werden.

    Schlachter ist auch falsch und Fleischer

    oder Fleischbeschauer?

    Rabbi?

    Alles gefaehrlich.

     

    Gibts ueberhaupt gute Medizin?

    Oder haben wir nur noch Negatives?