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Streit der Woche"Was für eine Grausamkeit!"

Süßigkeiten für Kinder nur an Sonn- und Feiertagen, fordert Promi-Friseur Udo Walz. Um Himmelswillen, lasst den Kindern ihre Naschereien, entgegnet Ex-Moderator Peter Lustig.

Wie soll man da noch widerstehen können? Bild: dpa

BERLIN taz | Kurz vor Weihnachten fordert Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner Eltern und Schulen auf, mit Kindern gezielt den Umgang mit Süßigkeiten zu üben und dabei auf Verbote zu verzichten. "Statt ständig mit dem erhobenen Zeigefinger durch die Welt zu gehen, sollten Eltern ihren Kindern beibringen, selbstständig zu entscheiden und in Maßen zu genießen", schreibt die CSU-Politikerin im Streit der Woche in der sonntaz.

Promi-Friseur und Diabetiker Udo Walz sieht das anders. Er hält ein Verbot - bis auf einige Ausnamen - für angebracht. "Sogar Kinder leiden heute an Diabetes", schreibt Walz. "Deshalb sollten Eltern Süßkram streng reglementieren" Er rät Eltern, Süßigkeiten nur an Feiertagen zu erlauben.

Auch der Berliner Grundschulleiter Tilo Vetter plädiert im Streit der Woche für Strenge. An seiner Schule ist das Naschen komplett verboten. "Wir glauben, dass sie nicht zu einer gesunden Lebensweise passen", schreibt er. Wenn die Pädagogen ihre Schüler mit Süßem erwischen, rufen sie zu Hause bei den Eltern an.

"Nein, um Himmelswillen, was für eine Grausamkeit!", empört sich der Ex-Löwenzahn-Moderator Peter Lustig über solche Restriktionen. Es sei doch normal, dass der Geschmackssinn von Kindern dem Körper gehorche. "Und der will Zucker!", schreibt Lustig in der sonntaz. "Die Vorliebe für Süßes ist ganz natürlich - ich kann sie den Kindern nicht übel nehmen."

Bild: taz

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Die Psychotherapeutin Claudia Thurn rät Eltern zu einem entspanntem Umgang mit dem Thema. "Verbote machen gierig", sagt Thurn taz.de. "Ohne Zweifel, Kinder brauchen Unterstützung darin, mit dem Überangebot an weihnachtlichen Süßigkeiten umzugehen. Aber Umgehen ist das Gegenteil von Vermeiden. Eine gesunde und ausgewogene Ernährungsweise lebt von der Vielfalt an Geschmackserlebnissen, Fette und zuckerige Lebensmittel natürlich in Maßen inklusive." Auch Gernot Schmahlfeldt vom Moby-Dick-Netzwerk für übergewichtige Kinder schlägt vor, zu trainieren, wie man Süßes genießt. "Wir üben mit den Kindern, wie man Schokolade genußvoll im Mund zergehen lässt und nicht in sich hineinstopft", sagt Schmahlfeldt taz.de.

Das Netzwerk empfiehlt Eltern in Weihnachtszeit, zusammen mit den Kindern gesunde Süßigkeiten herzustellen. "Der altbekannte Bratapfel, gefüllt mit Nüssen, Cranberries oder Rosinen und verfeinert mit Zimt - der kommt bei Kindern gut an", sagt Schmahlfeldt.

Im Streit der Woche äußerten sich außerdem Elisabeth Pott, die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die Schauspielerin Christine Neubauer, der taz-Leser Joachim Nock und der Wissenschaftsjournalist Ulrich Bahnsen, der erklärt, wo außer in Süßigkeiten noch Zucker lauert.

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11 Kommentare

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  • W
    willy

    Walz lebt sein Denkverbot exzessiv.

    Haarschneider, bleib bei deinen Löckchen!

  • S
    Snuggles

    Jawohl, Herr Walz. Und nicht vergessen die Hacken zusammen zu schlagen. (Ironie aus).

    Typisch deutsch, einigen passt was nicht in Deutschland, dann müssen Verbote her, noch dazu von einem ausgewiesenen Kinderexperten.

     

    Herr Walz, bleiben Sie bei Ihren gutbetuchten Kunden und schneiden deren Haare. Kreieren lieber eine neue Frisurenmode, wegen mir lilaplastblau, um Presse zu bekommen. Oder schreiben ein Buch, "Meine Erfahrungen mit der Schere und Reichen".

     

    Aber lassen Sie die Kinder in Ruhe, die Sie nichts angehen. (Einen anderen Text verbietet mir die Netikette). Den Rest überlassse ich den Eltern, die

    zum Großteil wissen, was gut für Ihre Kinder ist.

     

    - Das wird man ja noch sagen dürfen -

  • S
    Schroedingers

    @ Peter Lustig

     

    Mir tut es im Herzen weh, lesen zu muessen, wie eine Ikone meiner eigenen Kindheit so reichlich desinformiert.

     

    "Es sei doch normal, dass der Geschmackssinn von Kindern dem Körper gehorche."

     

    Das ist ausgemachter Bloedsinn. Kinder werden heutzutage vom ersten Milupa-Tee, vom ersten gekauften Brei an Zucker gewoehnt. Das hat mit instinktivem Verhalten rein gar nichts mehr zu tun.

     

    ""Und der will Zucker!", schreibt Lustig in der sonntaz. "Die Vorliebe für Süßes ist ganz natürlich - ich kann sie den Kindern nicht übel nehmen." "

     

    Ganz natuerlich waere die Lust an Zucker aus Fruechten zum Beispiel (das auch evolutiv hochgradig Sinn macht), aber sicherlich nicht nach einer industriell aufgereinigten Mono-Substanz.

     

     

    Zucker gerne - sei es in Fruechten oder auch mal in Honig; alles andere hoert sich fuer mich jedoch wie Werbung der Zuckerindustrie an. Und die Korrelation mit dem Auftreten von Diabetes (und weiteren Krankheiten) besteht durchaus.

     

    Siehe auch das Buch "Zucker Zucker" von Dr Bruker

  • K
    Kerzenlicht

    Angesichts massiver Werbung und der Vorgaukelung, dass manche Süßigkeiten gesund sind, ist es gar nicht möglich, Kindern Süßes zu verbieten. Außerdem kommen die Kinder auch viel zu leicht an Süßigkeiten heran. In den meisten Schulen gibt es kein richtiges Mittagessen mehr, aber dafür Pausenversorgung mit allen möglichen Süßigkeiten. Die Produktpalette ist riesig und für Kinder sehr verlockend präsentiert. In meiner Kindheit in den 60er Jahren war das noch nicht so und es war für mich völlig normal, Süßigkeiten nur zu Weihnachten,Ostern und zum Geburtstag zu bekommen. Aber das hat mir nicht den verantwotungsbewussten Umgang damit beigebracht. Als es mir möglich war, unabhängig von meiner Mutter Süßigkeiten zu kaufen, hab ich davon regen Gebrauch gemacht. Deswegen ist für mich klar, dass man Kindern den Umgang mit Süßigkeiten beibringt und welche gesunden Möglichkeiten es gibt, den Appetit auf Süßes zu stillen. Kinder mögen es, mit zu backen und zu kochen und darin liegt auch eine gute Chance, ihren Appetit zu beeinflussen.

  • KS
    kleiner Spinner

    "Kurz vor Weihnachten fordert Verbraucherministerin Ilse Aigner Eltern und Schulen auf, mit Kindern gezielt den Umgang mit Süßigkeiten zu üben und dabei auf Verbote zu verzichten."

     

    Unmöglich, die Frau. Erst trickst sie gegen die Lebensmittelampel, und dann führt sie sich zum Ausgleich als Gouvernante auf.

  • G
    guuessaugust.de

    Herr Walz hat wohl etwas zu viel am Haarspray geschnüffelt. Keine eigenen Kinder, dafür Umgang mit jeder Menge neurotischer Promis und B-Promies. Und dann gute Ratschläge für die Kindererziehung. Dazu muß man ja nicht mehr viel sagen.

  • ZF
    zucker frei

    herr walz hat volkommen recht.

    die forderung, kinder selbst entscheiden zu lassen, ist komplett unrealistisch. kinder verfügen nicht über die nötige impluskontrolle, um ihr ernährungsverhalten selbstständig zu regulieren.

  • J
    Jens

    Man braucht es doch gar nicht zu verbieten, wenn man zuhause einfach nur vollwertige Nahrung anbietet, außerdem den Kindern von Anfang an erklärt, warum etwas gesund oder ungesund ist, sie ab und zu ins Einkaufen und Kochen mit einbezieht usw.

     

    Dann ernähren sich die Kinder von ganz allein im Wesentlichen gesund.

    Wenn sie sich von ihrem Taschengeld dann ab und zu Süßigkeiten kaufen möchten, braucht man das dann nicht zu verbieten.

     

    Kann man eh nicht. So viel Macht haben die Erwachsenen nun auch wieder nicht.

  • A
    Arno

    Liebe taz, Scherze macht man am 1. April, nicht zu Weihnachten...

  • TF
    Thomas Fluhr

    Interessante Debatte, vor allem die Auswahl an kompetenten Gesprächspartnern, Friseure, Schauspieler. Wieder einmal wird nicht nach Ursachen gesucht, sondern ein Symptom bekämpft. Absurde Idee, durch verbieten etwas erreichen zu können, außer den Reiz zu steigern. Wohl nichts gelernt? Übrigens 'zuckerfrei' ist keine Alternative, wie sich in Zukunft noch zeigen wird. Wieviele Süßstoffe wurden schon vom Markt genommen, nachdem sie diverse Krankheiten, z.B. Krebs ausgelöst hatten?

  • M
    mathilde

    und das ist der Streit der Woche. Ich bin beeindruckt. Während ich hier vergeblich nach Infos zur Großdemo in Greifswald suche, muß ich statt dessen lesen, was Udo Walz denkt. Das hat mich schon immer brennend interessiert.

    Die taz hat Niveu.....