Streit der Woche: „Wer sich zumüllt, ist selbst schuld"
Wer billig kauft, muss sich nicht über Giftskandale wundern, sagt Spitzenköchin Carmen Krüger. Alle Lebensmittel müssen sicher sein, entgegnet Ministerin Ilse Aigner.
BERLIN taz | Im Dioxinskandal wehrt sich Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner gegen den Vorwurf, dass es bei Billigproduktion von Lebensmitteln keine Sicherheit geben könne. „Der Preis eines Produktes darf dabei keine Rolle spielen“, schreibt Aigner im Streit der Woche der sonntaz. „Alle Lebensmittel, die in Deutschland verkauft werden, müssen sicher sein.“ Darauf müssten sich die Verbraucher zu jeder Zeit verlassen können.
In dieser Woche wurden auch in Schweinefleisch aus Niedersachsen erhöhte Dioxinwerte nachgewiesen, nachdem zuvor bereits belastete Eier in den Verkauf gekommen waren. Grund war verunreinigtes Futtermittel. Am Freitag stellte Verbraucherschutzministerin Aigner daraufhin einen Aktionsplan Futter- und Lebensmittel vor.
Der aktuelle Dioxinskandal sei eindeutig auf eine kriminelle Handlung zurückzuführen, schreibt Helmut Born, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes im Streit der Woche. „Verbraucher wie Bauern sind Opfer.“ Wenn die Konsequenzen aufgearbeitet seien, sei es allerdings Zeit zu fragen, „warum die Verbraucher in Deutschland Bauern und Lebensmittelwirtschaft permanent über 'Dauerniedrigstpreise' wirtschaftlich so extrem unter Druck setzen.“
Auch Spitzenköchin Carmen Krüger fordert Verantwortungsbewusstsein von den Verbrauchern. „Wer sich selbst zumüllt, ist auch selbst schuld", schreibt sie in der sonntaz. Wenn die Antwort auf die Frage, wie viel Essen kosten dürfe, „möglichst wenig“ sei, verkämen Lebensmittel zu Billigprodukten. „Der Kunde von heute ist ein Geizhals. Und dem wollen Immer-noch-billiger-Anbieter gefallen. Ohne Rücksicht auf Verluste.“
Jürgen Stellpflug, Chefredakteur des Verbraucher-Magazins Öko-Test widerspricht. "Nicht der Verbraucher ist schuld, sondern diejenigen, die das Dioxin ins Futter mischen." Natürlich müssten Konsumenten, die nur billig kauften, sich nicht wundern, wenn sie etwa vermehrt Geschmacksverstärker mitessen würden. Aber: "Keiner kauft freiwillig Gift in Lebensmitteln." Dioxin stehe eben nicht kleingedruckt unter den Inhaltsstoffen. „Damit ist der Verbraucher aus der Verantwortung.“
Den gesamten Streit der Woche und viele andere Texte finden Sie in der sonntaz vom 15./16. Januar 2010. Ab sofort mit noch mehr Seiten, mehr Reportagen, Interviews und neuen Formaten. Die sonntaz kommt jetzt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo.
Im Streit der Woche in der sonntaz diskutieren außerdem Nicole Maisch, die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, die Autorin Karen Duve, taz.de Leser Torsten Schober und Kathrin Hartmann, die in ihrem Buch "Ende der Märchenstunde" gegen die These argumentiert, die Verantwortung für eine gerechtere Welt liege nur in den Händen der Verbraucher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn